Lorena Graber krempelt ihre Ärmel hoch, greift zur Brause und beginnt zu spülen. Im Waschbecken vor ihr liegen Dutzende Stahlnäpfe in allen Grössen, leergeschleckt von den vierbeinigen Feriengästen des Tierhotels 5 Stern in Niedergösgen SO. Während die vorgespülten Näpfe in der Abwaschmaschine, wie man sie aus Grossküchen kennt, noch ein paar Sekunden endgereinigt werden, kann Graber durchatmen. Sie fährt mit dem Handrücken über ihre Stirn, die langen dunklen Haare zu einem Zopf aus dem Gesicht gezwirbelt, und lächelt.

Die in Röthenbach BE wohnhafte Graber hat nach einem Praktikum in der Heimtierpension und Hundezuchtstätte Wengerhof in Bellach SO eine Ausbildung zur Tierpflegerin mit Fachrichtung Heimtiere gemacht. Damit ist sie in bester Gesellschaft, wie Helene Fleischlin vom Schweizerischen Verband für Bildung in Tierpflege SVBT auf Anfrage sagt. Das Interesse am Beruf des Tierpflegers sei seit Jahren gleichbleibend hoch. Jährlich starten in der Deutschschweiz 70 bis 80, in der Romandie und im Tessin 25 bis 30 Lernende die Ausbildung. 

Lorena Graber hat die Ausbildung vor fast sieben Jahren mit dem Eidgenössischen
Fähigkeitszeugnis EFZ abgeschlossen. Seit August 2019 ist die inzwischen 29-Jährige zusammen mit einer weiteren Tierpflegerin, drei Auszubildenden und zwei Praktikanten im Tierhotel 5 Stern tätig.

Zuerst die Arbeit ...
Ihre Aufgabe besteht darin, für das Wohl von bis zu 40 Hunden, 30 Katzen und mehreren Kleintieren in Innen- und Aussengehegen zu sorgen. Dass dazu auch die Reinigung der Fressnäpfe gehört, wüssten die wenigsten, sagt Graber. «Viele meinen, wir würden den ganzen Tag nur Katzen streicheln und mit Hunden spielen. Dass da noch viel mehr
dahintersteckt, ist den wenigsten bewusst.» So habe schon so manche Schnupperlehre mit der Erkenntnis geendet, dass die jungen Menschen sich den Beruf «irgendwie anders» vorgestellt hatten. 

Wie der Alltag einer Tierpflegerin in Wirklichkeit aussieht, wird deutlich, wenn Graber vom ersten Teil ihrer heutigen Schicht erzählt: Sie hat die Zimmer der Hunde gewaschen, deren Kot in den Ausläufen gesammelt, jedem Tier das Futter bereit gemacht, wo nötig Medikamente vorbereitet, dazwischen Kunden empfangen, Mails bearbeitet, die Hunde in ihre Ausläufe gebracht, gefüttert und nun die leeren Näpfe gewaschen. «Da muss man schon einigermassen fit und vor allem gerne draussen sein, egal bei welchem Wetter.» Bei einem Areal von 3500 Quadratmetern kommen während einer Arbeitsschicht jede Menge Schritte zusammen. Und bei voller Auslastung des Tierhotels trägt die Tierpflegerin nach einer Kotrunde gut und gerne ein paar Kilo auf sich. 

Dass sie den Grossteil ihrer Arbeitszeit mit Putzen verbringt, daraus macht Graber keinen Hehl. «Hygiene ist das A und O in einer Tierpension. Schliesslich will ich, dass die Tiere sich hier wohlfühlen, deshalb mache ich das auch gerne.» Und wie sie so die Katzenklos von Yuki und Simba ausmistet, nimmt man es ihr tatsächlich ab. 

... dann das Vergnügen
Ganz uneigennützig ist ihr Einsatz jedoch nicht. Graber arbeitet auf eine Belohnung hin, die nicht nur einmal im Monat ihr Konto, sondern täglich sie erfreut. Sobald die Kistchen nämlich sauber sind, kann die Tierpflegerin dem Teil ihrer Arbeit nachgehen, der ihr am meisten Spass macht: dem Kontakt mit den Tieren. Sie streichelt Yukis Fell und bürstet es noch weicher, um schon bald dessen Ferienkumpel Simba mit einer Stoffmaus zum Spielen zu animieren. 

Allmählich sind auch die Hunde aus ihrem Mittagsschlaf erwacht. Bevor Graber ihren Kolleginnen per Funk bekannt gibt, welche Schieber zu den Auslaufflächen zu öffnen sind, beseitigt sie zuerst ein paar «Tretminen». Dass ihre Arbeitsstiefel vom feuchten Boden dreckig werden, stört die Tierpflegerin nicht. «Das gehört dazu.» Genauso wie die grünbraunen Pfotenabdrücke, die die Hunde gleich auf ihrer Arbeitshose hinterlassen werden, wenn sie Graber mit dem gelben Ball in der Hand sehen.

