Die Dehesa in den südwestspanischen Regionen Andalusien und Extremadura sowie in den angrenzenden Gebieten Mittel- und Südportugals ist eine einzigartige Landschaft mit lichten Wäldern aus Stein- und Korkeichen. Sie ist bekannt für ihre Biodiversität mit über 40 Pflanzenarten und einer vielfältigen Vogelwelt. Gegen die Verbuschung des Kulturlands unverzichtbar sind Schafe, Ziegen, Rinder und eine der letzten europäischen Weideschweinrasse: das Cerdo Ibérico. Die schwarzen Iberischen Schweine haben Schlappohren und einen Rüssel, der im Vergleich zu jenem der landläufigen rosa Schweine lang ist.

Ihre Vorfahren kamen vor mehreren Tausend Jahren mit jungsteinzeitlichen Bauern aus dem Nahen Osten via Nordafrika auf die Iberische Halbinsel. Hier kreuzten sie sich mit Wildschweinen und haben sich ihren Bewegungsdrang erhalten, graben und wühlen nonstop im Boden. Auch sonst sind sie ihren wilden Verwandten ähnlicher als andere domestizierte Schweinerassen. Nähert sich ihnen ein Mensch, schützen sie sich gegenseitig, indem sie ihn umkreisen und angreifen. Züchter sagen, sie seien durchaus zahm, aber aggressiver als andere Schweine und umschreiben den Charakter ihrer Ibérico mit extrem verspielt, urtümlich, wild und freiheitsliebend.

Schliesslich laufen die robusten Schweine, deren hohen Beine sie zu ausgezeichneten Wanderern machen, die meiste Zeit frei durch die Eichenwälder und können an einem Tag bis zu zwölf Kilometer zurücklegen. Die viele Bewegung lässt sie langsam wachsen. Es dauert eineinhalb Jahre, bis ein Ibérico auf sein Schlachtgewicht von 180 Kilogramm kommt. Zum Vergleich: Schweizer Schweine werden innert sechs Monaten auf 120 Kilogramm gemästet.

Wenig Nachwuchs, langsames Wachstum

Vor 60 Jahren dezimierte die grassierende Afrikanische Schweinepest die Bestände, da sie sich in den grasenden Herden rasant verbreitete. In den 1970er-Jahren war die Rasse kurz vor dem Aussterben. Da wurde es auch zu einem Problem, dass die Mutterschweine seltener werfen als die Sauen gängiger Zuchtrassen und meist nur vier bis sechs Ferkel. Mehr als sieben Ferkel sollten sie nicht bekommen, da sie etwa acht funktionierende Zitzen haben.

In dieser Krisenzeit entschied Spanien, den luftgetrockneten Schinken der Schweine, den Jamón Ibérico, mit einem Ausfuhrverbot zu belegen. Für die meist kleinen Betriebe lohnte sich die Zucht erst wieder mit der Gründung eines Konsortiums, in dem sich gut zwei Dutzend Hersteller organisierten. Der Verband machte den Schinken ab 1996 im Ausland bekannt, sorgte für den Export und schützte ihn mit Gütesiegel. Seither ist Jamón Ibérico ein Exportschlager. Feinschmecker weltweit rühmen ihn als besten Schinken überhaupt. Sie schätzen auch den Jamón Serrano, der sich aber in der Herkunft vom Ibérico-Schinken unterscheidet.

Schon gewusst?Jamón Ibérico ist der luftgetrocknete Schinken der Iberischen Schweine. Die drei Qualitätsstufen haben verschiedenfarbige Preisetiketten: Stammt der «Jamón Ibérico de Bellota» von reinrassigen Schweinen, ist es schwarz, sonst rot. Das Preisschild des «Jamón Ibérico Cebo de Campo» ist grün und jenes des «Jamón Ibérico de Cebo» weiss. Im Handel nicht mehr erlaubt ist die im Volksmund gebräuchliche Bezeichnung «Jamón de Pata negra», da nicht alle Iberischen Schweine schwarze Klauen (pata negra) haben, andere spanische Rassen aber schon. «Jamón de Pata blanca» ist ein Synonym für den weniger edlen, aber ebenso berühmten Tapas-Schinken Serrano, da er von hellen Hausschweinen stammt. Bekannt für den Serrano, abgeleitet vom spanischen Wort sierra für Gebirge, ist die Bergregion in der Provinz Granada.

Das Fleisch des Cerdo Ibérico hat wenig gemein mit normalem Schweinefleisch. Die natürliche Ernährung und das langsame Wachstum sorgen für einen nussigen Geschmack und eine feine Marmorierung. Das Fett bildet sich nicht in der Schwarte, sondern in den Muskeln. Das intramuskuläre Fett macht das Fleisch extrem saftig und lässt es beim Braten oder Grillieren nicht austrocknen. Zudem hat das Fett eine andere Konsistenz, es ist nicht faserig, sondern zergeht auf der Zunge. Beim Schinken sorgt die lange Reifezeit von eineinhalb bis drei Jahren dafür, dass er mürbe ist und beim Aufschneiden nicht schwitzt.

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Drei Qualitätsstufen

Doch nicht jeder Ibérico-Schinken hat die gleiche Qualität. Es gibt ihn in drei verschiedenen Kategorien. Die Krönung ist der «Jamón Ibérico de Bellota»: Er stammt von Schweinen, die sich ihr ganzes Leben lang frei in den Eichenwäldern bewegen und sich von Eicheln (bellota) sowie Kräutern ernähren. Vor allem von Oktober bis März, wenn während der sogenannten Montanera-Saison die Eicheln reif sind, stopfen sie sich regelrecht voll damit. 10 bis 15 Kilogramm Eicheln sind es pro Tag. Allein in diesen sechs Monaten verdoppelt sich ihr Gewicht auf 180 Kilogramm. Dafür braucht jedes Schwein gut drei Hektaren Land. Hinzu kommen 36 Monate Lufttrocknung – kein Wunder kostet die Preziose 20 Franken und mehr für 100 Gramm. Weniger streng sind die Vorgaben der zweithöchsten Qualitätsstufe «Jamón Ibérico Cebo de Campo».

Diese Schweine fressen zuerst auf den Weiden (campo) Eicheln. Danach geht es in den Stall zur Mast (cebo), wo sie Getreide bekommen. Ganz in einem Mastbetrieb aufgezogen und mit Getreide gefüttert werden schliesslich die Schweine, die den «Jamón Ibérico de Cebo» liefern. Es lebt also nicht jedes Schwein, das Ibérico-Schinken liefert, immer draussen in der Dehesa. Und nicht jedes Schwein ist ein reines Ibérico. Darüber entbrannte 2016 in Spanien eine Kontroverse.

Viele Ibérico-Sauen werden mit Samen der Rasse Duroc künstlich befruchtet, der Schinken ist dennoch ein «Ibérico». Kritiker sprachen von einer Verwässerung der Marke, die Hersteller verwiesen auf das königliche Dekret über die «Reinheit von Ibérico-Schinken», demzufolge sie ihre Produkte mit dem edlen Label anpreisen dürfen, auch wenn sie von gekreuzten Tieren aus Massenproduktion stammen. Drei Kategorien sind erlaubt: 100 Prozent Ibérico, 75 Prozent, wenn ein Grossvater Duroc war, sowie 50 Prozent, wenn es sich um die erste Generation einer Kreuzung handelt.