Tierwelt 50/2013
38 Millionen Gänse leiden für Feinschmecker
Stopfleber gilt vielerorts als Delikatesse und ist vor allem zur Weihnachtszeit gefragt. Tierschützer versuchen seit Jahren die auf sehr fragwürdige Weise produzierte Speise verbieten zu lassen, jedoch mit mässigem Erfolg.
Für die einen ist Foie gras (fette Leber) eine Delikatesse, für die anderen Tierquälerei. Vor Weihnachten ist die Nachfrage danach besonders gross, da für viele Menschen eine gestopfte Gänse- oder Entenleber als Festessen gilt. Hauptproduzent und -abnehmer ist unser Nachbarland Frankreich, doch auch in der Romandie erfreut sich das Gericht weiterhin grosser Beliebtheit.
Wie das Produkt entsteht, sagt bereits der Name: Stopfleber ensteht durch Stopfen. Im Alter von wenigen Monaten werden die Vögel zwei bis drei Wochen lang mindestens zweimal täglich gemästet. Dazu steckt man ihnen ein Rohr oder einen Schlauch über den Hals in den Magen und verabreicht ihnen circa 800 Gramm eines Breis aus Mais und etwas Schweineschmalz. Für einen Menschen hiesse das, täglich mindestens zweimal zwölf Kilogramm Polenta auf einmal zu schlucken.
Traditionell dauert dieser Vorgang eine knappe Minute. Die heutigen industriellen Verfahren schaffen das mit einer Hydraulik- oder Druckluftpumpe in knapp drei Sekunden. Dadurch wachsen die Lebern der 38 Millionen Gänse und Enten, die pro Jahr dafür überfüttert werden, auf eine übernatürliche Grösse an. Am Ende wiegen sie über ein Kilogramm und damit zehnmal mehr als gewöhnlich. Viele Vögel sterben während dieser Prozedur, die anderen werden nach den Wochen der Zwangsernährung geschlachtet.
Doppelmoral der Schweiz: Die Produktion ist verboten, der Verkauf aber legal
Anders als vor Tausenden von Jahren im alten Ägypten und im Römischen Reich, wo die Stopfmast bereits üblich war, stecken die Vögel heute meistens in engen Käfigbatterien, können sich kaum bewegen und verletzen sich ihre sensiblen Schwimmhäute an den Drahtgitterböden. Laut der Tierschutzorganisation «Vier Pfoten» sind gebrochene Flügel und blutige Geschwülste normal. Ausserdem würden viele Tiere ersticken, wenn in der Hektik der Massenabfertigung der Schlauch aus Versehen in die Luft- statt in die Speiseröhre gesteckt werde. Das zwangsläufig aufkommende Fieber werde mit Antibiotika behandelt. Atemnot, Leberblutungen, Angst und Schmerzen gehören gemäss verschiedenen Quellen dazu. Rein medizinisch betrachtet handelt es sich bei der Stopfleber um ein krankes Organ. Warum ist die Produktion dennoch legal?
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Bild: Ethique & Animaux L214 |
Ist sie nicht, zumindest nicht überall. Bis auf Frankreich, Belgien, Bulgarien, Spanien und Ungarn ist die Herstellung mittlerweile europaweit verboten, der Import jedoch nicht. Und der ist in der Schweiz steigend. Gelangten 2010 und 2011 jeweils rund 287 Tonnen frische oder gefrorene Fettlebern in die Schweiz, waren es 2012 300 Tonnen. Das Gros davon wird in der Westschweiz konsumiert, wo Stopfleber aufgrund der Nähe zu Frankreich ebenfalls als traditionelles Gericht gesehen wird – Frankreich deklarierte Foie gras 2005 als nationales gastronomisches Kulturerbe und schloss sie vom Tierschutzgesetz aus.
