Die Studie, durchgeführt von US-amerikanischen und neuseeländischen Forschern und im Oktober im Fachjournal «Archives of Oral Biology» veröffentlicht, ist nach Angaben der Autoren die erste ihrer Art. Mit Hilfe von hochauflösenden Fotos wurde 29 in Gefangenschaft gehaltenen Orcas in den Mund geblickt. Laut den Forschern leben die Wale in Parks in den US-Staaten Kalifornien, Florida und Texas und auf der Kanarischen Insel Teneriffa und gehören alle derselben Vergnügungspark-Kette. Diese Kette wird zwar nicht namentlich erwähnt, doch muss es sich um Seaworld handeln, das je einen Park in Kalifornien, Florida und Texas betreibt und dem auch die Orcas des Loro Parque auf der Kanareninsel Teneriffa gehören. In den Zuschauerbereichen der Parks schossen die Forscher die Fotos zwischen 2013 und 2015.  

Die Ergebnisse sind ernüchternd. Sämtliche untersuchten Wale hätten in irgendeiner Weise beschädigte Zähne gehabt, schreiben die Forscher. 63 Prozent der Zähne zeigten Abnutzung der Zahnkrone in verschiedenen Schweregraden. 20 Prozent waren bis aufs oder sogar unter das Zahnfleisch abgenutzt, 13 Prozent wiesen Frakturen auf und 2 Prozent fehlten gar ganz.

Ausserdem waren 61 Prozent der Tiere schon beim Wal-Zahnarzt, wo ihnen Löcher in die Zähne gebohrt wurden. Stark abgenutzte Zähne, bei denen das Innere des Zahns, die Pulpa zum Vorschein kommt, sind oft krank und entzündet. Deshalb werden sie bei Walen angebohrt und ein Teil der Pulpa entfernt (siehe Bild unten). Das Loch wird dann aber bis zum Lebensende des Tieres mehr geschlossen und muss daher jeden Tag gereinigt werden. Ausserdem schwächt es den Zahn, er kann schneller brechen. Diese tägliche Zahnreinigung verunmögliche es den Orcas, jemals wieder ganz in die Wildnis entlassen zu werden, schreiben die Autoren der Studie.

<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="71cee6b5-0ff2-43c3-be18-18d8d4a07345" data-langcode="de"></drupal-entity>
Sind Orca-Zähne zu stark abgenutzt, wird ein Loch hineingebohrt und ein Teil der Pulpa entfernt. Das Loch muss fortan täglich gereinigt werden.
  Bild: ZVG

«Extrem schmerzhaft» 
Als Grund für die schlechten Zähne vermuten die Forscher das Beissen und Kauen auf Beton- und Stahlstrukturen im Becken. Es handelt sich dabei um ein stereotypes Verhalten. Das bedeutet, dass eine Bewegung immer und immer wieder ausgeführt wird. Solche Verhaltensweisen kennt man von vielen Zootieren. Auch Orcas in Gefangenschaft zeigen sie oft zeigen und in Gefangenschaft geborene Jungorcas lernen und übernehmen sie von ihren Familienmitgliedern, wodurch die Zähne schon früh Schaden nehmen. «Zähne sind unglaublich wichtig für die Gesundheit eines Tieres und die Resultate unserer Studie erheben ernsthafte Bedenken bezüglich der Gesundheit und des Wohlergehens von Orcas in Gefangenschaft», sagt John Jett, der Erstautor der Studie in einer Medienmitteilung. Co-Autorin Ingrid Visser ergänzt: «Wenn man bedenkt, wie gross die Wurzel eines Orcazahns ist und dass die Wale ein ähnliches Nervensystem wie wir haben, müssen dieses Verletzungen extrem schmerzhaft sein.»

Seaworld und andere Parks und Zoos, die Orcas halten, stehen seit Jahren in der Kritik. Im Jahr 2013 warf der Dokumentarfilm «Blackfish» über das Leben des Orcas Tilikum, der im Januar 2017 im Seaworld in Orlando in Florida starb, hohe Wellen und sorgte für Empörung. Letztes Jahr kündigte Seaworld an, keine weiteren Orcas züchten zu wollen («Tierwelt Online» berichtete).