Hunderassen
Unter Hunden ist Rassismus weit verbreitet
Hunde verstehen sich mit Artgenossen der gleichen Rassen oft besser als mit andersrassigen Vertretern. Dieses Phänomen überrascht Experten nicht, hat der hündische «Rassismus» doch durchaus seine Gründe.
Gleich und gleich gesellt sich gern. Dass dieses Sprichwort auch auf Hunde zutrifft, zeigt sich tagtäglich auf dem Spaziergang. Treffen zwei Vertreter der gleichen Rasse aufeinander, scheinen sich die Hunde schneller vertraut zu sein als bei Begegnungen mit andersrassigen. Genauso klar wie die Vorliebe zur eigenen Rasse zeigen selbst die verträglichsten Hunde meist auch eine Abneigung zu ganz bestimmten anderen Rassen – und das, obwohl sie keine negativen Erfahrungen mit ihnen hatten. «Eigentlich kann er’s ja mit allen gut. Ausser mit Pudeln, die mag er überhaupt nicht», hört man die Hundehalter dann etwa sagen.
Solche Aussagen überraschen Christina Sigrist nicht. «Selbstverständlich sind Hunde Rassisten», sagt die tierärztliche Verhaltensmedizinerin aus Pleigne JU. Gemeint ist hier natürlich nicht der Rassismus, wie wir Menschen ihn kennen. Hunde haben keine Abneigung anderen Rassen gegenüber, weil sie sie für minderwertig halten. Der Rassismus unter Hunden hat andere, durchaus nachvollziehbare Gründe, wie Sigrist sagt.
So werde ein Hund einer anderen Rasse zwar immer als potenzieller Sozialpartner wahrgenommen – der Hund weiss also, dass er einen Artgenossen vor sich hat. «Sieht das Gegenüber jedoch ungewohnt aus oder weicht es von den bekannten Erscheinungsbildern ab, begegnet der Hund ihm mit Skepsis», erklärt Sigrist. Das sei nicht etwa verwerflich, sondern ein nötiger Schutzmechanismus, der letztlich auch dazu diene, den Zusammenhalt innerhalb einer Gruppe zu stärken. «Wölfe sind vermutlich sogar besonders ‹rassistisch›», hält Sigrist fest. «Die haben ja bereits ausserhalb der eigenen Familie oder des eigenen Clans fast nur Feinde unter ihren Artgenossen.»
Manche Hunde missverstehen sich
Reagiert ein Hund auf eine bestimmte Rasse mit Desinteresse oder gar Abneigung, liegt es also nicht immer daran, dass er mit dieser Rasse eine negative Erfahrung hatte. Vielmehr fehlen dem Hund meist Erfahrungen mit Vertretern der entsprechenden Rasse. Das bestätigt auch Beat Eichenberger aus Küssnacht am Rigi SZ. Der Hundetrainer erlebt und studiert täglich das unterschiedliche Ausdrucksverhalten verschiedener Rassen. Ob ein Hund Kontakt haben möchte oder nicht, signalisiere er mittels Körpersprache. Diese Kommunikation betreffe die ganze Körperhaltung, also wie der Hund sich bewegt, wie er dasteht, wie er seine Rute hält, die Augen öffnet und so weiter. Durch die optischen und auch charakterlichen Unterschiede weisen gewisse Rassen ein anderes Ausdrucksverhalten auf, sagt Eichenberger. «Hat ein Hund wenig Erfahrung mit einem Hund einer anderen Rasse, kann es durchaus sein, dass er dessen Kommunikation nicht versteht oder falsch interpretiert.»
Er veranschaulicht das an einem Beispiel eines Bullterriers, der auf ein Italienisches Windspiel trifft. «Hat das Italienische Windspiel, das meist filigran seine Gegend erkundet, keine Erfahrung mit Bullterriern, wird es dessen rassenbedingten staksigen und erhobenen Gang als Imponiergehabe oder Aggressionssignal deuten», sagt Eichenberger. So gehen sich die beiden Hunde im besten Fall aus dem Weg oder sie geraten aneinander. «Zum Spiel aber kommt es sicher nicht, wenn sich die beiden Rassen missverstehen.»
Nicht jede Rasse spielt gleich
Damit sich zwei Hunde gut verstehen und sogar Spielkumpane werden, braucht es nämlich mehr als bloss das gegenseitige Verständnis für die Ausdrucksweisen der jeweils anderen Rasse. Hier kommen auch unterschiedliche Rassentypen zum Tragen. Eichenberger verweist dabei auf Ausführungen der deutschen Verhaltenswissenschaftlerin Dorit Urd Feddersen-Petersen in Fachartikeln. Ihr zufolge spielen Hunde bestimmter Rassenzugehörigkeit am liebsten in den jeweiligen Verhaltensbereichen, auf die sie gezüchtet wurden. «So lieben Windhunde Renn- und Verfolgungsspiele, zeigen dabei die wildesten Kombinationen von Hakenschlägen und jähen Kehrtwendungen, während sich etwa Retriever auf das Apportieren von Stöckchen konzentrieren.»
Das unterschiedliche Spielverhalten verschiedener Rassen lässt sich auf Hundewiesen gut beobachten. Da gibt es die eher stürmischen Labradore, die im Spiel mit Artgenossen gerne vollen Körpereinsatz geben, genauso wie Französische Bulldoggen, deren Spiel eher einem Boxkampf gleicht. Wohingegen sich ein Collie einen Spass draus macht, seinem Spielpartner aus sicherer Distanz abwechslungsweise davon- und hinterherzurennen. Dass diese drei Rassen lieber unter ihresgleichen spielen, liegt auf der Hand. Genauso wie sich ein Yorkshire Terrier nur ungern auf ein Spiel mit einer 20-mal so schweren Deutschen Dogge einlässt.
So entstehen bei gewissen Rassenvertretern ganz eigene Vorlieben und Abneigungen anderen Rassen gegenüber. Entweder, weil sie sie zu wenig kennen und einschätzen können. Oder weil sie andere Vorlieben haben, was den Kontakt zu Artgenossen anbelangt. Aus diesem Grund betonen sowohl Eichenberger als auch Sigrist, wie wichtig frühe positive Erfahrungen von Hunden mit andersrassigen sind, beispielsweise in der Welpenschule. «Wenn unterschiedliche Rassen miteinander aufwachsen oder in der Welpenzeit intensive und gute Kontakte haben, werden sie sich in der Regel lebenslang als körpersprachlich vertraut wahrnehmen», sagt Sigrist. So endet das Zusammentreffen unterschiedlicher Rassen zumindest friedlich, im besten Fall sogar in einer neuen Hunde-Freundschaft.
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