Was für ein Mais! Es ist nicht ganz klar, ob sich die Gänse nun über den Besuch freuen oder in ihrer Nachmittagsruhe gestört fühlen. Auf jeden Fall ist das Geschnatter ohrenbetäubend. «Die beruhigen sich bald wieder», sagt Andrea Aeppli. Die Gänsehalterin stapft in schweren Schuhen und kurzen Jeans durch das Gras. «Sie gewöhnen sich bald an den Besuch.» Den Hof ausserhalb von Embrach ZH führt Landwirtin Aeppli zusammen mit ihren Eltern. Neben Mutterkühen, Pferden, Hühnern und Lamas werden hier auch Truten und Weidegänse gemeinsam gehalten.

Die Weideganshaltung ist für die allermeisten Betriebe hierzulande ein Hobby – oder höchstens ein Nebenerwerb. Bei Andrea Aeppli hat es 2014 angefangen. «Als Kind hatte ich noch Angst vor Gänsen», erzählt sie lachend. «Jetzt finde ich sie herzig.» Als sie einen Artikel über die Gründung des Vereins Weidegans.ch gelesen hatte, wollte sie es selber auch versuchen. Erst mit nur etwa 20 Tieren, dieses Jahr sind es schon 55, was für Schweizer Verhältnisse schon eine stattliche Herdengrösse ist.

Slapstick im Swimmingpool
Inzwischen haben sich die Gänse an die Eindringlinge auf ihrer Weide gewöhnt. Das heisst nicht, dass Ruhe eingekehrt ist; das Gezeter ist lediglich einem Geplauder gewichen. Durch die Trutenschar rollt ab und an ein kollektives, gluckerndes Schaudern. Ihre Bewegungen haben stets etwas von Slapstick in sich, der die Gäste in ihrem Zuhause immer mal wieder im Gespräch unterbricht und zu einem Schmunzeln zwingt.

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Geflügelhalterin Aeppli erklärt, wie das Gänsejahr abläuft. Jeweils im April fährt sie in den Thurgau und holt sich die Gössel, wie die jungen Gänse heissen, von einem der ganz wenigen Brutbetriebe in der Schweiz ab. Die Eier stammen zum Grossteil noch aus dem Ausland, was der Verein Weidegans.ch, dessen Sekretätin Aeppli ist, mittelfristig gerne ändern möchte. «Nur so kann man die Haltung von A bis Z kontrollieren.»

Die ersten paar Wochen bleiben die Gössel im Stall, wo sie Wärmelampen und Wasser in Untertellern finden. «Schon die jüngsten gehen zum Planschen dort rein», sagt Aeppli. Regelmässig nach draussen geht es dann etwa Mitte Mai, wenn die jungen Gänse nicht mehr nur aus Flaum bestehen und ihr Gefieder genügend wasserdicht ist, um auch Regen abhalten zu können. Von den ersten Ausflügen an trainiert Aeppli ihre Tiere mit einem Glöcklein. «Nach ein paar Tagen wissen sie schon: Wenn es ‹glöggelet›, müssen sie kommen.» Das erleichtert den täglichen Transfer zwischen Stall und Weide ungemein. «Ich darf einfach nie aus versehen ans Glöcklein kommen, sonst haben sie das Gefühl, jetzt geht die Tür auf und werden ungeduldig.»

Kein grosser Zeitaufwand
Auf der Weide verbringen die Gänse mehr oder weniger den ganzen Tag. Aeppli braucht es dafür nicht. Ihr Aufwand, um sie raus- und wieder reinzulassen und frisches Wasser in die Becken zu füllen, beläuft sich vielleicht auf eine Viertelstunde pro Tag. «Auf der Weide brauchen sie Wasser, Gras, Schatten und Gesellschaft.» Dazu dürfen sie von einem Körnerspender jederzeit Mais naschen.

Angst, dass ihr die Gänse auf einmal davonfliegen, hat Andrea Aeppli nicht. «Die sind hier daheim, hier gefällt es ihnen viel besser als anderswo», ist sie sicher. «Sie können zwar ein bisschen fliegen, aber vermutlich sind sie etwas zu schwer dafür.» So würden sich die Gänse morgens schon mal strecken und etwas aufflattern. «Je nach Wind nimmt es sie dann ein paar Meter in die Luft, aber dann erschrecken sie sich eher und legen sofort eine Notlandung hin.»

Etwas mehr Angst ist angebracht, wenn es um den Fuchs geht. Der hat dieses Jahr schon den Weg über den elektrisch gesicherten Achtfachzaun gefunden und eine Gans und eine Trute gestohlen.

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Der VereinWeidegans.ch ist sowohl ein Verein als auch ein Label. Den darin organisierten Gänsehalterinnen und -haltern geht es um eine regionale und nachhaltige Produktion von Gänsefleisch. Um das Weidegans-Label tragen zu dürfen, müssen die Tiere diverse Richtlinien erfüllen und unter anderem einen täglichen Auslauf auf die Wiese und Zugang zu Wasserbecken haben. Das Weidegras ist die hauptsächliche Futterquelle der Gänse. Das Stopfen von Gänsen ist in der Schweiz gesetzlich verboten.

www.weidegans.ch

Weihnachtsbraten statt Martini
Auf die restlichen Gänse in der Herde wartet im Herbst ein sinnvolleres Ende. «Der Schlachttag ist nicht gerade ein Freudentag für mich», sagt Gänsebäuerin Aeppli, der ihre Tiere sichtlich ans Herz gewachsen sind. «Aber ich freue mich dann gegen Oktober schon, dass ich bald nicht mehr im Matsch rumstiefeln muss.»

Aeppli fährt die Gänse im November in den Schlachthof und holt sie tags darauf als Braten wieder ab. Etwa viereinhalb Kilo bringt dann jede Gans auf die Waage. «Wir hatten letztes Jahr gedacht, wir würden wegen Corona auf unseren Gänsen sitzenbleiben», erzählt die Landwirtin. «Für so einen Braten musst du schon ein paar Leute sein, den magst du nicht zu dritt essen.»

Aber nichts da. Der ganze Verein war ausverkauft. «Man hätte noch viel mehr Tiere einstallen können.» Und auch dieses Jahr stellt sich die Frage kaum, ob Aeppli ihre Gänse per Direktvermarktung loswird. Mehr als zwei Drittel der Tiere waren von Anfang an reserviert für einen Gastronomiebetrieb. Die Weidegans ist gefragt in der Schweiz. Wenn auch überraschenderweise weniger zum traditionellen Gänsefest Martini am 11. November. «Dann verkaufe ich vielleicht zwei bis drei Stück.» Deutlich mehr Absatz findet Andrea Aeppli mit den Gänsen als Weihnachtsbraten.