Solange das Kaninchen noch Petersilie frisst, besteht Hoffnung.» Diese Aussage hört man oft, doch ganz so einfach ist es nicht. Allheilmittel gibt es kaum, aber mit einer guten Handvoll Pflanzen, die man kennt und anzuwenden weiss, kann manchem Kaninchen geholfen werden.

Pflanzen enthalten eine ganze Palette an Wirkstoffen und beeinflussen damit gleichzeitig mehrere Organsysteme, das unterscheidet sie von chemischen Medikamenten. Das Verabreichen der Kräuter ist einfach, da die Kaninchen diese freiwillig und gern fressen. Sie haben ein gutes Gespür, welche Pflanzen ihnen im Moment guttun. Frischpflanzen sind immer die erste Wahl. Gerade im Winter wird man aber oft auf getrocknete ausweichen müssen oder auf Tinkturen, die man über die Tränke verabreicht oder mit einer Spritze direkt ins Maul gibt. 

Es gibt Züchter, die ausschliesslich auf robuste Konstitution ihrer Zuchtlinien setzen und Behandlungen kranker Kaninchen ablehnen. Sie übersehen dabei, dass Kaninchen eigentlich Kräuterexperten sind, die sich über ihre Nahrung genau das holen, was sie im Moment brauchen: Rinden, Knospen, Kräuter mit bestimmten Inhaltsstoffen, die für den aktuellen Gesundheitszustand wichtig sind. Diese Wahl bleibt den Hauskaninchen verwehrt, weil sie nicht frei herumstreifen können. Pellets gelten zwar – in Kombination mit Heu – als Vollnahrung, ihnen fehlen aber weitgehend die sekundären Pflanzenstoffe, die Wildkaninchen täglich aufnehmen. Kräutergaben sind keine Verweichlichung, sondern versorgen die Tiere mit wichtigen Wirkstoffen.

Verdauung: Allheilmittel Beifuss
Die häufigsten Gesundheitsstörungen der Kaninchen betreffen die Verdauung. Die Gründe können in Fütterungsfehlern liegen, mangelnder Hygiene oder Stress. Verdauungsstörungen sind mit Heilpflanzen gut zu korrigieren. Das Kraftfutter wird reduziert, gutes Heu gereicht und Beifuss (Artemisia vulgaris), die vermutlich wichtigste Heilpflanze für Kaninchen. Beifuss ist ein altes Würzkraut, das in Kiesgruben, an Wegrändern und kiesigen Ufern wächst. Andere Namen sind Mugwurz oder Weiberkraut, Mug bedeutet kräftigen und wärmen, Weiberkraut weist auf die Wirkung auf die weiblichen Geschlechtsorgane hin. 

Beifuss kommt einem Allheilmittel für Kaninchen sehr nahe. Es ist eine aromatische Bitterpflanze, die neben ätherischen Ölen und Bitterstoffen Sesquiterpenlactone enthält, denen eine entzündungshemmende, antimikrobielle und tumorhemmende Wirkung zugeschrieben wird. Beifuss hilft zuverlässig bei sämtlichen Magen-Darm-Beschwerden, Koliken, Durchfall, Verstopfung, Blähungen, Verdauungsschwäche, Appetitlosigkeit. Er fördert die Produktion von Verdauungssäften, wirkt als Tonikum, gibt dem Kaninchen also wieder Energie. Beifuss stärkt Niere und Blase, verbessert die Fruchtbarkeit, sorgt für eine einfache Geburt und eine restlose Austreibung der Nachgeburt. Beifuss gehört in jeden Kaninchen-Kräutergarten.

Bei Verletzungen sind Ringelblume (Calendula officinalis), Johanniskraut (Hypericum perforatum) und Hirtentäschel (Capsella bursa-pastoris) die Mittel der Wahl. Hirtentäschel ist gefässdichtend, es hilft zuverlässig bei inneren oder äusseren Blutungen. Es ist als erste Hilfe nach einer schweren Geburt angebracht, nach einem Sturz, bei blutigem Urin oder blutigem Durchfall. Bei unklaren Zuständen muss selbstverständlich ein Tierarzt beigezogen werden. 

Weissdorn für das Herz
Johanniskraut hilft bei allen Nervenverletzungen, Rückenmarksquetschungen, nach einem Unfall und als Zusatzbehandlung bei Schiefhals. Ringelblume desinfiziert, ist schmerzstillend und beschleunigt die Heilung von Risswunden, Bisswunden, Quetschungen. Die Verletzung wird mit verdünnter Ringelblumentinktur ausgewaschen, zusätzlich verfüttert man Ringelblume oder gibt ein paar Tropfen Tinktur ins Trinkwasser. Ringelblume löst zudem Verhärtungen im Verdauungstrakt, sie hilft schlechten Fressern und Tieren, die zu Haarballen neigen. 

Zur Anregung des Immunsystems in Stresssituationen und vorbeugend an Ausstellungen hilft Sonnenhut (Echinacea spec.). Er hemmt Viren und kurbelt gleichzeitig die körpereigene Abwehr an: täglich zehn Tropfen der Tinktur für mittlere und grosse Kaninchen, die Hälfte für Klein- und Zwergrassen. Pflanzen stärken auch die Atemwege, am bekanntesten ist wohl Thymian (Thymus vulgaris), den man dazu übers Futter streut oder ihn als Tee verabreicht. Zweige von Fichte und Tanne werden von den Langohren gerne benagt und stärken dabei die Atemwege. Die ätherischen Öle dieser Pflanzen werden über die Lungen ausgeschieden und entfalten so ihre Wirkung am richtigen Ort.

Ältere Kaninchen können an einer Herzschwäche leiden, die vor allem bei Stress oder Hitze bedrohlich werden kann. Vorbeugend und zur Behandlung eignet sich Weissdorn (Crataegus monogyna und Crataegus laevigata). Man verfüttert Blätter und Beeren oder fügt der Tränke Weissdorn-Tinktur bei, die Dosierung ist wie bei Sonnenhut. Weissdorn ist ein gut verträgliches Langzeitmittel, er verbessert die koronare Durchblutung, stärkt den Herzmuskel, stabilisiert den Herzrhythmus, ist krampflösend und beruhigend. Weissdorn nützt natürlich auch jüngeren Tieren, wenn im Sommer Hitzetage angekündet sind. 

Brennnessel mit vielen Mineralstoffen
Die Entgiftungsorgane Leber und Niere können ebenfalls mit passenden Pflanzen gestärkt werden. Mariendistel (Silybum marianum) ist ein spezifisches Leberschutz- und Leberstärkungsmittel. Es ist bei allen Leberproblemen sowie bei schweren Verdauungsstörungen angezeigt. Nierenmittel sind Birke (Betula pendula) und Goldrute, wobei neben der einheimischen Goldrute (Solidago virgaurea) auch die invasiven Goldruten (S. canadensis, S. gigantea) Verwendung finden. Die invasiven Arten darf man getrost in grösseren Mengen sammeln, man tut dabei Gutes für die heimische Flora. 

Als natürliche Mineralstoffversorgung ist die Brennnessel (Urtica dioica) unübertroffen. Sie wird angewelkt oder getrocknet verfüttert. Laktierende Häsinnen und heranwachsende Jungtiere sollten sie regelmässig erhalten, ebenso Kaninchen während des Fellwechsels. 

Literaturtipp:
Ursula Glauser: «Kaninchen-Apotheke. Gesunde Kaninchen dank Heilpflanzen», gebunden, 168 Seiten, Verlag: Oertel + Spörer, ISBN: 978-3-88627-883-1, ca. Fr 24.–. Auch im Tierweltshop erhältlich