Lautes, hohes Schreien, das nicht zu den Stimmen der einheimischen Vögel passt, schallt durch den Park. Aber wo kommen die exotischen Pfiffe her? Gleich um die Ecke löst sich das Rätsel. In einer Voliere im Garten eines Altersheims fliegt ein Trupp Nymphensittiche. Sie sitzen mit aufgerichteten Häubchen zuoberst auf den senkrechten Ästen. Die Haube ist ein zuverlässiger Stimmungsmesser. Zeigt sie spitz nach vorne, ist der Nymphensittich aufgeregt, legt sie sich etwas, ist wieder alles in Ordnung. Liegt die Haube flach auf dem Kopf, buhlt er um seine Partnerin.

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Die kleinen Papageienvögel vereinen die positiven äusserlichen Eigenschaften der Kakadus und der Sittiche. Von den Kakadus haben sie die attraktive Federhaube, von den Sittichen die elegante Form. Kakadus sind äusserst anspruchsvolle und laute Volierenpfleglinge. Nymphensittichen hingegen kann man unter Menschenobhut gut gerecht werden. Sie werden seit vielen Generationen gezüchtet und sind sich ein Leben in der Voliere gewohnt.

Nomaden in Australien

Australien: Heisser Wind bläst rötlichen Sand über topfebenes Land. Das spärliche Spinifex-Gras zittert, die halb verdorrten Blätter der wenigen Eukalyptusbäume am Saum eines ausgetrockneten Bachs rascheln. Vereinzelt ziehen weisse Wolken am blauen Himmel. Erst bei genauerem Hinschauen sind die grau befiederten Nymphensittiche ganz oben im Eukalyptusbaum auszumachen. Die Männchen haben gelbe Köpfe mit roten Wangenfedern, bei den Weibchen ist das Gelb am Kopf verwaschen gräulich, den Wangenfleck haben sie aber ebenso. Nur kommt er im gräulichen Gefieder weniger zur Geltung.

Plötzlich fliegen die etwa 50 Nymphensittiche auf und flitzen pfeilschnell davon. Viele Kilometer weiter befindet sich eine Farm mit Bewässerungsanlagen. Dort lassen sie sich in den Baumwipfeln nieder. Nymphensittiche leben nomadisch. Sie prüfen, ob die Luft rein ist. Dann flattern sie zum Brunnen, um Wasser zu trinken.

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Nymphensittiche sind über den ganzen australischen Kontinent in Trockengebieten verbreitet. Nur die Wälder meiden sie, profitieren aber von der Erschliessung weiter Landstriche durch den Menschen. In der Nähe von Farmen finden sie immer auch Viehtränken. Oft können sie in der Nähe von Kornspeichern Resten von Sämereien wie Weizen, Mais und Sorghum picken. Früher konnten sie sich die Trockengebiete nur bei Regenzeiten erschliessen.

Mit der Besiedlung Australiens, die 1770 durch den Briten James Cook ausging, wurde auch der Nymphensittich in Europa bekannt. 1792 wurde er wissenschaftlich beschrieben und gelangte wohl ab 1840 regelmässig per Schiff nach Europa. Wie der Wellensittich hat sich der kleine Haubenträger gut in europäischen Stuben etabliert. Er pflanzte sich auch bald einmal fort. Die trockene Heizungsluft im Winter entsprach wohl etwa den Bedingungen im australischen Outback, und das gute Futterangebot simulierte die Regenzeit. Wenn es regnet, brüten die Sittiche, weil Gräser spriessen und zahlreiche Samen vorhanden sind.

Samen, Gräser, Obst und Zweige

Nymphensittiche werden schon sehr lange nicht mehr importiert. Sie brüten meist bereitwillig in den Nistkästen der heimischen Volieren. Zwischenzeitlich gibt es auch verschiedene Mutationen. Dabei handelt es sich um Farbveränderungen im Gefieder. So entstanden Lutinos, also gelbe Nymphensittiche, weisse und geperlte.

Im Vergleich zu anderen Papageien sind Nymphensittiche nicht laut. Doch in einer Wohnung können sie sich sehr wohl durch ihr hohes Schreien unangenehm bemerkbar machen. Bei der Haltung zu zweit schreien sie aber nicht pausenlos, sondern haben oft morgens und abends ihre Aktivitätsphasen oder machen sich dann bemerkbar, wenn sie sich aufregen. Sie imitieren auch menschliches Pfeifen.

Zwei Nymphensittiche können in einer Zimmervoliere gehalten werden, wenn sie etwa 2 x 1,5 Meter x Zimmerhöhe misst. Die Einzelhaltung ist gesetzlich verboten. In grösseren Volieren können Nymphen-sittiche auch in Gruppen leben. Sie sind sehr sozial und vertragen sich gut untereinander. Wer nicht züchten möchte, kann zwei Männchen zusammenhalten. Sie verhalten sich, als wären sie ein Paar. Nymphensittiche ernähren sich von Körnern und Sämereien. Mischungen für australische Grosssittiche bietet der Fachhandel an. Wichtig ist, dass sie nur wenige Sonnenblumenkerne enthalten. Sie werden zwar von den Sittichen gerne verzehrt, doch sie sind sehr fetthaltig. Zu viele davon schaden den Vögeln.

Nymphensittiche freuen sich über Gaben aus der Natur wie Löwenzahn, Spitzwegerich, Vogelmiere und Wildgräser. Auch Obst wie Apfel, Kirschen, Trauben und weitere Früchte, die wir gerne essen, mundet den Nymphensittichen. Wichtig sind regelmässig frische Äste von Weiden, Hasel, Ahorn, Esche, Erle oder Buche. Nymphensittiche nagen Blätter und Rinde ab und nehmen dabei Mineralien auf. Und die Beschäftigung damit hält sie in Kontakt mit der Natur. Wichtig sind auch Kalkgaben. Es gibt handelsübliche Präparate wie Grit oder Mineralpulver, die in einer separaten Schale zur freien Aufnahme gereicht werden sollten. Zudem dürfen Sepiaschalen aus dem Zoohandel nicht fehlen. Sehr anregend für Nymphensittiche ist gekeimtes Körnerfutter, das beispielsweise im Frühling dargeboten werden kann.

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Wenn Nymphensittiche jung erworben werden und man sich intensiv mit ihnen beschäftigt, entwickeln sie Vertrauen. Kolbenhirse lockt sie zur Hand, bis sie vielleicht sogar darauf klettern. Sie verbinden das Erlebnis dann mit etwas Positivem. Frisch in der Voliere befestigte Kolbenhirse führt dazu, dass die Nymphensittiche auch wieder zurückklettern. Schreckhaftigkeit liegt allerdings in ihrer Natur. Die Freude an den kleinen Haubenvögeln währt lange, denn sie können über 25 Jahre alt werden.

NymphensittichNymphensittiche (Nymphicus hollandicus) scheinen nicht nur wie kleine Kakadus. Auch Zoologen zählen sie zur Familie der Kakadus. Nymphensittiche sind im zoologischen System die einzigen Vertreter ihrer Gattung. Das heisst, sie sind monotypisch. Die Artbezeichnung hollandicus deutet auf ihr Verbreitungsgebiet hin. Australien wurde früher Neuholland genannt, denn zuerst segelten Holländer dorthin.