Rangordnung im Hühnerhof
«Kennen wir uns?» – wie sich Hühner erinnern
Eine wichtige Voraussetzung für eine stabile Rangordnung und eine relativ ruhige Schar ist die Fähigkeit von Hühnern, ihre Artgenossen zu erkennen. Doch wie gut ist das Erinnerungsvermögen von Hühnern? Und von welchen Faktoren ist es abhängig?
Für Hühnerhalter und -züchter, die nur eine Rasse halten, ist es mitunter schwierig, die eigenen Tiere auseinanderzuhalten. Schliesslich sollen die Hühner ja auch möglichst gleich aussehen, also dem Europäischen Standard entsprechend. Um immer den Überblick über die eigene Hühnerschar zu haben, ziehen wir Menschen den Hühnern deshalb bereits im zarten Alter von wenigen Wochen Ringe über die Füsse. Diese sind alle mit einer Nummer versehen, um die Tiere voneinander unterscheiden zu können. Zudem hilft es, deren Vorfahren im Zuchtbuch genau zu vermerken.
Doch wie machen das die Hühner? Sie müssen fähig sein, sich schnellstmöglich zu erkennen. Denn für den weiteren Verlauf eines Zusammentreffens ist es wichtig zu wissen, wer das Gegenüber ist und ob es in der Rangordnung höher oder tiefer steht. Denn nur so kann entsprechend reagiert und einem vielleicht sowieso aussichtslosen Kampf aus dem Weg gegangen werden.
Bis zu hundert Artgenossen erkennen
Hühner erkennen sich an ihren Kopfanhängseln. Es reicht also, wenn ein Huhn die Kopfpartie seines Gegenübers sieht, um es sogleich einordnen zu können. Entscheidende Unterschiede sind in der Form und der Grösse sowohl des Kammes wie auch der Kehllappen zu finden. Gemäss Carlheinrich Engelmann, Autor von «Leben und Verhalten unseres Hausgeflügels», können bereits kleine Veränderungen dazu führen, dass ein Huhn von seiner Hühnerschar nicht mehr erkannt wird. Bei einem Versuch wurde beispielsweise der Stehkamm einer Italiener-Henne, der immer auf einer bestimmten Kopfseite herabhängt, auf die andere Kopfseite umgeklappt. Dies reichte bereits aus, sie unerkennbar für den Rest ihrer Schar zu machen. Was zur Folge hatte, dass das Huhn angegriffen wurde, da die anderen Hühner es für einen Neuankömmling hielten, den man zuerst in die Schranken weisen muss.
Hühner sind bekannt für ihre stabile Rangordnung. Sie sind fähig, sich fast an bis zu hundert verschiedene Artgenossen zu erinnern. Jedes einzelne Huhn weiss genau, wo es in der Hierarchie steht, wer unter ihm und wer über ihm eingeteilt ist. Dementsprechend verhält es sich gegenüber einem übergeordneten Huhn zurückhaltend und mit einer Demutshaltung, während es sich von einer untergeordneten Henne nichts bieten lässt und schon mal Drohgebärden an den Tag legt. Diese starre Rangordnung verändert sich nur, wenn ein Tier erkrankt oder aus der Herde genommen wird oder wenn ein neues hinzukommt.
Wie ist es aber, wenn einzelne Tiere beispielsweise nach einer Ausstellung wieder zurück in den Hühnerhof kommen? Werden sie wiedererkannt? Untersuchungen zeigen, dass dafür der Zeitfaktor entscheidend ist. Das Erinnerungsvermögen bleibt nicht ein Leben lang bestehen. Es nimmt stetig ab. Engelmann geht davon aus, dass sich Hühner nach rund vier Wochen nicht mehr erkennen, beziehungsweise sich nicht mehr aneinander erinnern können. Ganz genau lässt sich das jedoch nicht sagen, da dies zum einen rassenabhängig ist, zum anderen auf das Geschlecht, die Umgebung, die soziale Stellung und nicht zuletzt auf die Fähigkeiten jedes einzelnen Individuums ankommt.
Fremd nach zwei bis vier Wochen
Ein Beispiel: Eine Henne wurde für zwei Wochen in einem fremden Stall untergebracht. Bei ihrer Rückkehr ging sie ohne bedenken zielstrebig zum Wassertrog. Dabei wurde sie von den anderen Hennen angegriffen. Der ehemals ranghöheren Henne gegenüber nahm sie sofort die Demutshaltung ein, während sie sich mit den anderen einen erbitterten Kampf lieferte. Sie hatte demzufolge sowohl die Umgebung wie auch die anderen Hühner wiedererkannt. Hätte sie nur die Umgebung erkannt, hätte sie in «ihrem» Stall gegen alle anderen gekämpft. Wäre ihr alles fremd vorgekommen, hätte sie sich den anderen Hennen untergeordnet. Umgekehrt scheinen die zu Hause gebliebenen Hennen sie nicht wiedererkannt zu haben.
Manchmal können aber auch sehr eindrückliche Erlebnisse über eine längere Zeitspanne als üblich in Erinnerung bleiben. Dies zeigt das Beispiel eines fünf Monate alten Hahnes, der bei gleichaltrigen Hähnen in den Stall einquartiert wurde. Er unterlag nach kurzer Zeit und einer heftigen Jagd dem Alphatier. In dieser Konstellation lebten die Hühner noch vier Monate, bevor der Alphahahn für drei Monate den Stall verlassen musste. In dieser Zeit erkämpfte sich der ehemals unterlegene Hahn die Position des Alphatieres. Er zeigte sich anderen Hähnen gegenüber selbstbewusst und stark. Trotzdem wagte er es nicht, den ehemaligen Bezwinger bei seiner Rückkehr in den Stall herauszufordern. Hier gingen die Experten davon aus, dass sich die tägliche Angst, welcher der ehemals scheue Hahn über die vier Monate hinweg ausgesetzt war, sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt hatte.
Die Untersuchungen Engelmanns zeigen jedoch auch, dass Junghühner schneller vergessen als ausgewachsene Hühner. So gingen Junghähne, die nach elf Wochen getrennt wurden, bereits nach zweiwöchiger Fremdplatzierung wieder aufeinander los, als hätten sie den entscheidenden Rangordnungskampf noch nicht hinter sich gebracht. Vermutlich ist dies darauf zurückzuführen, dass sich in den ersten Lebenswochen das Aussehen relativ rasch verändert. Hähne, die im selben Alter nach vier Tagen wieder zusammengeführt wurden, gingen zwar zuerst wieder aufeinander los, beim ersten Körperkontakt entfernten sie sich aber wieder voneinander und nahmen eine ruhige und entspannte Haltung ein, entsprechend der Rangordnung, die sie vor dem Zusammentreffen hatten.
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