Tierwelt 06/2014
Für manche Menschen ist ein dummer Hund perfekt
Der kanadische Psychologieprofessor Stanley Coren teilt Hunde in gescheite und weniger intelligente Rassen ein. Er glaubt, dass das Wissen darum die Mensch-Hund-Beziehung verbessert.
Stanley Coren muss das Interview um fünfzehn Minuten verschieben, weil sein 16-jähriger Hund Dancer, ein Nova Scotia Duck Tolling Retriever, die Treppe hinuntergefallen ist. Sein Herrchen prüft Dancers Knochen auf Verletzungen. Die sind aber alle heil, und Coren kann sich mit der ersten Frage befassen: Wie kommt es, dass sich ein kanadischer Psychologe seit vielen Jahren mit dem Verhalten von Hunden befasst? Coren, 71-jähriger Professor an der Universität UBC in Vancouver, begann seine Karriere mit der Erforschung von Menschen, beschäftigte sich etwa mit Linkshändern. Aber er sagt: «Ich bin interessiert an der Beziehung zwischen Mensch und Hund. Früher gab es praktisch kein Buch zu diesem Thema.»
Weltweit bekannt wurde Coren, der inzwischen 14 Bücher über Hunde veröffentlicht hat, mit seinen Listen, die 110 Hunderassen nach ihrer Intelligenz einstuften. Ein Hinweis für Neugierige: Der Border Collie ist die Nummer eins auf der Liste, dahinter folgen Rassen wie Pudel, Deutscher Schäferhund, Golden Retriever oder Labrador. Weit hinten liegen zum Beispiel der Beagle, der Chow-Chow, die Bulldogge und der Afghanische Windhund. Das klingt aber oberflächlicher, als die Studie von Coren tatsächlich aussieht.
Clevere Hunde langweilen sich schnell und kommen auf dumme Gedanken
«Mir geht es darum, dass Menschen den Hund finden, der zu ihrer Lebensweise passt», sagt Coren. Ein Beagle könne nämlich ein wundervoller Gefährte sein. «Beagles sind gut für Kinder, gesellig, sie sind nicht nachtragend und halten viel aus», sagt Coren, der selbst Besitzer eines, kürzlich gestorbenen, Exemplars dieser Rasse war.
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Englische Bulldoggen brauchen acht Stunden, bis sie merken, dass Herrchen nicht mehr da ist. Bild: Aobranc/wikimedia.org |
Wirklich intelligente Hunde wie Border Collies indes passen nicht in alle Haushalte. «Sie sind sehr aktiv und müssen beschäftigt werden, sonst werden sie neurotisch», sagt Coren. Viele Border Collies landen in Tierheimen, weil ihre Besitzer nicht mit ihnen klarkommen. Eine Englische Bulldogge – sehr tief auf der Intelligenz-Skala – kann gut einige Stunden allein gelassen werden, «denn sie braucht acht Stunden, bis sie überhaupt merkt, dass der Besitzer gegangen ist. Ein Dobermann dagegen», sagt Coren mit seinem trockenen Humor, «langweilt sich schnell allein und wird das Sofa aufschlitzen und die Ming-Vasen zerbrechen.» Solche Situationen will Coren vermeiden helfen.
Sein Buch «Die Intelligenz der Hunde» wurde in 26 Sprachen übersetzt und im Jahr 2006 revidiert und neu herausgegeben. Bei seinem Erscheinen vor 20 Jahren schlug es ein wie eine Bombe. Manche Hundebesitzer hätten wütend reagiert, sagt Coren, die Herrchen der nicht so intelligenten Afghanischen Windhunde zum Beispiel, welche in der Rangliste den letzten Platz besetzen. Er erhielt böse Telefonate und Briefe.
Halter sollten einen Hund mit passendem Charakter aussuchen
Corens wichtigste Errungenschaft ist aber – und hier kommt der Psychologe zum Zug –, dass er Forschern eine Vorlage gab, wie man Hunde studieren kann. Die Tests, nach denen er Hunde einstufte, waren ursprünglich für Kinder erarbeitet worden. Coren modifizierte sie einfach für Hunde. «Hunde haben die Auffassungsgabe und das mentale Alter von zweieinhalb- bis dreijährigen Kindern», sagt der Kanadier. Ein durchschnittlicher Hund könne 165 Wörter oder Signale oder Gesten verstehen. Bei Superhunden sind es 250 Wörter. «Sie haben grundlegende Emotionen wie Wut, Angst, Zufriedenheit, Überraschung», sagt Coren, «aber nicht komplexe Gefühle wie Schuld, Stolz oder Scham.»
