Smile!» ertönt es von hinter der Kamera, davor ein Hund, der mit hochgezogenen Lippen den Blick auf seine Schneide- und Fangzähne freilegt, gefolgt von Lob und Gelächter im Hintergrund. Zugegeben: Die so verzerrten Hundegesichter haben was von einem Lächeln – schliesslich zeigen auch wir Menschen die Zähne, wenn wir lächeln. Und so mancher Hund in den zahlreichen Videos im Internet schaut so ganz schön ulkig aus. Doch können Hunde tatsächlich lächeln? Oder fletschen sie in Tat und Wahrheit einfach aggressiv die Zähne und werden von ihren Besitzern massiv missverstanden?

«Offenbar können Hunde das reproduzieren, was wir rein anatomisch als Lächeln identifizieren», sagt Verhaltensmedizinerin Maya Bräm vom Tierspital Zürich. Gewissen Hunderassen wie dem Dalmatiner soll das gemäss Zuchtwebseiten sogar besonders gut gelingen. «Ob diese Mimik mit den selben Emotionen einhergeht wie beim Menschen, ist eine andere Frage.»

Mit ihrer jahrelangen Erfahrung mit dem Ausdrucksverhalten von Hunden weiss Bräm, dass Hunde dieses «Lächeln» fast ausschliesslich gegenüber Menschen zeigen – unter Hunden ist das Zähnezeigen eher eine Drohgebärde. «Zeigen Hunde dieses ‹Lächeln›, ist dies meist ein erlerntes Verhalten und das Kommando ‹Smile!› mit ‹Sitz!› oder ‹Platz!› vergleichbar. Oder es ist Teil eines Beschwichtigungsverhaltens.»

Auch auf weitere Signale achten
Trotzdem seien die Filme mit vermeintlich lächelnden Hunden mit Vorsicht zu geniessen, sagt Bräm. «Schaut man sich die Videos an, erkennt man, dass nicht jedem Hund wohl ist in der Situation.» Um das zu erkennen, müsse man nicht nur auf die freigelegten Zähne achten, sondern auch auf weitere körperliche Signale. Zieht der Hund auf Kommando die Lippen hoch mit sonst entspannten Gesichtsmuskeln und einer freundlichen Körperhaltung, führe er lediglich ein Kommando aus, ohne gestresst zu sein.

So wie der Pitbull in diesem Video:

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«Wenn der Hund aber den Schwanz einzieht, eine tiefe Körperhaltung zeigt, den Kopf wegdreht, blinzelt oder sich die Lippen leckt, während er das Kommando ‹Smile!› ausführt, zeigt er klare Beschwichtigungssignale», sagt Bräm. «Das heisst, er fühlt sich sehr wahrscheinlich nicht wohl.»

Hier bezieht sich die Verhaltensmedizinerin auf folgendes Video: 

[EXT 2]

In einigen der Videos erkennt Bräm gar klare Zeichen einer Drohung vonseiten des Hundes. «Da merkt der Halter offenbar nicht, wie prekär die Situation gerade ist.» 

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Dass man dem Hund mit dem Kommando «Smile!» ein Fehlverhalten antrainiert, glaubt Bräm nicht. Allerdings stellt die Verhaltensmedizinerin fest, dass Stress- und Angstsignale beim Vierbeiner generell häufig übersehen und fälschlicherweise belächelt werden. Da tragen Videos, in denen Hunde ein vieldeutiges Verhalten zeigen, ohne dass das Gesamtbild erkennbar ist, und das noch befeuert wird, nicht unbedingt zum besseren Verständnis von hündischem Ausdrucks­verhalten bei. 

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