Der Charakter eines Kaninchens ist teils genetisch bedingt, teils von den Erfahrungen des Tieres geprägt. Und nicht zuletzt haben die Haltungsbedingungen einen Einfluss. Auch nach 2000 Jahren Domestikation reagieren Hauskaninchen auf verdächtige Bewegungen noch immer mit blitzschneller Flucht. Diese Verhaltensweise sichert dem begehrten Beutetier das Überleben. Doch gibt es hin und wieder Langohren, die es mit ihrer Vorsicht übertreiben und ohne wirklichen Grund das sprichwörtliche Hasenpanier ergreifen. Am anderen Ende der Verhaltensskala findet man die schlecht gelaunten Ruppigen, die knurrend angreifen, wenn ihnen etwas nicht passt – selbst die fütternde Hand. Legt sich das Tier dagegen flach hin und hebt es die Schnauze hoch, ist das eine Aufforderung zum Streicheln.

Schlechte Erfahrungen können die Ursache von problematischem Verhalten sein, aber auch Schmerzen, eine Krankheit – oder eine unpassende «Wohnung». Letzteres ist häufiger, als man denkt. So gibt es Kaninchen, die sich im Parterre eines mehrstöckigen Kaninchenstalls nicht wohlfühlen und übertrieben ängstlich auf Bewegungen in der Stallumgebung reagieren. Ihre Angst steckt nicht selten die anderen Kaninchen an und führt zu einer dauernden Unruhe. 

Zwerge sind besonders temperamentvoll
Setzt man die «Angsthasen» in eine höher gelegene Box, überblicken sie das Geschehen rund um den Stall besser und finden zu mehr Gelassenheit. Die Strukturierung der Ställe, wie dies in den letzten Jahren fast zum Standard geworden ist, kommt den «Hasenfüssen» ebenfalls entgegen; sie verschwinden bei Beunruhigung unter dem Balkon und fühlen sich sicher. Um dösende Langohren nicht unnötig aufzuschrecken, ist es hilfreich, wenn man das Kommen ankündigt: Schnalzen, Pfeifen oder einfaches Ansprechen machen den Tieren klar, dass ein Zweibeiner im Anmarsch ist. 

Es gibt auch rassenbedingte Unterschiede im Charakter. So sind Zwergrassen temperamentvoller als grössere, Widderkaninchen («Lampiohren») ruhiger als ihre stehohrigen Kollegen und sogenannte Fleischrassen wie Neuseeländer und Kalifornier besonders gemütlich. Die Bandbreite innerhalb der Rassen und Zuchtlinien ist gross.

Wer sich besonders sanfte Kaninchen wünscht, muss einen Züchter suchen, der seine Zuchttiere nicht nur nach Standard, sondern auch nach ihrem Charakter auswählt. Ein respektvoller Umgang, der das Wesen des Tieres berücksichtigt, fördert das Vertrauen zwischen Mensch und Tier. Die meisten Kaninchen mögen es, in ihrem Stall gestreichelt zu werden; Herumtragen ist hingegen weniger beliebt – Ausnahmen gibt es auch da.

<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="236acaaf-202b-430f-9d26-a2f899873702" data-langcode="de"></drupal-entity>
Kirschpflaume besänftigt Angstbeisser.
Bild: Ursula Glauser
<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="3b0a810a-4975-4b4d-9c3a-ac630655f898" data-langcode="de"></drupal-entity>
Ruprechtskraut löst Blockaden, die auf schlechte
Erfahrungen zurückgehen.
Bild: Ursula Glauser 

Doch was ist zu tun, wenn ein Tier trotz aller Bemühungen ängstlich bleibt oder seine Aggressionen nicht ablegt? Bei Aggressionen ist es wichtig, der Ursache auf den Grund zu gehen. Zibben werden meist dann zickig, wenn ihre Hormone verrückt spielen. Frauenmantel (Alchemilla vulgaris) und Melisse (Melissa officinalis) helfen dem Tier in diesem Fall zu besserer Ausgeglichenheit. Dauerbrünstige Häsinnen, aber auch sexuell überreizte Rammler werden mit Origanum in tiefer homöopathischer Potenz (D1 bis D3) behandelt. Man gibt das Mittel während einiger Tage ins Trinkwasser.

