Von aussen wirkt er fast unscheinbar, der Eingang zum Casa del Gato im Zürcher Quartier Wiedikon. Doch wer sich durch die glasige Doppeltüre hineinwagt, merkt schnell: Den Weg hierher haben viele gefunden. Das Café ist voll an diesem Mittwochmorgen im Juni. An den Tischen wird über die Fussball-Europameisterschaft und Covid-19 gesprochen, aber hauptsächlich drehen sich hier die Gespräche um ein Thema: Katzen.

Und das hat einen guten Grund: Beim Casa del Gato handelt es sich um ein Katzencafé, und zwar um das erste der Schweiz. Die fünf Kater Leonardo, Tiego, Juan, Cesar und Pedro sind hier zu Hause. Die drei Maine Coons und zwei Britisch-Kurzhaar verbringen ihre Tage damit, um Tisch- und Menschenbeine zu schwirren, sich von den Gästen streicheln zu lassen – oder auch nicht – oder der Lieblingsbeschäftigung aller Katzen nachzugehen, dem Schlafen.

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Eröffnung im Lockdown
«Die Kater suchen sich die Leute aus, mit denen sie spielen wollen», sagt die Café-Betreiberin Simge Aglamaz. «Wenn du Glück hast, kommen sie zu dir.» Ist einem dieses Glück allerdings nicht beschieden, ist es im Casa del Gato nicht erlaubt, den Tieren hinterherzulaufen oder sie gar einzufangen. Die auf jedem Tisch aufliegenden Hausregeln legen dies klar fest. Hält sich jemand nicht daran, muss Aglamaz auch mal eingreifen. «Die meisten Leute reagieren dann aber mit Verständnis», sagt sie.

Bis vor drei Jahren hatte Aglamaz noch überhaupt nichts mit Büsi am Hut. Als ihr Lebenspartner sie dazu überredete, sich zwei Britisch-Kurzhaar-Katzen anzuschaffen, war es dann aber um sie geschehen. Der Freund war es auch, der sie auf die Existenz von Katzencafés aufmerksam machte, von denen mittlerweile in Europa zahlreiche bestehen. Das erste des Kontinents eröffnete 2012 in Wien. Weitere finden sich in London, Paris, München, Amsterdam oder Prag. 

Bei uns muss man nichts zahlen, um die Büsi zu streicheln. Aber es wird einem auch nichts versprochen.

Simge Aglamaz
Katzencafé-Betreiberin

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Die Idee stammt aus Asien, wo es Katzencafés bereits seit den 1990er-Jahren gibt. Ein berühmter und bei Touristen beliebter Pionier dieses Konzepts ist das Cat Flower Garden in der taiwanesischen Hauptstadt Taipeh. Richtig zum Trend wurden Katzencafés aber in Japan, wo vieles zum Trend wird, was ein bisschen lustig und verrückt klingt und wo es viele Büsifans gibt, die selber kein Haustier besitzen können. In den japanischen «Neko Cafés» jedoch leben oft sehr viele Katzen zusammen auf kleinem Raum und die Gäste müssen sowohl für die Getränke als auch für die Zeit mit den Büsi zahlen.

Aglamaz wollte es anders machen. Rund ein Jahr dauerte die Planungsphase für ihr Café, bevor es schliesslich im Januar seine Türen öffnete – mitten im Lockdown. «Wir konnten nur Take-away anbieten», sagt sie. «Für unsere Katzen war es aber perfekt. So konnten sie sich in Ruhe eingewöhnen.»

Vorherige Versuche scheiterten
Zuvor gab es in der Schweiz schon etliche Versuche, ein Katzencafé zu eröffnen, die allesamt scheiterten – vornehmlich an den strengen Auflagen der Behörden. Aglamaz lacht, als sie sich an den ersten Kontakt mit selbigen erinnert: «Am Telefon sagten sie mir: ‹Ach, schon wieder ein Katzencafé.›» Die junge Frau, die, bevor sie Katzencafé-Besitzerin wurde, im Bereich des Digital Marketings tätig war, und ihr Freund waren sich jedoch sicher, dass es klappen würde. Sie organisierten, beschafften sich Informationen, suchten die geeignetsten Katzenrassen aus, konsultierten den Tierschutz, besuchten einen Kurs bei der Stiftung für das Tier im Recht. 

