Grünfutter für unsere Vögel kann man grob in zwei Sorten einteilen: in Blattgrünfutter, zu dem beispielsweise die Blätter von Löwenzahn, Vogelmiere, Kreuzkraut, Brennnessel, Chicorée oder Grünkohl zählen, und in halb reife Sämereien. Während die grünen Blätter praktisch von allen Körner fressenden Vogelarten mehr oder weniger gerne angenommen werden, verzehren halb reife Saaten meist nur bestimmte Vogelgruppen.

So lieben Prachtfinken etwa die Samen von Gräsern, während sie die von Korbblütlern (Asteraceae oder Compositae) weniger gern mögen. Bei manchen anderen Finkenvögeln wie unseren heimischen Arten oder fremdlän-dischen Cardueliden (darunter alle Zeisig- und Girlitzarten) ist es eher umgekehrt. Sie bevorzugen die Samen vieler Korbblüten-Gewächse, fressen teilweise aber auch die verschiedenen Gräser. Kanarien, Wellensittiche, Papageien, Hühnervögel und viele Taubenarten nehmen nach Gewöhnung fast jede Art von Grünfutter auf.

Da sie sich das Futter erarbeiten müssen, sind die Vögel sinnvoll beschäftigt
Neben den lebenswichtigen Nährstoffen hat das Anbieten bestimmter frischer Grünfutterpflanzen für unsere gefiederten Pfleglinge weitere Vorteile. Oftmals müssen sie sich ihr Futter dabei erarbeiten, das heisst, sie müssen Halme geschickt anfliegen, um zum Beispiel an halb reife Sämereien zu gelangen, damit sie die Körner aus den Ähren heraus klauben können. So sind die Vögel nicht nur längere Zeit sinnvoll beschäftigt, sondern sie gehen auch auf ganz natürliche Art und Weise der Futtersuche nach. Des Weiteren verwenden viele Vogelweibchen die Halme oder die leer gefressenen Ähren sehr gerne zum Nestbau.  

Grünfutter, gleich welcher Art, sollte man seinen Vögeln möglichst nicht einfach auf den Boden werfen. Erhöht am Volierendraht oder auf Zweigen befestigt, nehmen es die Tiere nicht nur lieber auf, sondern hier ist es auch besser gegen Verschmutzung durch Kot geschützt. Zur Befestigung verwende ich schon seit vielen Jahren handelsübliche Wäscheklammern. Bei Vogelarten, die geschickt klettern können – beispielsweise Girlitzen, Zeisigen oder verschiedenen Prachtfinkenarten – kann man aber auch die Halme zu einem Strauss zusammenbinden und so irgendwo im Geäst oder an der Decke aufhängen. Blattgrünfutter, das als Ganzes nicht so beliebt ist, darunter zum Beispiel Brennnesseln (Urtica dioica), kann man auch mit einem Messer klein schneiden, und so in einem separaten Napf oder auf einer sauberen Stelle am Boden reichen.

Um halb reife Gräser frisch zu halten – ich sammle meist gleich einen grösseren Vorrat – stelle ich die Halme einfach in einen mit etwas Wasser befülltem Eimer, der an einem kühlen Ort, zum Beispiel im Keller, gelagert wird. So kann man mehrere Tage lang die benötigte Menge täglich entnehmen und frisch verfüttern. Dabei ist zu beachten, dass das Wasser möglichst jeden Tag gewechselt wird, denn sonst hat man bald nur noch eine übel riechende Brühe.

Vogelmiere und Löwenzahn sind die Klassiker
Die Grünpflanzen Vogelmiere und Löwenzahn wird wohl jeder Vogelzüchter kennen, und sie wenigstens gelegentlich seinen Vögeln anbieten. Von der Vogelmiere (Stellaria media) werden alle Teile, Blätter, Stängel und die halb reifen beziehungsweise reifen Samen von praktisch allen Körner fressenden Vogelarten verzehrt. Vom Löwenzahn (Taraxacum officinale) sind die langen Blätter besonders nährstoffreich. Auch sie dienen vielen Körnerfressern als Futterquelle. Die halb reifen Fruchtstände sind dagegen hauptsächlich bei Kanarien und Cardueliden beliebt. Für die Jungenaufzucht dieser Arten stellen halb reife Löwenzahnsamen ein besonderes wichtiges und naturnahes Aufzuchtfutter dar. Aber auch blühende Löwenzahnköpfe sind für manche Vögel ein Leckerbissen. Meine südamerikanischen Sittiche stürzen sich etwa mit Begeisterung auf die gelben Blüten, wenn ich diese frisch gepflückt anbiete.