Obwohl die meisten Hunde nur maximal zwei Wochen im Tierhotel bleiben, kennt Graber nicht nur deren Namen, sondern auch deren Vorlieben und allfällige Macken. «Man muss die Tiere lesen können. Nur so wissen wir, was sie brauchen, um sich wohlzufühlen.» Bei Junghündin Amy scheint das nicht viel zu sein: Ein Ball, und sie verschmäht selbst den hoteleigenen Spiel- und Hindernisparcours.

Begrenzte Verdienstmöglichkeiten
Die Hunde sind gerne im Tierhotel 5 Stern, das ist nicht zu übersehen – und vor allem der Arbeit von Tierpflegerin Lorena Graber und dem zehnköpfigen Team zu verdanken. Sie sorgen jeweils mit vollem Körpereinsatz dafür, dass es den Tieren, die sie betreuen, gut geht. «Und da gehört nunmal auch der Futternäpfe-Abwasch dazu.» Für eine
Kuscheleinheit mit Amy, Yuki und Simba ist es das allemal wert. 

Dass sie jeden Tag gerne zur Arbeit geht und ihn gar als «Traumjob» bezeichnet, liege jedoch auch an ihrem jetzigen Arbeitsplatz, sagt Graber. «Ein gutes Team ist extrem wichtig. Und auch die Bedingungen müssen stimmen.» Letzteres sei leider nicht überall gegeben. Vor allem die Löhne, die Tierpflegern hierzulande gezahlt werden, findet sie oft nicht angemessen. Dies nicht ganz zu Unrecht. So wird selbst auf dem
Informationsblatt zum Berufsbild Tierpfleger des Berufsbildungszentrums Zürich – gleich unter dem Hinweis, dass Tierpfleger oft unregelmässige Arbeitszeiten haben und Einsätze an Wochenenden und Feiertagen leisten – auf die begrenzten Verdienstmöglichkeiten verwiesen. 

Gemäss Helene Fleischlin vom Berufsverband SVBT liegen die Jahreslöhne von Tierpflegerinnen und Tierpflegern mit EFZ direkt nach der Ausbildung zwischen 46 000 und 52 000 Franken, nach fünf Jahren Berufserfahrung zwischen 54 000 und 62 000 Franken brutto. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass viele Betriebe die Zeit und Kurskosten für obligatorische Weiterbildungskurse für Tierpfleger übernehmen würden. «Auch die Arbeitskleidung ist bei vielen Betrieben zusätzlich offeriert», so Fleischlin. 

Für den Betreiber des Tierhotels 5 Stern und Grabers Arbeitgeber Piet Umiker ist es wichtig, seine Angestellten fair zu bezahlen, wie er sagt. «Gemessen an dem, was die Tierpflegerinnen leisten und welche Verantwortung sie haben, ist das mehr als nur richtig.» Ein Grund für die oft unbefriedigenden Bedingungen für Tierpfleger in der Branche sieht Umiker darin, dass immer mehr Mitbewerber statt auf Tierpfleger mit EFZ auf die weniger gut ausgebildeten und deshalb günstigeren Tierbetreuer mit fachspezifischer berufsunabhängiger Ausbildung FBA setzen. Mit der Einführung dieser Ausbildung (siehe Box unten) habe sich die Branche einen Bärendienst erwiesen, findet Umiker. 

Lorena Graber kümmert das wenig. Sie glaubt weiterhin an eine Zukunft als Tierpflegerin. Und sie will mehr. Den Lehrmeisterkurs hat sie bereits absolviert, irgendwann will sie zur Expertin aufsteigen. «Um dann in ferner Zukunft vielleicht selber mal eine Tierpension zu führen.» 

EFZ oder Fba: die UnterschiedeEin Tierpfleger mit dem Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis EFZ hat eine dreijährige Lehre absolviert und mit einer Prüfung abgeschlossen. Die Ausbildung in beruflicher Praxis erfolgt an vier Tagen pro Woche im Lehrbetrieb. Die schulische Bildung umfasst 1080 Lektionen an der Berufsschule. Hinzu kommen drei überbetriebliche Kurse zwischen 15 und 18 Tagen à je 8 Stunden. In Tierheimen und Tierpensionen mit mehr als 19 Betreuungsplätzen muss gemäss Tierschutzverordnung der für die Betreuung der Tiere verantwortliche Tierpfleger über ein Eidgenössisches Fähigkeitszeugnis verfügen.

Daneben gibt es die sogenannte fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung FBA für Tierbetreuer. Diese umfasst einen 40-stündigen Kurs mit mindestens 20 Stunden Praxis und mindestens 10 Stunden Theorie sowie ein mindestens dreimonatiges Praktikum. Die Tierbetreuer FBA dürfen gemäss Tierschutzverordnung bis zu maximal 19 Tiere betreuen.