Längst sind Pferde bei zahlreichen Schweizer Halterinnen und Haltern keine Nutz- oder Arbeitstiere mehr, sondern Familienmitglieder. Die Vierbeiner erhalten daher eine besonders liebevolle Fürsorge, wenn sie in die Jahre kommen. Und das ist auch notwendig. Denn bei Pferden ist es nicht anders als bei Menschen: Je fortgeschrittener das Alter ist, desto mehr nehmen die körperlichen Gebrechen zu. 

Pferdesenioren sind vor allem von Gebissproblemen, Koliken, Arthrose und Sehschäden betroffen. Wichtig ist es, diese Krankheiten rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln. Aus diesem Grund organisierte der Schweizer Tierschutz STS kürzlich bei der «Stiftung für das Pferd» in Les Bois JU einen Workshop zu diesem Thema. Der Ort ist dabei nicht zufällig gewählt worden. Im Maison Rouge leben über 80 Pferde, von denen viele  hochbetagt sind und einen angenehmen Lebensabend geniessen. 

Von den Zähnen geht vieles aus
Eine Expertenrunde machte deutlich, dass die Lebenserwartung des Pferdes in vielen Fällen vom Zustand der Zähne abhängig ist. In freier Wildbahn verhungern Pferde nämlich ähnlich wie Elefanten, wenn ihre Zähne abgenutzt sind. In menschlicher Obhut hilft dagegen der regelmässige Besuch des Pferdezahnarztes. Lassen sich Zahndefekte irgendwann nicht mehr beheben, sind beispielsweise eingeweichte Heucobs eine Lösung. Die Referenten betonten allerdings, dass Pferde möglichst lange am Tag mit Fressen beschäftigt sein wollen und sollten. Je länger sie fressen, desto mehr kauen sie und desto mehr Speichel produzieren sie. Dies ist eine wichtige Voraussetzung für eine gute Verdauung. Wenn Pferde auf der Weide aber nicht mehr ausreichend Energie aufnehmen können, sollten ihre Halter oder Stallbesitzer sie mehrmals am Tag von der Herde separieren, um sie mit spezieller Nahrung zu füttern.

Ein weiteres Problem, das bei älteren Pferden vermehrt auftritt, sind Koliken. Sie werden häufig durch einen Dünndarmverschluss ausgelöst, der meist durch einen gutartigen Fett-Tumor verursacht wird. Hier gibt es in der Regel keine andere Möglichkeit, als zu operieren. Ein weiterer Grund für Koliken ist, dass ältere Pferde das Futter weniger gut zermahlen, da das Gebiss meist schon sehr abgenutzt ist. Zudem fährt ihr ganzes Verdauungssystem im Alter herunter.  

Wann ist ein Pferd alt?Eine Faustregel besagt bei jungen Pferden, dass ein Lebensjahr ungefähr 3,5 Menschenjahren entspricht. Mit zunehmendem Alter verändert sich diese Formel. So gehen Experten davon aus, dass bei Pferden ab 20 Jahren ein Lebensjahr nur noch drei Menschenjahren entspricht. Geht man von den Altersrekorden aus, müsste sich der Faktor ab einem höheren Alter noch mehr verändern. Denn das älteste Pferd der Schweiz, ein Isländer aus dem Aargau, wurde 48 Jahre alt und das älteste Pferd der Welt hatte angeblich gar 62 Jahre auf dem Buckel.

Soziale Kontakte sind unverzichtbar
Auch Arthrose kommt im Alter oft vor. Sie ist eine fortschreitende Schädigung der Gelenkknorpel und der darunterliegenden Knochen. Die betroffenen Pferde leiden unter chronischen Schmerzen. Die Ursachen können übermässige Belastung, Abnützung durch viele Jahre sportlicher Aktivitäten und eine genetische Komponente sein. Heilbar ist Arthrose zwar nicht, aber eine Behandlung mit Medikamenten, Homöopathika, Akupunktur oder kontrolliertem Bewegungstraining verspricht Schmerzlinderung und eine Verbesserung der Gelenkfunktion.

Immer wieder ist bei Pferden auch von altersbedingten Netzhauterkrankheiten die Rede. Laut der Pferdefachfrau Sabine Heüveldop handelt es sich dabei aber meist um Spätfolgen vorangegangener Erkrankungen, die zu Beeinträchtigungen der Sehfähigkeiten führen. In ihrem Ratgeber «Alte Pferde» schreibt sie, dass die Hauptursache die nicht oder falsch behandelte Equine Rezidivierende Uveitis ist; bekannter unter dem Namen Mondblindheit. Vermutlich ist diese auf einen genetisch bedingten Entzündungsprozess im Auge zurückzuführen.

Sind die Strukturen des Auges nicht zu stark geschädigt, kann ein erblindetes Auge erhalten bleiben. Das ändert zwar nichts am Verlust der Sehkraft, ermöglicht aber ein schmerzfreies Leben. In manchen Fällen ist dafür jedoch ein chirurgischer Eingriff unumgänglich. Kommt es zu einer Erblindung, sind Massnahmen erforderlich, damit sich die betroffenen Pferde nicht verletzen. Schutz bieten etwa spezielle Masken, die es in verschiedenen Ausführungen gibt. 

Doch nicht nur das Behandeln und Vorbeugen von Gebrechen ist bei Pferdesenioren elementar. Auch die altersgerechte Haltung und Beschäftigung sind wichtige Faktoren. Grundsätzlich gilt, dass auch ein betagter Vierbeiner Gesellschaft braucht. Die Boxen- oder Paddockhaltung kommt deshalb nur infrage, wenn die Pferde tagsüber auf der Weide sind, ihrem Bewegungsdrang nachgeben können und soziale Kontakte haben. Dann kann eine Box oder ein Paddock sogar ein willkommener Rückzugs- und Ruheort sein.

Die Jugend tut den Pferden gut
Ein Offenstall ist normalerweise die beste Variante. Er birgt aber auch Gefahren, wenn zum Beispiel matschige Stellen im Winter gefrieren und zu Buckelpisten mutieren. Empfehlenswert ist daher ein ausgesandeter Auslauf, der auch älteren Pferden einen trittsicheren Untergrund bietet.

Obwohl es grosse individuelle Unterschiede bezüglich der körperlichen Fitness bei älteren Pferd gibt, kommt es vor, dass manche Senioren nicht mehr für Ausritte geeignet sind. Dann gilt es, sich nach Beschäftigungsalternativen umzusehen. Eine Möglichkeit ist die Jugendbetreuung. Vor allem, wenn Pferde eine Engelsgeduld haben, lassen sie sich gerne von Kindern putzen, führen und streicheln. Förderlich können auch Spaziergänge sein oder die klassische Bodenarbeit an der Hand, bei der es spezielle Übungen für ältere Pferde gibt. 

Keine Frage: Die Versorgung von Pferdesenioren ist intensiv. Der Aufwand lohnt sich aber, wenn man seinem geliebten Familienmitglied auch im Rentenalter noch ein Leben voller Freude schenken möchte.

Literaturtipp
Sabine Heüveldop, Annette Hackbarth: «Alte Pferde. Altersgerechte Haltung, Pflege und Bewegung», Verlag: Müller Rüschlikon, ISBN: 978-3-275-01564-1, ca. Fr. 28.–