Da die halb reifen Löwenzahnsamen nur in einem kurzen Zeitraum von April bis Mai in grossen Mengen zur Verfügung stehen, sollte man die Samenköpfe im Gefrierschrank konservieren, um dieses wertvolle Futter auch später noch anbieten zu können. Es empfiehlt sich, nur die milchigen, noch grün-gelblichen Samen zu sammeln, da die reifen, braunen Samen nach dem Auftauen matschig werden und aneinander kleben. In diesem Zustand werden sie in der Regel nicht mehr so gerne verzehrt. Aus dem gleichen Grund taue ich auch die Samenköpfe nicht auf, sondern reiche sie in noch gefrorenem Zustand direkt aus der Gefriertruhe. Damit die unzähligen Flughaare der Löwenzahnköpfe nicht überall in der Vogelbehausung umher fliegen, sollte der Pappus grundsätzlich mit einer Schere abgeschnitten werden.

Gräser sind besonders beliebt
Für Prachtfinken, aber auch für Kanarien, Cardueliden, Wellensittiche und viele weitere Körnerfresser, sind die halb reifen Samen der verschiedenen Gräserarten ein sehr wertvolles Grünfutter. Die meisten relevanten Arten gehören zur Familie der Süssgräser (Poaceae oder Gramineae). Als Vogelfutter heiss begehrt sind die Rispengräser, von denen es etwa 500 verschiedene Sorten gibt. Die bekanntesten Arten bei uns sind das Einjährige Rispengras (Poa annua), das Wiesen-Rispengras (Poa pratensis) und das Gewöhnliche Rispengras (Poa trivialis). Rispengräser wachsen an offenen, meist sonnigen Standorten, so dass man sie hauptsächlich auf Wiesen, Brachflächen und an Waldrändern sammeln kann.

In Laub- und Nadelmischwäldern sowie in lichten Tannen-, Buchen-und Fichtenwäldern gedeiht die Waldhirse, auch Flattergras oder Flatterhirse (Milium effusum) genannt. Dieses bis zu einem Meter hohe Gras mit circa 15  bis 25 Zentimeter langen Rispen ist das absolute Lieblingsfutter meiner Prachtfinken. Halb reif kann man es, je nach Standort, ab Anfang Mai bis etwa Ende Juni ernten. In Laubwäldern liefert im gleichen Zeitraum das Einblütige Perlgras (Melica uniflora) halb reife Samen. In einigen Gegenden trifft man es häufig zusammen mit der Waldhirse grossflächig an, so dass beide Arten eine sehr ergiebige Futterquelle darstellen.

Bei meinen Vögeln ebenfalls sehr begehrte Süssgräser, die ich in der entsprechenden Jahreszeit auch regelmässig füttere, sind noch: Hühnerhirse (Echinochloa crusgalli), Blutrote Fingerhirse (Digitaria sanguinalis) sowie die Grüne Borstenhirse (Setaria viridis). Nicht ganz so beliebt – sie werden aber dennoch gefressen – sind hingegen das Gewöhnliche Knäuelgras (Dactylis glomerata), die Weiche Trespe (Bromus hordeaceus) und die Gemeine Quecke (Elymus repens). Neben diesen gibt es noch viele weitere Gräser, deren halb reife Ähren man seinen gefiederten Lieblingen ebenfalls anbieten kann.

Eine weitere Gräserart, die ich schon seit zahlreichen Jahren meinen Exoten reiche, ist die Wald-Segge (Carex sylvatica). Sie gehört jedoch zu den Sauergräsern oder Riedgrasge-wächsen (Cyperaceae). Man findet sie mit halb reifen Samen – Achänen genannt – über-wiegend im Mai und Juni auf Nasswiesen, in Sumpfgebieten, in Ufernähe sowie in feuchten Waldabschnitten. Natürlich kann man aber auch die vielen anderen Seggenarten mit halb reifen Früchten füttern. Bei mir ist das hin und wieder noch die Hänge-Segge (Carex pendula). Diese beiden Seggenarten habe ich auch in einem schattigen Plätzchen unseres Gartens angepflanzt. So kann ich sie zur Jungenaufzucht bei Bedarf immer wieder in kleinen Mengen ganz frisch in die Volieren geben.

Die Vielfalt der Natur nimmt kein Ende
Aus der Familie der Wegerich-Gewächse (Plantaginaceae) sind die Ähren mit den halb reifen Samen des häufig vorkommenden Breit-Wegerichs und des Spitz-Wegerichs bei vielen Vogelarten sehr beliebt. Von beiden reiche ich auch die Blätter, wenngleich diese nicht von allen meinen Vögeln gefressen werden. Mit dem Messer klein geschnitten nehmen sie aber zumindest die Kanarien, von denen ich seit Jahren die spanische Gesangskanarienrasse «Timbrado Español» züchte.  

