Wenn Katzen mit uns sprechen könnten, dann würden sie wohl sagen: «Räum dieses Zeug weg, das kann man ja nicht fressen.» So aber beschränken sich die Diven darauf, abwechselnd völlig konsterniert erst den Napf und dann ihren Menschen anzuschauen. Wenn das nicht hilft, wird laut und anhaltend miaut. Das Futter aber bleibt unberührt. 

Mögen Menschen auch Härte geloben, vor dem unbeugsamen Katzencharakter kapituliert irgendwann auch der Entschlossenste. Da werden immer neue Tüten, Dosen, Schalen, Beutel geöffnet – so lange, bis der fellige Liebling sich grosszügig bereit erklärt, nach eingehender Prüfung mit Nase und Zunge das Futter zu akzeptieren. Aber am nächsten Tag geht der Kampf ums Futter weiter. Und was Chico mag, gefällt Sparky nicht und was Lilo frisst, will plötzlich Joey auch haben, obwohl er es sonst immer verachtet hat.

Jede Katze frisst nach ihrem Tempo
Solche Spielchen kennt auch Isabelle Vergut aus Baden-Rütihof AG, denn in ihrem Haushalt leben derzeit 13 Katzen unterschiedlichen Alters. Die 51-Jährige ist nicht nur Katzenhalterin und ausgebildete Katzenpsychologin. Sie ist auch im Tierschutz engagiert und so landen immer mal wieder Notfälle bei ihr, die niemand mehr will. Es allen diesen Tieren mit sehr unterschiedlichen Vorgeschichten und Vorlieben beim Fressen recht zu machen, ist nicht leicht. 

Aber als erfahrene Tierhalterin kennt sie einige Tricks. «Ich habe von Anfang an verschiedene Sorten Nassfutter angeboten, um zu verhindern, dass die Tiere sich auf eine Sorte festlegen und dann nichts anderes mehr fressen», sagt sie. Für die Nassfutterverächter gibt es auch Trockenfutter. «Aber ob nass oder trocken, ich achte immer auf Qualität und einen hohen Fleischanteil», sagt Vergut. Gefüttert wird an verschiedenen Stellen, verteilt auf zwei Etagen, damit jede Mieze in Ruhe fressen kann und zu ihrem Recht kommt. Denn auch unter den Samtpfoten gibt es die «Schlinger» und die «Langsamfresser». Aber egal, zu welcher Fraktion die Tiere gehören – eines sind sie alle: Geborene Jäger, denen in der Natur nicht regelmässig immer um die gleiche Uhrzeit eine Beute vor die Füsse läuft. Um zu überleben, müssen sich wild lebende Katzen anstrengen, müssen Strategien entwickeln, Zeit und Energie einsetzen und manchen Misserfolg einstecken.

Was Katze nicht kennt, frisst sie nicht
In menschlicher Obhut dagegen entfällt das alles. Die Katzenmahlzeiten werden pünktlich vom Menschen serviert. Aber damit fällt auch ein grosser Teil der natürlichen Anreize weg und bestimmtes Verhalten kann nicht mehr ausgelebt werden. Was der berühmte Katzenforscher Paul Leyhausen gesagt hat, klingt zwar für manchen Halter paradox, aber an dem Satz «Wer einer Katze immer den gefüllten Napf stehen lässt, nimmt ihr viel Lebensfreude» ist viel Wahres. Keine Katze, die ihre Beute mit viel Mühen und Einsatz erjagt hat und hungrig ist, wird lange mäkeln, sondern fressen. Dementsprechend tun auch Menschen gut dran, immer wieder mal für Anregung im täglichen Programm zu sorgen: Einfach, indem sie die Fütterungszeiten variieren oder das Futter erst als Belohnung für das Lösen einer Aufgabe geben.