Es sind vor allem wirtschaftliche Beziehungen zwischen den Ländern, die vor dem Tierwohl stehen. «Importverbote aus Tierschutzgründen würden international als Handelshemmnis abgelehnt», erklärt Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz SKS. Das zeigt sich auch bei Eiern aus Käfighaltung, die nicht produziert, aber weiterhin verkauft werden dürfen. Solche hierzulande verbotenen Produktionsmethoden müssen gekennzeichnet werden. «Dies wäre das Mindeste, das bei tierquälerisch produzierter Gänseleber auch angebracht wäre», sagt Walpen.
Um diese Lücke zumindest teilweise zu schliessen, entwickelt «Vier Pfoten» eine App, die über den Strichcode erkennen soll, ob Gänse- und Enten-Produkte ohne Tierquälerei hergestellt wurden. Schon heute gibt es auf der Website der Organisation eine Liste von Herstellern von Gänseprodukten, die sich «strengen, unangemeldeten Kontrollen unterziehen und auf Lebendrupf, Stopfmast und Käfighaltung verzichten». Auch andere Tierschutzorganisationen laufen seit Jahren Sturm gegen den Verkauf und beschweren sich über die Doppelmoral der Schweiz, die immer vom vorbildhaften Tierschutz spreche, aber den Verkauf solcher Artikel zulasse. Letzten Endes zählt wohl der finanzielle Gewinn. Ein Kilogramm Stopfleber kostet über 125 Franken.
Viele Händler haben die Stopfleber freiwillig aus dem Sortiment genommen
Coop, Denner, Aldi und Spar haben sich dazu entschlossen, die Speise aus ihrem Sortiment zu nehmen. Jelmoli, Manor, die Migros Romandie und Tessin sowie viele Feinkostläden hingegen führen sie weiterhin und verweisen auf die Mündigkeit der Konsumenten, die selbst entscheiden könnten oder auf die Kontrollmechanismen, die Tierquälerei nicht zuliessen. So weist die Migros auf ihren Pflichtenkatalog hin, nach dem die Tiere «artgerecht» gehalten werden müssen, der Schlund beim Stopfen «mit grösster Sorgfalt» behandelt werden muss und die Tiere genügend Platz haben müssen, um die Flügel auszubreiten. Die zuständige Kontrollstelle gehört zwar zur Migros-Gruppe, sei aber völlig unparteiisch. Ausserdem «ist der Vorgang des Stopfens ein natürlicher Vorgang bei jeglicher Art von Zugvögeln. Sie nehmen überproportional viel Nahrung auf, bevor sie sich auf die lange Reise in den Süden begeben», sagt Isabelle Vidon von der Migros in Genf. Auch sei das Stopfen schmerzfrei, wenn es richtig gemacht werde: «Der benutzte Schlauch aus flexiblem Kautschuk wird nicht in den Magen geführt, sondern füllt lediglich die dafür vorgesehene Tasche im Schlund der Ente.»
Das sieht Tobias Sennhauser von der Tierrechtsorganisation «tier-im-fokus.ch» (TIF) anders: «Die Methode mit Gummischläuchen bringt primär Vorteile für die Produzenten: Die Mästung lässt sich zeitlich massiv beschleunigen und die Einbussen können minimiert werden, da weniger Vögel verletzt werden. Doch auch so leiden die Tiere an Verdauungsproblemen, Atembeschwerden, Verletzungen innerer Organe, Ängsten und Stress.» Eine wirklich tierfreundliche Methode zur Fettleber-Produktion gibt es laut den Tierschützern und dem SKS nicht. Zwar gibt es Produkte, die als «ungestopft» gekennzeichnet werden, diese seien jedoch reine Kosmetik. «Hier geht es darum, die Tiere so lange systematisch zu überfüttern, bis ihre Lebern auf eine widernatürliche Grösse anschwellen. Diese Alternative soll nur darüber hinwegtäuschen, dass es sich um ein Qualprodukt handelt», sagt Sennhauser.
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