Die grosse Familie der Korbblüten-Gewächse bietet uns Vogelliebhabern eine Fülle hervorragender Futterpflanzen für diverse Vogelarten – zum Beispiel für Kanarien, Cardueliden und sonstigen Finkenvögeln sowie auch für Sittiche und Wachteln. Unter den Korbblütlern, von denen unseren Vögeln hauptsächlich die halb reifen und reifen Samen munden, finden wir auch eine grosse Anzahl mit farbenfrohen Blüten. Nach dem Verblühen freuen sich meine Stieglitze und die verschiedenen Zeisigarten auf die Samen. So habe ich in den vergangenen Jahren unter anderen folgende Arten zum Verzehr angeboten: Acker-Gänsedistel, Färberkamille, Frühlings-Greiskraut, Gemeiner Beifuss, Geruchlose Kamille, Huflattich, Kanadischer Katzenschweif, Kleinköpfiger Pippau, Kohl-Gänsedistel, Kornblume, Raue Gänsedistel, Schmuckkörbchen, Skabiosen-Flockenblume, Stachel-Lattich, Wegwarte, Wiesen-Flockenblume, Wiesen-Schafgarbe und verschiedene Kratzdistel-Arten. Aus der Familie der Knöterich-Gewächse verfüttere ich hin und wieder den Ampfer-Knöterich, Floh-Knöterich sowie Vogel-Knöterich.

Auf meinen ausgedehnten Fahrradtouren entdecke ich immer wieder neue Pflanzen, die ich dann nach dem Studium der entsprechenden Bestimmungsbücher meinen Vögeln zur Bereicherung des Speiseplans anbiete. Als Beispiele möchte ich folgende nennen: Blauer Natternkopf, Feldkresse, Gelber Steinklee, Nachtkerze, Hirtentäschel, Krummer Fuchsschwanz, Sauerampfer, Weisser Gänsefuss und Weisser Steinklee. In der Regel fressen Vögel die Samen all dieser Pflanzenarten sehr gerne.

Auch unser Garten liefert noch halb reife Sämereien: die des Garten-Rittersporns, vom Topinambur, vom Gänseblümchen und besonders ertragreich von der Studentenblume. Die Blütenköpfe des Gänseblümchens sind zudem bei meinen weiter oben bereits genannten Sittichen als Leckerbissen beliebt. Alle meine Vögel bekommen auch von dem der Vogelmiere sehr ähnelnden Hornkraut und gelegentlich eine kleine Menge der Zitronenmelisse.

An Gemüsesorten aus dem Garten ist Blattmangold (Beta vulgaris) gut geeignet. Im Winter kann man hin und wieder auch etwas Grün- oder Rosenkohl (Brassica oleracea) füttern. An käuflichem Grünfutter erhalten alle meine Vögel Chicorée – eine Zuchtform der Gemeinen Wegwarte und somit ein Korbblütengewächs. Um die Knospen ein paar Tage lagern zu können, aber vor allen Dingen, damit sich Blattgrün bildet, stelle ich sie mit dem unteren Teil in seichtes Wasser. Salat bekommen meine Vögel nicht. Zum einen ziehen wir diesen nicht selbst im Garten – und gekaufter enthält mir zu viele Chemikalien –, und zum anderen haben Wildpflanzen einen höheren Nährwert als beispielsweise Kopfsalat.

So wertvoll Grünfutter für unsere Vögel auch ist, man darf es mit der angebotenen Menge nicht übertreiben. Bei einer zu grossen Menge bekommen nämlich viele Vögel schon bald Darmprobleme. Auch spielt es eine Rolle, ob ein Vogel regelmässig Grünes erhält, er also daran gewöhnt ist, oder nicht. Für einen Wellensittich oder Kanarienvogel würde ich zum Beispiel ein Löwenzahnblatt oder einige wenige Ähren einer Gräserart täglich oder gar nur jeden zweiten Tag als vollkommen ausreichend erachten. Futterpflanzen, die man in freier Natur sammelt, dürfen natürlich nicht mit Pestiziden belastet sein, und auch direkt an viel befahrenen Strassen sollte man kein Grünfutter pflücken. Bei der Frage, ob die Pflanzen bei der Fütterung nass sein dürfen, scheiden sich die Geister. Manche Experten meinen, wenn die Vögel feuchtes Grünfutter gewohnt sind, schadet es nicht. Persönlich gehe ich da jedoch kein Risiko ein. Bei mir gibt es ausschliesslich trockenes Grünzeug.

Natürlich gibt es noch viele weitere als die hier aufgezählten Futterpflanzen, die man seinen Vögeln anbieten kann. Es soll ja auch nur eine Auflistung der Arten sein, die meine eigenen Gefiederten erhalten. Um die Recherchen über Aussehen, Vorkommen und Blütezeit in den Pflanzenbestimmungsbüchern oder im Internet zu erleichtern, ist bei vielen Sorten auch die wissenschaftliche Bezeichnung angegeben.

www.horst-mayer-vogelzucht.de

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