Auch bei Aggressionen unklarer Ursache können Kräuter helfen. Rosenblüten frisch oder getrocknet wirken harmonisierend und besänftigen langohrige Rambos. Aggressionen können auch eine Reaktion auf Schmerzen oder Unwohlsein sein; Fenchel- und Anissamen entspannen Muskeln und Gemüt und verhelfen gleichzeitig zu einer guten Verdauung. Johanniskraut (Hypericum perforatum) wirkt stimmungsaufhellend und nervenstärkend, aber auch schmerzlindernd und antimikrobiell. Besondere Erwähnung verdient das Ruprechtskraut (Geranium robertianum); es hilft Blockaden zu lösen, die auf schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit beruhen. All diese Pflanzen können in kleinen Mengen als Beifutter gereicht werden, Johanniskraut auch in Form von Johannisöl auf etwas Brot. Es muss jedoch betont werden, dass ein vor Schmerzen mit den Zähnen knirschendes oder offensichtlich krankes Kaninchen zur genauen Abklärung zum Tierarzt gehört.

Bei problematischem Verhalten bietet die Blütentherapie nach Dr. Bach umfassende und sanfte Hilfe. Edward Bach, ein englischer Arzt und Homöopath, entwickelte diese Therapie im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Jahrelanges Suchen und Forschen führten ihn zur Entdeckung von Pflanzen, die bestimmte Charakterzüge repräsentieren. Mithilfe von Sonnenlicht und Quellwasser stellte er aus den Blüten dieser Pflanzen Essenzen her, die auch bei Tieren mit Erfolg angewendet werden. Vielen Menschen sind die Notfalltropfen ein Begriff, eine Mischung aus den fünf Blütenessenzen Kirschpflaume, Wald rebe, Springkraut, Sonnenröschen und Milch stern. Diese Mischung hilft oftmals bereits weiter, doch es lohnt sich, auch Essenzen einzusetzen, die Ängste und Aggressionen gezielter angehen.

Anführern Gelassenheit verleihen
So helfen Gauklerblume (Mimulus guttatus), Zitterpappel (Populus tremula) und Sonnenröschen (Helianthemum nummularium) bei Ängsten. Sonnenröschen ist bei extremer Angst und Panik angezeigt und aus diesem Grund auch Bestandteil der Notfall tropfen. Zitterpappel hilft Tieren mit allgemein ängstlichem Naturell, Gauklerblume, wenn bestimmte Situationen oder Menschen Angst auslösen. Eine weitere Blüte, Odermennig (Agrimonia eupatoria), gibt schüchternen Tieren mehr Vertrauen.

Aggressionen können verschiedenste Ursachen haben: Eifersucht, Unausgeglichenheit, übertrieben dominantes Verhalten. Die Blütenessenz von Stechpalme (Ilex aquifolium) ist angezeigt bei plötzlichen heftigen Angriffen ohne erkennbaren Grund. Rotbuche (Fagus sylvatica) passt für Tiere mit unausgeglichenem Wesen, die stets ihren Willen durchsetzen wollen. Alpha-Tieren, die krampfhaft die Anführer-Rolle suchen, verleiht Eisenkraut (Verbena officinalis) mehr Gelassenheit.

Tyrannische Langohren benötigen Weinrebe (Vitis vinifera). Wo sich Panik und Aggression vereinen, wenn Tiere durchdrehen vor Angst und blind aggressiv reagieren, ist Kirschpflaume (Prunus cerasifera) angebracht; sie ist ebenfalls Bestandteil der Notfalltropfen.

Oft ist es nicht einfach, die Aggression richtig einzuordnen. Das ist auch nicht unbedingt nötig, denn es können problemlos bis sechs verschiedene Blütenessenzen gemischt werden. Sie werden am besten dem Trinkwasser beigegeben, da die Behandlung etwas Zeit benötigt.