«Wir wollten von Anfang an alles richtig machen», sagt Aglamaz. Halte man beispielsweise Katzen bei sich zu Hause, haben diese einige wenige Bezugspersonen. In ein Café dagegen kommen jeden Tag Dutzende von Menschen. «Ich wollte wissen: Was muss ich tun, damit es den Tieren dabei psychisch gut geht?», erzählt sie.

Um das Wohlergehen der Katzen sicherzustellen, gibt es deshalb im Café Rückzugsmöglichkeiten, Verstecke und Schlafgelegenheiten. Von einer solchen macht Maine-Coon-Kater Leonardo gerade Gebrauch. Zusammengerollt schläft er auf einem Korbsessel, an dem ein Schild angebracht ist: «Bitte Katzen in diesem Bereich nicht streicheln.» 

Ganz anders möchte es dagegen der rothaarige Juan. Ein in einen Verband eingewickeltes Bein scheint es ihm angetan zu haben. Sehr interessiert nähert er sich ihm und dem dazugehörigen Gast immer wieder, schnuppert und lässt sich das flauschige Fell kraulen. Simge Aglamaz ist es sehr wichtig, dass die Katzen im Café, ihrem Zuhause, das Sagen haben. «Bei uns muss man nichts zahlen, um die Büsi zu streicheln. Aber es wird einem auch nichts versprochen.» 

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Sprung in den Kinderwagen
Wie Aglamaz berichtet, verbringen die fünf Kater auch viel Zeit miteinander. Einjährig sind die drei Maine Coons, zwei Monate jünger die beiden Britisch-Kurzhaar. Sie wachsen hier zusammen auf und seien gerade dabei, die Rangordnung untereinander auszumachen. Auch Allianzen bilden sich. «Juan und Cesar sind beste Freunde», sagt Aglamaz. Etwas tollpatschig seien die Maine Coons, erzählt sie weiter. Allen voran der schielende Juan, der beim Springen sein Ziel manchmal etwas verfehlt. Oder zum Entsetzen von Mutter und Café-Besitzerin einmal mit einem Satz in einem Kinderwagen landete. Ein nicht ganz risikofreies Unterfangen, bringt der stattliche Maine-Coon-Kater doch immerhin stolze sieben Kilogramm auf die Waage. Dennoch nahm die Szene für alle Beteiligten ein glückliches Ende, indem Juan schnell wieder aus dem Wagen hinausbugsiert wurde.

Um heute im Casa del Gato in Gesellschaft eines flauschigen Vierbeiners einen Kaffee zu geniessen oder eine Kleinigkeit zu essen, sind die Menschen aus allerlei Ecken der Schweiz angereist. Aus Solothurn zum Beispiel, wie eine Frau erzählt. An einem anderen Tisch wird Französisch gesprochen. In einer ruhigeren Ecke arbeitet eine junge Frau an ihrem Laptop. Einer der Britisch-Kurzhaar-Kater weiss die Ruhe zu schätzen und hat sich zu ihr auf einen freien Stuhl gesellt. Die bunt durchmischte Gästeschar scheint die Kater tatsächlich überhaupt nicht zu stören. «Sie sind wirklich sehr entspannt», bestätigt auch Aglamaz.

Gegen Mittag wird es ruhiger im Katzencafé. Auch die Kater sind jetzt weniger aktiv und gönnen sich ein Nickerchen. Covid-19, die EM und was die Menschen sonst noch so beschäftigt, interessiert sie nicht. Wenn Leonardo, Tiego, Juan, Cesar und Pedro schlafen wollen, dürfen sie das tun – ungeachtet der Tatsache, dass sie in einem Café leben und die nächsten Gäste bereits zur Doppeltür hereinkommen. Und wem dies nicht gefällt, der braucht diese gar nicht erst aufzustossen.