Blick ins Dunkel
Buchtipp: Bilder aus dem ewigen Eis
Ein Jahr lang liess sich die Polarstern zwischen 2019 und 2020 mit dem arktischen Eis treiben. Wissenschafts-Fotografin Esther Horvath hat das Projekt mit der Kamera begleitet. Vom grössten arktischen Wissenschaftsexperiment aller Zeiten berichtet sie im Buch «Expedition Arktis».
Es ist eindrücklich, was Wissenschafts-Fotografin Esther Horvath in unserem Podcast erzählt (Link). Doch Worte mögen nicht fassen, was sie an Bord der «Polarstern» wirklich erlebt hat und wie es ist, Teil der grössten Polarexpedition zu sein.
Ihre Erinnerungen hat sie darum in Form Hunderter Fotos festgehalten. Viele von ihnen sind im Buch «Expedition Arktis» erschienen. Bereits das Auftaktbild spricht Bände. Es zeigt fünf Crewmitglieder, die übers Eis stapfen, während hinter ihnen das Forschungsschiff liegt, eingeschlossen im Eis. Es wäre unmöglich gewesen, aus eigener Motorenkraft durch diese gefrorene Decke zu pflügen, ist im Text zu lesen. Aus diesem Grunde habe man 2019 beschlossen, sich in einer Scholle einschliessen und mit ihr treiben zu lassen, während eines ganzen Jahres.
Der Vollmond leuchtet über der nächtlichen Eislandschaft
Betrachtet man die stimmungsvollen Fotos, die Horvath in der arktischen Nacht gelungen sind, in welcher der Vollmond die Eislandschaft gespenstisch erleuchtet, ist man mit an Bord. Kein Mensch habe es bisher bis hierher geschafft, schreibt Texter Sebastian Grote dazu. «Hunderte Kilometer entfernt von den nördlichsten Küstenstreifen, umgeben von Packeis, Kälte und Finsternis.» In einer bildhaften Sprache beschreibt er die Stürme, die an der Oberfläche toben und das Eis in Bewegung halten. Er erzählt, wie es sich knirschend und krachend zu meterhohen Türmen zusammenschiebt, wonach sich immer wieder Spalten auftun. Das könnte gefährlich werden. Denn der dunkle Ozean, der darunter frei wird, ist nicht nur kilometertief, sondern vor allem auch kalt.
Nach dem fulminanten Auftakt in der arktischen Weite blendet Fotografin Esther Horvath zurück. Sie hat die Zeit eingefangen, in welcher die Polarstern noch im Trockendock lag und auf die Expedition vorbereitet wurde. Sie hat mit der Kamera drauf gehalten, wenn die Expeditionsteilnehmer*innen fürs Überleben in der unwirtlichen Welt vorbereitet wurden: beim Schwimmen mit speziellen Schutzwesten in eisigem Fjord-Wasser, beim Feuerlöschen mit verbundenen Augen oder dem Arbeiten in völliger Dunkelheit.
Ein sicheres Refugium vor Kälte und Unwettern
Horvath porträtiert aber auch den Kapitän, der sich seiner immensen Verantwortung bewusst ist. Wenn etwas schief geht, sei die Polarstern das Refugium für die 500 Wissenschaftler*innen an Bord da, lässt er sich zitieren. Als Leser*in fiebert man kurz darauf mit, wenn die Nordstern im Norden Norwegens ausläuft, spürt förmlich, wie die Crew Regentropfen im Gesicht fühlt. Es wird für eine lange Zeit das letzte Mal sein, wie zu lesen ist. Bald wird Wasser aufgrund der Minustemperaturen nur noch in gefrorenem Zustand vorkommen.
«Expedition Arktis» ist mehr als nur ein Bildband, das wird aufgrund Sebastian Grotes Textbeiträgen deutlich. Das Buch will zugleich aufklären und uns Zusammenhänge in der Natur vermitteln. Denn einer der Schlüssel zum Verständnis des weltweiten Klimas liegt in der Arktis, einem System, das die Wissenschaft unter anderem aufgrund der gewonnen Daten der Mosaic-Expedition besser kennenlernen will. Und so findet man im rund 300-seitigen Band immer wieder anschaulich bebilderte Erklärungen zu Themen wie der Atmosphärenforschung. Horvath erzählt von der Jagd nach Winden, Wolken und Partikeln – Aufgaben, die auf dem Arbeitsplan der Crewmitglieder standen.
Bohrkerne aus dem ewigen Eis
Im Podcast von «Tierwelt online» erzählt Esther Horvath auch davon, wie Wissenschaftler*innen dem arktischen Eis Bohrkerne entnehmen. Wie das aussieht? Die Fotografin hat mit der Kamera auf den Moment gehalten, als sie die eisigen Proben verpacken und untersuchen. Gleichzeitig zeigt sie das eigene Observatorium, dem ein ganzes Kapitel gewidmet ist – mit unzähligen weiteren stimmungsvollen Bildern. Einsam muss es sich mitunter angefühlt haben, wie ein weiteres doppelseitiges Foto erahnen lässt: Es zeigt einen Wissenschaftler, der draussen im Eis schürft, in mystischem rotem Licht.
Irgendwann kippt das Wetter und das Eis bewegt sich immer stärker. Die Crew sieht sich gezwungen, errichtete Forschungsstationen aufzugeben und aufs Schiff zurückzukehren. Bilder von Schneestürmen lassen die Urkräfte erahnen, die den Menschen äusserste Anstrengungen abverlangen.
Es war ein Ausflug in eine andere Welt, ist im letzten Kapitel des Buches zu lesen. Einer, der in den Bildern und Texten auch anderen Menschen ein wenig näher gebracht wird. Wie es sich an Bord der Polarstern und auf dem arktischen Eis allerdings wirklich angefühlt hat, wissen nur diejenigen, die dabei waren. Esther Horvath war eine von ihnen.
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«Expedition Arktis – die grösste Forschungsreise aller Zeiten»
Esther Horvath
Geo Verlag/Prestel
288 Seiten,
4. Auflage, 2020
ISBN978-3-7913-8669-0
Ca. 56.- Franken
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