Isabelle Vergut setzt vor allem bei ihren jüngeren Schützlingen auf Rohfütterung, besser gesagt auf «Bones and raw food», kurz BARF. Als Verhaltensexpertin weiss sie, dass es für den Beutegreifer Katze wichtig ist, seine angeborenen Instinkte ausleben zu können – und zum Beispiel die Reisszähne dazu einzusetzen, ein Stück Fleisch abzubeissen und zu zerreissen. Aber nicht alle Katzen stürzen sich mit Begeisterung auf rohes Fleisch. Manche schauen förmlich angewidert auf das, was ihr Mensch ihnen da serviert. Da hilft oft nur eine Umstellung in kleinen Schritten und über längere Zeit hinweg. Deshalb dreht so mancher Katzenbesitzer das Fleisch durch den Wolf oder schneidet es in winzige Stückchen und mischt es mit dem Gewohnten, um die Tiere langsam an das fremde, neue Futter zu gewöhnen.

«Es gibt bei Katzen tatsächlich so etwas wie eine Neophobie», erklärt Tierärztin Silke Hieronymus aus Hombrechtikon ZH, die sich auf die Ernährungsberatung bei Hunden, Pferden und Katzen spezialisiert hat. Gemeint ist die Abneigung vor etwas Neuem – bei Katzen eben die Abwehr von neuem Futter. Und schon so mancher wohlmeinende Halter ist an der ausgeprägten Sturheit seiner Katze gescheitert und hat nach wenigen Tagen entnervt aufgegeben. «Aber hungern sollen und dürfen Katzen nicht, auch nicht, wenn es um die Umstellung auf ein Spezialfutter oder um das Abnehmen bei dicken Katzen geht», sagt Hieronymus. Gefragt sind viel Geduld, Fantasie und Konsequenz – etwa bei Ausschlussdiäten, wenn es darum geht, bestimmte Allergien auslösende Stoffe herauszufinden. «Katzen spielen dabei oft nicht gut mit und es erfordert wirklich Durchhaltevermögen beim Besitzer.»

Aber stimmt es denn wirklich, dass Katzen so viel wählerischer sind als Hunde und deshalb bei einer Futterumstellung so viel schwieriger von etwas Neuem zu überzeugen? «Ja, auch wenn Hunde leistungsfähigere Nasen haben und Ungewöhnliches riechen, neigen sie doch eher dazu, auch Unbekanntes zu verschlingen», sagt Tierärztin Hieronymus. Katzen seien sehr viel vorsichtiger beim Fressen. «Sie vergiften sich daher auch seltener als Hunde an Unbekanntem, das sie draussen finden.» 

Sauce, Hefe und Abwechslung helfen
Was eigentlich ein sinnvoller Schutzmechanismus ist, macht es den Katzenhaltern oft schwer. Sie verzweifeln daran, dass ihr Liebling heute auf einmal nicht mehr fressen will, was gestern noch lecker war. «Das kann damit zusammenhängen, dass die Futterhersteller oft die Zusammensetzung ihres Futters – wenn auch manchmal nur minimal – ändern», sagt Hieronymus. Die Änderung muss zwar in der Deklaration nicht auftauchen und ist deshalb für den Katzenhalter nicht ersichtlich, aber die Tiere merken es und reagieren entsprechend.

Was also rät die Tiermedizinerin? Was tun, wenn Mieze partout nicht das fressen will, was sie soll? «Langsam umstellen ist sicher immer richtig.» Dazu könne man das Futter leicht erwärmen, damit es stärker riecht. «Viele Katzen mögen auch gerne Futtersorten mit viel Sauce. Das kann man sich zunutze machen, indem man Flüssigkeit, etwa Fleischbrühe, über das neue Futter gibt.» In Geruch und Geschmack auch sehr beliebt bei vielen Katzen ist Bierhefe, die sich in Flocken über das Futter streuen lässt. «Und die beste Vorbeugung vor der bekannten Mäkeligkeit ist», sagt Silke Hieronymus, «schon die Welpen früh an verschiedenes Futter zu gewöhnen, damit es gar nicht zu einer Prägung auf eine bestimmte Sorte kommen kann.»