Kleinrex
Eine Erfolgsgeschichte seit drei Jahrzehnten
Je älter eine Rasse ist, desto schwieriger ist es herauszufinden, wie sie entstanden ist. Bei einer jüngeren Rasse ist dies einfacher, vor allem wenn sie erst 35 Jahre alt ist. Die Rede ist vom Kleinrexkaninchen
Monna Berryhills Stimme am Telefon war warm und freundlich. Dielegendäre «Mama Mini Rex» aus dem US-Bundesstaat Louisana gab gerne und kompetent Auskunft über das Kleinrexkaninchen. Schliesslich war sie es gewesen, die 1983 den Grundstein für die neue Rasse gelegt hatte. Im Standard gehört das Kaninchen mit dem samtweichen Fell zu den Kleinsten der Kleinen und gilt zwischenzeitlich in den USA, in Europa und in Asien als eine der beliebtesten Kaninchenrassen.
Berryhill konnte kaum glauben, dass «ihre Mini Rex» nun auch auf dem europäischen Kontinent Fuss gefasst hatten. Der bei dem Gespräch im August 2016 ausgesprochenen Einladung an die erste rassebezogene Europaschau der Kleinrexkaninchen im deutschen Messkirch konnte die Züchterin dann aber nicht Folge leisten. Die 77-Jährige war zu dem Zeitpunkt bereits schwer erkrankt und starb einige Monate später. Sie hinterliess der Züchterwelt ein lebendiges Erbe. Der tausend Mitglieder zählende American Mini Rex Club beschrieb an der Jahresversammlung im Oktober 2017 die Verstorbene als charismatische Persönlichkeit und Vorbild. Ihr zu Ehren und zur Erinnerung an ihre ausserordentlichen Leistungen vergibt der Club fortan jährlich den «Monna Berryhill Gedächtnispreis» als höchste Auszeichnung für das schönste Mini-Rexkaninchen.
Monna Berryhill züchtete das amerikanische Mini-Rexkaninchen durch Kreuzungen aus Zwergrexen und mittelgrossen Rexen heraus. Woher das Zuchtpaar blaue Marderrexzwerge stammte, welches damals von «Mama Mini Rex» ersteigert werden konnte, ist kaum jemandem bekannt. 1983 stellte eine Frau Collee aus Isselstein blaue Marderrexzwerge auf einer Schau im holländischen Den Bosch aus. Zwei Tiere wurden vom amerikanischen Preisrichter und Züchter Jeff Hardin gekauft und in die USA zu Marylouise Cowan gebracht. Diese wiederum gab sie für einen guten Zweck zur Versteigerung frei – Monna Berryhill erhielt den Zuschlag.
Auch Briten nach gleichem Muster
Seit der Anerkennung des ersten Farbenschlags im Jahr 1986 existieren in den USA mittlerweile 20 Farbenschläge. Die beliebtesten sind die Schwarzen, gefolgt von den «Broken», «Otter» und Castorfarbigen. Der jüngste Farbenschlag «Sable» wurde vor zwei Jahren definitiv von der Standardkommission akzeptiert. Da auch Asien zum Verband der «American Rabbit Breeders’ Association» gehört, konnten die zwischenzeitlich zu einer der beliebtesten Kaninchenrassen gewordenen Mini Rex auch dort Fuss fassen.
Zur gleichen Zeit wie Monna Beryhill züchteten auch britische Züchter das Mini-Rexkaninchen nach dem gleichen Muster heraus. Sie spannten mit ihren gleichsprachigen und einem ähnlichen Schausystem arbeitenden amerikanischen Zuchtfreunden zusammen. Im Gegensatz zu den USA akzeptierte der Britische Kaninchenzuchtverband (British Rabbit Council) fünf Jahre später gleich alle Farbenschläge, die beim mittelgrossen Rexkaninchen bereits existierten. Der Farbenschlag «Broken», den es bei den «Mittleren» nicht gab, wurde zusätzlich anerkannt. Die rund 300 Mitglieder des Britischen Mini Rex Rabbit Club, zu welchem auch Züchter aus Skandinavien und Dänemark gehören, können unter 27 Farbenschlägen, aufgeteilt in fünf Kategorien, auswählen: vollfärbig, schattiert, lohfarbig, aguti und andere.