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«Border Collies sind sehr aktiv und müssen beschäftigt werden, sonst werden sie neurotisch.» Bild: Arno553/wikimedia.org |
Coren sagt, es gebe jene Leute, die glaubten, Hunde hätten keine Bewusstheit, keine Gefühle und seien «biologische Roboter mit einem Chassis in der Form eines Hundes». Und es gebe jene Gruppe, die glaube, Hunde seien «vierfüssige Personen in Pelzmänteln mit einer vollen Bewusstheit.» Beides sei falsch.
Und dann gibt es die Leute, die Corens Bücher lesen und dabei erfahren, dass manchmal auch weibliche Hunde ihr Bein beim Urinieren heben, vor allem dominante Hündinnen und vor allem, wenn viele sexuell aktive Konkurrentinnen in der Umgebung sind. Oder dass Hunde wie die Menschen, etwa bei liebevollem Tätscheln, das Hormon Oxytocin produzieren, das bei Menschen mit dem Gefühl Liebe assoziiert wird. Das bestärkt die emotionale Bindung zwischen Hund und Mensch. Wieder andere Leserinnen und Leser finden besonders interessant, dass kleine Hunde häufiger Träume haben als grosse Hunde.
In seinem jüngsten Buch «Do Dogs Dream?» (Träumen Hunde?) versucht Coren einmal mehr, dem Menschen den Hund zu erklären: «Ich möchte, dass Menschen und Hunde gut miteinander auskommen.» Und das ist am ehesten der Fall, wenn man einen Hund mit passendem Temperament wählt.
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Der Portugiesische Wasserhund ist in den USA beliebt, seit Präsident Obama «Bo» ins Weisse Haus geholt hat. Bild: Pete Souza/The White House |
Die Popularität von Rassen ist übrigens ziemlich konstant – abgesehen von Modeerscheinungen: Als US-Präsident Barack Obama für seine Familie einen Portugiesischen Wasserhund kaufte, wurden plötzlich viele Exemplare dieser Rasse verkauft. Aber die zehn beliebtesten Hunde sind laut Coren seit Jahren so ziemlich dieselben, und das weltweit: Labrador Retriever, Golden Retriever, Beagle, Pudel, Deutscher Schäferhund, Rottweiler, Shih Tzu, Yorkshire Terrier, Bulldogge und Boxer. In Nordamerika machen sie zusammen 56 Prozent der Vierbeiner aus.
Kommt das Futter aus dem Boden oder vom Halter?
«Ein sozialisierter Hund ist ein guter Hund», sagt Coren. «Im ersten Lebensjahr sollte der Hund mit rund 200 Personen und 50 bis 60 Orten in Kontakt kommen.» Dadurch würden neue Personen und Ortswechsel ihn später nicht aufregen. Coren wehrt sich gegen brachiale Trainingsmethoden mithilfe von Zwang und Gewalt, wie sie in amerikanischen Reality Shows, etwa «The Dog Whisperer» (Der Hundeflüsterer) mit Cesar Millan, vermittelt werden. Das funktioniere zwar, solange die Kameras liefen, sagt Coren, aber zwei Wochen später sei das Verhalten der Hunde schlimmer als zuvor. Wenn man einen Hund mit Zwang und Gewalt trainiere, dann lerne er, dass Aggression Teil der Beziehung zum Menschen sei, «und früher oder später wird der Hund beissen».
Wenn ein Hund im eigenen Haus aggressiv, aufdringlich oder unfreundlich wird, etwa wenn der Mensch nach etwas greift und der Hund schnappt nach der Hand, gibt Coren folgenden Rat: «Sie nehmen dem Hund weg, was er nicht hergeben will. Warten Sie aber, bis er es von sich aus fallen lässt. Kämpfen Sie nicht darum. Dann lassen Sie den umstrittenen Gegenstand für immer aus dem Leben des Hundes verschwinden. So entfernen Sie den Grund für die Konfrontation.»
Auch beim Essen muss der Hund lernen zu gehorchen und begreifen, dass das Futter, das er zum Überleben braucht, vom Halter kommt. Während mehreren Wochen kommt das Futter nicht aus der Schüssel, sondern von dessen Hand. Später muss der Hund weiter den Befehlen folgen, bevor er Futter in der Schüssel erhält. «Das Schlimmste ist, immer Futter in der Schüssel zu lassen», sagt Coren. «So denkt der Hund, der Boden füttere ihn.»
Gehorsamstraining sei ein guter Anfang, um Verhaltensproblemen vorzubeugen. Leider hörten 40 Prozent der Leute mit einem solchen Kurs auf, bevor er fertig sei: «Die Tierhalter erwarten zu Unrecht schon in der ersten Woche magische Veränderungen», sagt Coren. Und dann hat er noch einen Tipp: «Als Faustregel gilt: Wenn Sie sich für mehrere Hunderassen interessieren, dann ist es am besten, den kleineren und weniger aktiven Hund zu wählen.»
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