Tauben
Ein Schnabel in zwei Farben
Manche Elemente der Rassetaubenzucht sind so schlüssig, dass sie von Züchtern fast als selbstverständlich angesehen werden. Dabei haben auch sie ihre Tücken, wie die Halbschnäbligkeit in all ihren Feinheiten zeigt.
Spricht man von einem Halbschnäbler bei Rassetauben, dann handelt es sich nicht um eine Taube, die nur einen halben Schnabel besitzt. So etwas gibt es natürlich nicht. Vielmehr sind damit Taubenrassen gemeint, bei denen der Unterschnabel eine andere Farbe besitzt als der Oberschnabel.
Der Taubenschnabel besitzt verschiedene Sensoren, die unter einer Hornscheide liegen. Dennoch kann die Taube damit sehr fein fühlen, in gewisser Weise auch tasten und spüren. Das Schnäbeln, also wenn sich zwei Tauben mit dem Schnabel liebkosen, macht das deutlich. Die Taube kann ihren Schnabel sehr zart, aber auch sehr hart einsetzen. Zum Beispiel, wenn sie sich in einer Auseinandersetzung mit Artgenossen durchsetzen muss. Der Schnabel ist so stabil, dass er sogar zu blutenden Verletzungen führen kann.
Dabei spielt es keine Rolle, ob der Schnabel lang, mittellang, fast kurz, kurz, dünn oder schmal und so kräftig wie ein Nussknacker ist. Der Aufbau des Schnabels und seine Funktion sind immer gleich. Umso unterschiedlicher kann die Farbe des Schnabels sein. Die Ursache für die Schnabelfarbe ist eigentlich immer der Farbenschlag und damit der genetische Hintergrund.
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In der Regel haben Tauben im schwarzen Farbenschlag oder mit schwarzem Kopfgefieder auch eine schwarze Schnabelfarbe. Kommt aber zum Beispiel beim schwarzen Farbenschlag ein sogenannter Smoky-Faktor dazu, so bewirkt dieser, dass der Schnabel trotzdem heller ist; fingernagelfarben vielleicht. Da dieser Erbfaktor aber nur bei wenigen Taubenrassen verankert ist – etwa bei Orientalischen Rollern, Steigerkröpfern oder Stellerkröpfern –, soll er bei diesen Ausführungen nicht weiter berücksichtigt werden.
Zur Halbschnäbligkeit kommt es meist nicht per Zufall, sondern bedingt durch eine Kopfzeichnung oder Scheckung. Die kleinste Zeichnung am Kopf ist die Schnippe. Sie sitzt direkt über den Schnabelwarzen und weitet sich zum Oberkopf hin aus. Bei farbigem Gefieder ist die Schnippe weiss, bei weissem Gefieder ist sie farbig, und zwar in der Regel in den vier Grundfarbenschlägen Schwarz, Rot, Gelb, Blau und manchmal Blaufahl.
Erst im zweiten Jahr hell
Die klassischen Vertreter mit weisser Schnippe sind die deutschen Weissschwanzrassen. Eigentlich bewirkt die weisse Schnippe eine helle Oberschnabelfarbe, und zwar bei allen Farbenschlägen. Da Weissschwänze aber ein farbiges Keilgefieder und dadurch nur eine kleine Schnippe haben, lässt sich der helle Oberschnabel fast nur im Nestgefieder verwirklichen. Mit dem Alter dunkelt der Oberschnabel meistens vollständig nach. Als Folge davon wurde der Standard entsprechend angepasst und der farbige bis schwarze Oberschnabel zum Standardziel erhoben.