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In Kontinentaleuropa angekommen
Anfang des neuen Jahrtausends eroberten die Mini Rex oder nach der deutschen Bezeichnung Kleinrexkaninchen das europäische Festland. Wiederum ist diese Entwicklung einer Frau zu verdanken: Marina Caldwell-Schäffer lebte einige Jahre in den USA und kehrte mit ihren Mini-Rexkaninchen nach Österreich zurück. 2004 präsentierte sie ihre Tiere zum ersten Mal auf der Bundesschau in Wels (Ö). Inzwischen ist die Rasse nicht nur in Österreich, sondern auch in der Schweiz, in Deutschland, Luxemburg, Belgien, Ungarn und der Tschechei in verschiedenen Farbenschlägen anerkannt. Im Gegensatz zum britischen und amerikanischen Typ wurde bei der Standardvorgabe das Gewicht erhöht, die Ohren gekürzt und die Haarlänge verlängert. Zudem entstand aus einer Genmutation ein weiterer Farbenschlag, welchen es in den USA und in Grossbritannien nicht gibt: die Königsmantelschecke.
Die engagierte österreichische Züchterin stiess offene Türen. «Ihre» US-Mini-Rexkaninchen fanden rasch Anklang, und sie unterstützte mit ihrem Wissen und ihrer
Erfahrung den Siegeszug durch die verschiedenen Länder. Bei einem Mini-Rexkaninchen wüchsen 70 Haare aus einer Haarzwiebel. Europäische, mittelgrosse Rexkaninchen würden es auf rund 30 bis 40 Haare bringen. Diese Botschaft blieb nicht ungehört. Auch nicht in der Schweiz. 2006 referierte Caldwell-Schäffer vor 50 interessierten Züchtern in der Kleintieranlage in Sursee LU. Ein Treffen, welches die Interessengemeinschaft Klein Rexe organisiert hatte. Als wichtigen Punkt wies sie darauf hin, dass sie die Selektion ihrer Zuchttiere mit ihrer siebenjährigen Tochter treffe. «Alle meine Tiere haben demzufolge einen guten Charakter und sind ebenso handzahm», sagte Caldwell-Schäffer. Dies zeichne das Kleinrexkaninchen zusätzlich aus, was in der Weiterzucht auch unbedingt berücksichtigt werden sollte.
An diesem Treffen mit dabei war auch Walter Baumgartner, Schweizer Kaninchenexperte und damalige Kontaktperson für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Baumgartner widmete fast sein ganzes Leben den Dalmatinerrexkaninchen, seiner Lieblingsrasse. Mit der Passion für die Kleinrexe, für ihn persönlich verständlicherweise wiederum dalmatinerfarbige, schloss er sein Lebenswerk für die Kaninchenzucht ab. Durch seine langjährige Tätigkeit als EE-Preisrichter knüpfte er zur richtigen Zeit die richtigen Kontakte, was der Verbreitung der Rasse nochmals einen grossen Schub gab. Im letzten Jahr verstarb der unermüdliche Schaffer.
Schützenswertes lebendiges Kulturgut
An der Trauerfeier wurde Walter Baumgartners Werk insbesondere vom deutschen Kleintierzuchtverein C280 Messkirch gewürdigt. Ihm sei zu verdanken, dass die Messkircher Züchter begannen, an ihrer jährlichen Schau den Kleinrexen eine Plattform zu bieten. Somit unterstützten sich die Züchter im Dreiländereck gegenseitig beim Aufbau der neuen Rasse, was als Höhepunkt in der eingangs erwähnten Europaschau für Kleinrexkaninchen gipfelte. Dieser Anlass vereinigte die Kleinrex-Züchter rund um den Globus und war ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der noch jungen Rasse. Der Verein führt bis heute seine Tradition fort, pflegt weiterhin die internationalen Kontakte und institutionalisierte die europäische Kleinrexplattform zum festen Bestandteil seiner jährlich im November stattfindenden Schau.
Sie habe lange nicht gewusst, wie berühmt ihre Mutter in der Züchterwelt gewesen sei, sagte Monna Berryhills Tochter Diana Shaw zu den Mitgliedern des amerikanischen Mini Rex Clubs. Damit ist sie nicht alleine. Nur die wenigsten Menschen sind sich bewusst, was die Pioniere der verschiedenen Rassen geleistet haben. Ihr Wirken ist ein lebendiges Kulturgut, welches es zu schützen und zu erhalten gilt.
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