Herr Lampert, woher stammt Ihre scheinbar riesige Begeisterung für Rinder?

Seit ich ein Kind bin, ziehen mich Rinder magisch an. Ihre Gelassenheit, wie sie zu einer Herde zusammenwachsen und als Herde erlebbar sind und doch eine Individualität haben, begeistert mich. Wir Menschen, hätten wir nur Augen zu sehen und die nötige langmütige Aufmerksamkeit, könnten einiges von ihnen lernen.

«An den Kühen könnten wir lernen, wie wir mit der Natur umgehen sollten.»

Für das Buch «Die Kuh. Eine Hommage» reisten Sie durch die Welt, um Rinderrassen zu porträtieren. Wie fanden Sie Ihre Protagonisten?

Als ich die Idee hatte, eine Hommage an die Kühe zu verfassen, habe ich als Erstes ein Team zusammen-gestellt. So ein Werk braucht viele helfende Hände. Wissen, die Fähigkeit zur soliden Recherche, Ausdauer und Leidenschaft für das Thema waren die Voraussetzungen, um ins Team zu kommen. Den Rahmen, uns hauptsächlich auf autochthone Rinder zu beschränken, gab ich vor. Und dann hatte ich das unglaubliche Glück, abenteuerbesessene Fotografen zu finden. Die meisten Aufnahmen kommen von Ramona Waldner, Extrembergsteigerin, einer Frau, für die keine Reise, keine äusseren Umstände jemals Hindernisse waren. Nur ein einziges Mal gab sie auf. Ich wollte unbedingt ein im Urwald von Kambodscha verschollenes, seit Jahr-zehnten nicht mehr gesehenes Wildrind namens Kouprey (Bos sauveli) wiederfinden. Die Suche nach diesem Wildrind gestaltete sich sehr schwierig;herumliegende Granaten von unterschiedlichen Kriegen kamen als zusätzliche Herausforderung hinzu. Als einheimische Fachleute das Suchen als sinnlos bezeichneten und die persönlichen Gefahren immer herausfordernder wurden, gab Ramona auf.

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Wie wünschen Sie sich die Zukunft für die Rinder als Nutztiere in der westlichen Welt?

Mein Gott, hat irgendein Lebewesen denn noch Zukunft auf dieser Erde? Wir wissen doch spätestens seit den 1980er-Jahren, wie wir Menschen die Welt zugrunde richten, ohne ernsthaft dagegen zu steuern. Nebst der vom Menschen verursachten Erderhitzung, ist die unfassbare Zerstörung der Artenvielfalt, unser aller Lebensgrundlage, die grösste Gefahr. Nachdem die industrialisierte Landwirtschaft die Rinder nur noch als Produktionsgegenstände behandelt und unser Begehren nach Milch und Fleisch grenzenlos ist, wird nun diskutiert, Massen von Rindern zu töten, da sie dem Klima zusetzen. Hielten wir die Rinder und Kühe, wie es ihnen angemessen ist, also auf der Weide und in einem Stall, in dem sie Raum genug hätten, wären Milch und Fleisch ein kostbares Gut. Die Rinder wären keine Klimakiller. Sie wären kleiner, geschmeidiger, könnten sich noch als ausgewachsene Tiere behände in bergigen Wiesen bewegen. Träten sie bei der Weide Gräser und deren Wurzeln in den Boden und schenkten den Weiden ihre Kuhfladen, bauten sie Humus auf und so könnten unsere Weiden zu den effektivsten CO2-Senken werden. An den Kühen könnten wir lernen, wie wir mit der Natur umgehen sollten.

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Haben Sie eine Lieblingsrasse?

Wer sich mit Kühen abgibt, erlebt fast bei jeder Kuhrasse etwas, das ihn anzieht, etwas Unvergleichliches. Als Kind liebte ich das autochthone Braunvieh, klein, wendig, menschenbezogen, mit hinreissenden Augen, die mich immer zum Träumen einluden. Ich liebte ihren Geruch und ihr Temperament. Vom Kopf her begeistern mich besonders die Sacha Ynaga, Rinder aus Jakutien, die unglaubliche Temperaturunterschiede aushalten und eine Ethnie zusammenhalten. Später lernte ich die majestätischen Evolèner kennen, unglaubliche Tiere, welche einfach Freude vermitteln. Lange mögen sie leben! Und der Stolz ihrer Halter möge nie enden!

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Ursprünglich haben Sie sich als Kirchenrestaurator ausbilden lassen und Orientalistik studiert, dann wurden Sie zum österreichischen Pionier der biologischen Landwirtschaft. Wie kam es zu diesem Richtungswechsel?

Eine nie endende Leidenschaft für die Landwirtschaft, die Lebensmittel und die Anthroposophie gaben meinen Weg vor.

Nachhaltig produzierte Lebensmittel liegen Ihnen am Herzen – wie setzen Sie sich dafür mit Ihrem Unternehmen ein?

Als wir die ersten Biolebensmittel einführten, mussten wir romantische Geschichten erzählen als Begründung, warum Bio der einzige gangbare Weg der Lebensmittelproduktion ist. Verbindet sich Bio konsequent mit Nachhaltigkeit, können wir nun messen und beweisen, wo die Unterschiede der Lebensmittelproduktion und ihre Auswirkungen auf die Erde sind. Die Vorstellung, dass die Bauern mittelbar vom Klimasünder zum Klimaretter werden, gehen sie den Weg der biologisch nachhaltigen Landwirtschaft, begeistert mich und hält mich auf Trab.

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Für Aldi Schweiz konzipierten Sie das Label «retour aux sources», worin unterscheidet sich dieses hinsichtlich den Richtlinien von Bio Suisse?

«retour aux sources» hebt sich von anderen Biomarken und -labels ab, indem es nicht nur den Standard von Bio Suisse erfüllt, sondern darüber hinaus mit den weitreichenden «Prüf Nach!»-Nachhaltigkeitskriterien und einer aussergewöhnlichen Transparenz und Rückverfolgbarkeit aufwartet. Die Einhaltung der Richtlinien wird jährlich von unabhängigen Kontrollstellen wie bio.inspecta erhoben. Aus jeder Produktgruppe durchlaufen «retour aux sources»-Betriebe ausserdem jedes Jahr einen wissenschaftlichen Nachhaltigkeits-Check, vom Schweizer Institut für Agrarökologie. Alleinstellungsmerkmale sind etwa eine antibiotikafreie Tierhaltung bei Milchkühen und Geflügel; kraftfutterfreie Fütterung bei Milchkühen; die Aufzucht der Brüder von Legehennen, Biodüngung und höhere Biodiversitätsvorgaben. Unser grosses Ziel ist, dass alle Kälber am Geburtsbetrieb abgetränkt werden und auf «retour aux sources»-Höfen grossgezogen werden.

 

Schmökerecke
Der umfassende Band von Werner Lampert porträtiert Rinderrassen in ihrem natürlichen Lebensraum und liefert umfassende Infos zu Abstammung, Verbreitung und Charakter.

Werner Lampert: «Die Kuh. Eine Hommage», 479 Seiten, zahlreiche grossformatige Farbfotografien, Berg und Feierabend Verlag.