Eine Ausnahme macht der Württemberger Mohrenkopf mit Schnippe, der bis heute eine absolute Seltenheit ist. Aber auch diese Rasse ist von dem Phänomen betroffen. Im Nest fast helle Oberschnäbel färben nach, sodass die seitlichen Schnabelleisten und der Bereich um die Nasenlöcher fast immer stark pigmentiert werden. Um das zu umgehen oder wenigstens nur die Nasenlöcher pigmentiert zu erhalten, wird die Schnippe deutlich grösser und vor allem nach den Warzen breiter angesetzt gezüchtet. Den grössten Erfolg hat man, wenn die Schnippe aufsitzt, wie man sagt. Das ist der Fall, wenn zwischen Schnabelwinkel und Schnippenansatz keine andere Farbe mehr vorhanden ist.
Bei farbigen Schnippen ist das etwas anders. Sie sind eigentlich immer grösser, da bei diesen Rassen meistens auch der Keil in der gleichen Farbe ist. Dieses Mehr an Schnippengrösse bewirkt dann auch, dass die Oberschnabelfarbe schon im Nest zumindest auf der oberen Schnabelleiste stark gefärbt ist. Auch hier kommt es mit zunehmendem Alter zu einer Restpigmentierung der seitlichen Schnabelregionen.
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Aber aufgepasst, die Nasenlöcher zählen nicht zum Oberschnabel, sodass diese auch nicht durchgefärbt sein müssen. Es gibt Vertreter, die bereits aus dem Nest mit vollständig durchgefärbten Oberschnäbeln – inklusive der Nasenlöcher – gehen. Daraus resultieren fast immer sehr dunkle Schnabelwarzen, die dann erst mit dem Alter, bei vielen Tauben erst im zweiten Jahr, so hell wie gewünscht werden. Tauben mit solch satter Oberschnabelfarbe besitzen fast immer auch eine aus-serordentlich intensive Farbe.
Ist das der Fall, kann es sogar vorkommen, dass beim roten und gelben Farbenschlag Pigmenteinlagerungen im Oberschnabel vorkommen. Eigentlich müssen sie aber hell sein. Nur bei Schwarzen und Blauen ist der Oberschnabel schwarz; bei den Blaufahlen hornfarbig, wobei im Bereich des Schnabelfirstes das Pigment stärker in Erscheinung tritt. Interessanterweise ist das auch der Bezirk, bei dem schwarze Oberschnabelfarbe am ehesten mit dem Alter aufhellt. Das hängt mit der Anhäufung von Pigmenten beziehungsweise der Horndichte zusammen, wenngleich dann immer noch nicht geklärt ist, weshalb hier eine stärkere Aufhellung auftritt.
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Schwalben- und Mückenzeichnung
Neben der Schnippe führt auch die Blassen-, Schwalben- oder Kalottenzeichnung zu einer Halbschnäbligkeit. Da bei diesen Varianten die Zeichnungsgrenze bis auf den Schnabelgrund geht, haben sie auch keine Schwierigkeiten mit der korrekten Halbschnäbligkeit. Eine Ausnahme davon machen Tauben mit Mückenzeichnung. Sie haben fast immer etwas Pigment im Bereich des Nasenloches. Und hier gilt dann wieder: Das Nasenloch gehört nicht zum Oberschnabel und bleibt deshalb unberücksichtigt.
Wollte man das auf Dauer zurückdrängen, wären schwachpigmentierte Unterschnäbel und in deren Folge sogar ein weisses Bärtchen an der Tagesordnung. Bei Schlesischen Weissplattenkröpfern gehen Züchter einen besonderen Weg. Im ersten Jahr dulden sie einen nicht voll durchgefärbten Unterschnabel, solange die Schnabelseiten dunkel sind und der Anschein gewahrt bleibt. Im zweiten Jahr färbt er dann durch, während der Oberschnabel bis in die Schnabelwinkel rein bleibt.
Die Halbschnäbligkeit bei Tauben zeigt: Selbst Merkmale, die seit Jahrhunderten züchterisch bearbeitet werden, haben ihre Tücken. Es gibt zwar gewisse Grundregeln, doch sind rassespezifische Besonderheiten stets zu berücksichtigen. Sie zu erkennen und entsprechend einzuordnen, macht den erfolgreichen Züchter und den fähigen Preisrichter aus.
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