Auf der Alp Peil ist was los. Nicht nur 184 Ziegen sind los, es kommt auch viel Besuch vorbei – zumindest an sonnigen Tagen. Ein Wandererpaar erkundigt sich, ob das hier sei, wo man zuschauen könne, wenn die Geissenherde von der Weide zurückkommt. Ja, da ist hier, auf der Alp Peil, auf 1670m ü. M., in einem Seitental oberhalb Vals GR. Es ist kurz vor halb fünf, also sollte der Hirt nun mit den Vierbeinern zurückkehren. Tatsächlich hört man es jetzt bimmeln und sieht die vordersten Tiere der Herde den Weg hinaufkommen. Die Geissli kennen den Weg, schreiten zügig voran. Und den letzten Tieren, die etwas bummeln und noch da und dort neben dem Weg ein Blatt fressen wollen, machen die beiden Hirtenhunde Beine. Zuhinterst schreitet Luis, der, wie jeden Tag, soeben gute zehn Stunden mit den Geissen auf der Weide verbracht hat. 

Die Ziegen – eine bunte Truppe, bestehend aus Bündner Strahlenziegen, Gämsfarbigen Gebirgsziegen, Saanen-, Appenzeller-, Toggenburger- und Pfauenziegen –  legen sich vor dem Stall an die Sonne. Fürs Alppersonal, Hirt Luis aus Spanien und Senn Sikko aus Holland, bedeutet das: kurze Vesperpause. Doch schon kommen die nächsten Besucher. Drei Wanderer möchten Gotte oder Götti einer Geiss werden. Die Alp Peil ist eine von vier Schweizer Alpen, bei denen man eine Ziegenpatenschaft eingehen kann (siehe Infobox ganz unten). 

Viele Paten besuchen ihr Tier
«Das Angebot ist sehr beliebt und viele Leute besuchen ihre Geiss auf der Alp. Letztes Jahr waren es etwa hundert», sagt Carmen Sprenger von der Alpgenossenschaft Sust-Peil und Zuständige für die Coop Patenschaft, die gerade auf der Alp weilt. Sie muss die Touristen für die Anmeldung jedoch aufs Internet verweisen. So trösten sich die Wanderer mit einem Stück Käse – der Kauf ist gleich vor Ort möglich. Nebst dem Direktverkauf ab Alp wird der Käse über den Detailhandel vermarktet sowie auf einigen Passmärkten angeboten. 

Damit der Käsekeller stets gefüllt ist, heisst es für die Älpler nun aber: ab in die Melk­hosen! Es ist 18 Uhr, Sikko und Luis, plus die beiden Hunde, treiben die Geissen vom Vorplatz in den Stall. Dort warten die Tiere, bis sie in «Portionen à 20 Stück» in den Melk­stand gelockt werden – mittels Kraftfutter, ohne das würden die Geissen nicht hineindrängeln, sagt Sikko. Das Melken geht dank der modernen Melkanlage – notabene von der Coop Patenschaft mitfinanziert – relativ zackig über die Bühne, bei 184 Ziegen dauert es aber dennoch rund 1,5 Stunden. Danach dürfen die Tiere auf die eingezäunte Nachtweide, die Älpler müssen noch das Milchgeschirr putzen, dann ist aber auch Feierabend. 

Doch die Nächte auf der Alp sind kurz. Um fünf Uhr in der Früh gehts weiter. Ziegen einstallen, melken, Geschirr waschen. Plus alle paar Tage den Stall ausmisten. «Es ist schlichte und einfache Arbeit, eine regelmässige. Jeden Tag das Gleiche. Man darf halt nicht zu viel überlegen dabei», schmunzelt Sikko. 

Ziegen brauchen viel Zuwendung
Nach dem Frühstück, um etwa halb acht, trennen sich die Wege von Sikko und Luis. Der Holländer geht ans Käsekessi, der Spanier geht mit den Ziegen auf die Weide. Bei jedem Wetter. «Es ist manchmal schon ziemlich hart, wenn es regnet, kalt oder windig ist», erzählt Luis. Aber in Spanien sei die Arbeitslosigkeit enorm hoch, um die 60 Prozent bei jungen Leuten. So hat er sich entschieden, den Sommer über in den Schweizer Bergen zu arbeiten, Wetter hin oder her. Bereits zum dritten Mal macht er die Alp nun zusammen mit Sikko. Die beiden kennen sich aus Spanien, wo der 59-jährige Niederländer mittlerweile lebt. Diesen Frühling hat Luis den Sennenkurs am Plantahof absolviert, so hofft er, nächsten Sommer als Senn zu arbeiten. 

