Für 10 Kilogramm Katzenfutter muss ich im Fachhandel fast 100 Franken bezahlen», sagt Heidi Lehmann. Die 56-Jährige kann aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten. Die Tierliebhaberin aus Heimberg bei Thun besitzt drei Katzen namens Zora, Bella und Syrah, die ihr in ihrer Notlage viel Trost spenden. «Ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen würde», sagt Lehmann. Doch das Haushaltbudget ist ständig knapp und die Kosten für Katzenfutter hoch. Deshalb bezieht sie regelmässig Futter vom Verein «Tierhärz Thun». «Ich bin sehr froh und dankbar, dass es den Verein gibt», sagt sie. 

So wie Lehmann geht es vielen «Kunden» von «Tierhärz Thun». Einige haben ihre Arbeit verloren, eine teure Scheidung hinter sich oder können aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten. «Hier sind sie unter Gleichgesinnten», sagt Ramona Wenger. Sie hat zusammen mit ihrer Schwester Manuela Imboden den Verein vor eineinhalb Jahren gegründet. 

Auch in der Schweiz gibt es Tierhalter, die auf finanzielle Hilfe angewiesen sind
«Alle denken immer, dass es in der reichen Schweiz keine Armut gibt», sagt Imboden. Doch dass ein grosses Bedürfnis da ist, zeigt die ständig wachsende Anzahl an Bezügern. Zurzeit sind es 25 Frauen und Männer, die im Verein Tierfutter beziehen. 

Imboden und Wenger lieben Tiere über alles. «Tiere sind wichtige Gefährten und Trostspender in jeder Lebenssituation», ist Wenger überzeugt. Beide besitzen Hunde und Katzen. «Tiere kosten viel. Wir können arbeiten und können uns das leisten. Doch was machen andere Leute, die nicht viel Geld verdienen?», fragen sie sich. So entstand die Idee, einen Verein für in Not geratene Tierhalter zu gründen. Doch was gut gemeint war, liess sich nicht so einfach umsetzen. «Die erste Zeit war happig», erinnert sich Wenger. Die Schwestern fragten zahlreiche Fachhändler und Herstellungsfirmen nach Futter an. Doch sie erhielten ständig nur Absagen. «Oft wird das abgelaufene Futter ins Ausland gebracht», bedauert Imboden. Es brauchte viel Überzeugungsarbeit, doch ihre Hartnäckigkeit zahlte sich schliesslich aus.

Heute lebt der Verein von Produkten aus dem Fachhandel, von Herstellungsfirmen und von privaten Spenden. Er bietet Nass- und Trockenfutter an, welche das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben, und Produkte, die falsch angeschrieben wurden oder aus ästhetischen Gründen nicht mehr verkauft werden können. Vorkoster waren am Anfang die Tiere von Imboden und Wenger. Abgelaufenes Futter könne man noch bis zu einem Jahr behalten, wenn es kühl gelagert und originalverpackt sei. Dies bestätigen auch die Fachhändler. «Unsere Tiere hatten nie Probleme», sagt Wenger. Der Verein unterstützt durch sein Engagement nicht nur die Tierhalter, sondern sichert auch Futter vor der Vernichtung.

Alle zwei bis drei Monate dürfen sich die Bezüger im Verein «Tierhärz Thun» mit Tierfutter und anderem Zubehör für ihre Vierbeiner eindecken. Der Verein darf kostenlos das reformierte Kirchengemeindehaus in Thun benutzen. An acht bis neun Tischen wird jeweils das Futter getrennt in Katzen- und Hundefutter aufgestellt. Die Bezüger geben symbolisch ein paar Franken in ein Kässeli. «Wir wollen nichts gratis abgeben, denn was nichts kostet, hat auch keinen Wert», sagt Wenger. Die Bezüger melden sich jeweils vorher an, so wissen die Geschwister, wie viel Futter sie in etwa benötigen. 

Dank kleiner Gesten der bedürftigen Tierhalter sind die Schwestern motiviert
Wer Bezüger werden möchte, wird zuerst überprüft. «Sie geben uns einen Auszug ihrer Sozialbezüge, damit wir wissen, ob sie in unsere Rahmenbedingungen passen», sagt Wenger. Viele legen nicht gerne ihre Finanzen offen hin. «Bei uns wird alles sehr diskret behandelt, wir brauchen einfach eine gewisse Kontrolle.» Nur einmal hatten sie einen negativen Fall. «Wir haben erfahren, dass unser Futter weiterverkauft wurde», erzählt Imboden. «Wir haben diese Personen zur Rede gestellt und gebeten, nicht mehr zu kommen.»

Imboden und Wenger sind dankbar für die vielen Spenden. Grosse Freude haben sie auch am «Tierwelt-Förderpreis». «Es ist eine schöne Anerkennung für unsere Arbeit und zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind», sagt Imboden. «Wir werden einen Teil des Geldes unseren Bezügern zukommen lassen.» Heute zählt der Verein neun Mitglieder, die sich alle ehrenamtlich engagieren, indem sie Futter abholen oder bei der Ausgabestelle vor Ort sind. Die Schwestern sind ständig auf der Suche nach neuen Futterspendern – eine grosse Arbeit, die ihnen trotzdem Freude macht. «Es sind die kleinen Gesten wie jene Bezüger, die extra nochmals zurück­kommen, um Danke zu sagen. Das motiviert», sagt Wenger. Der Verein hat grosse Ziele: «Es wäre schön, wenn wir einen zweiten Standort aufbauen könnten, um noch mehr Tierhaltern zu helfen.» 

Interessierte können sich beim Verein «Tierhärz Thun» melden unter der Telefonnummer: 078 827 51 55
www.tierhaerz-thun.npage.ch