Käse machen wie Tiere hüten sind anspruchsvolle Tätigkeiten. «Nicht jeder kann diese Arbeit machen. Es braucht gute Leute, findet man überhaupt noch gute Leute?», fragt Sikko. Man müsse Allrounder sein, Hufe schneiden, Krankheiten erkennen können. «Vor allem aber muss man die Tiere verstehen, die Geissen wie auch die Hirtenhunde. Man muss sie spüren und liebhaben. Die Ziegen brauchen viel Zuneigung und Aufmerksamkeit. Sie sind sehr anhänglich.» 

Wichtig sei auch, dass die Tiere gesund bleiben. «Hochgezüchtete Ziegen, deren Euter schon fast am Boden schleifen, sind viel anfälliger für Krankheiten. Sie gehören nicht in die Berge», sagt Sikko. Als Senn hat er weniger Kontakt zu den Tieren als der Hirt. Dafür verwertet er, was die Ziegen vom Berg herunterbringen: die Milch. 320 Liter sind nun im Tank, das Ergebnis von zweimal melken. Sikko heizt den grossen Holzofen ein, mittels Dampf wird die Milch im Käsekessi zunächst auf 60° Celsius erhitzt, dann wieder runtergekühlt, Reifekultur und Lab beigefügt, so erhält man die sogenannte «Dickete» oder «Gallerte». Diese wird mit der «Käseharfe» klein geschnitten, der entstandene Käsebruch wird nochmals vorsichtig auf 42 ° erwärmt.

Alpbewirtschaftung ist Landschaftspflege
Dann ist der grosse Moment da: Sikko greift das grosse Käsetuch, prüft nochmal Temperatur und Käsebruch im Kessel und fischt dann die Käsekörner heraus – das geht nur mit dem Flaschenzug, denn die dickgelegte Masse ist schätzungsweise 40 Kilogramm schwer. Daraus entstehen, nach Weiterverarbeitung (Formung, Pressen, Baden in Salzlake, Wenden, Bürsten etc.) und Reifung 11 Käselaibe à ca. 3 Kilo. Und das täglich. Es ist nun halb elf Uhr. Die Prozedur des Käsens hat rund zweieinhalb Stunden gedauert. Sie ist nicht nur zeitaufwendig, sondern eine verantwortungsvolle Aufgabe. «Man muss sehr sauber und exakt arbeiten», so Sikko, «denn der Käse muss gut sein. Er ist ein Teil der Wertschöpfung. Und diese Wertschöpfung für die Ziegen muss erhalten bleiben.» 

Er betont, wie wichtig und sinnvoll die Bewirtschaftung der Berggebiete sei, denn die Landschaft würde sonst verganden, es würde überall Wald wachsen. Geissen fressen nebst Gras und Kräutern auch gerne Gehölze aller Art, vor allem Hasel und Erlen. «Die Berge brauchen die Ziegen, und die Ziegen brauchen die Berge», sagt Sikko. «Sie gehören hierher, in diese wunderbare Region. Sie fressen die Kräuter ganz oben am Berg, wo wir Menschen kaum mehr hinkommen, sie kommen zurück mit Milch und wir machen Käse daraus. Ist es nicht ein grosses Wunder?»

Gotte oder Götti werden!

Die Coop Patenschaft für Berggebiete ist eine zur Coop-Gruppe gehörende, selbstständige Non-Profit-Organisation in Genossenschaftsform. Die Organisation setzt sich seit den 40er-Jahren im Sinne von «Hilfe zur Selbsthilfe» für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen der Bergbevölkerung ein.  Für 95 Franken können Sie Patentante oder -onkel einer herzigen Geiss werden. Ziegen sind kluge, lustige und neugierige Tiere, welche gerne Kontakt zu Menschen haben – manchmal sind sie natürlich auch zickig.  Wählen Sie eine der rund 360 Milchziegen aus einer der folgenden vier Bündner Alpen: Alp Sust Peil (Vals), Alp Suot (Guarda), Alp Falla (Klosters) oder Alp Valmala (Ardez). Als Pate können Sie Ihre Ziege auf der Alp besuchen, ausserdem erhalten Sie ein feines Stück Alpkäse und ein Foto der Patengeiss. 

www.cooppatenschaft.ch/ziegen