Spanien
Ein Haarschnitt für wilde Pferde
Im spanischen Galicien feiert man jedes Jahr im Juli die «Rapa das Bestas». Dabei werden wilde Pferde in den Bergen eingefangen und ins Dorf getrieben, um ihnen dort die Haare zu schneiden.
Unglaublich, wie sie folgen, diese anmutigen, stolzen Tiere. «Warum kommen sie mit?», fragt die ahnungslose Touristin den Gruppenführer Manuel. «Weil ihnen schlichtweg nichts anderes übrig bleibt», antwortet dieser. Seit sechs Uhr morgens ist er mit seiner Gruppe unterwegs, bestehend aus ungefähr zwanzig Personen. Zu Fuss. Sie folgten den Pferden und trieben sie vor sich hin, bis sie in die Falle tappten. Diese besteht aus Menschen, die im Kreis stehen, die Pferde in der Mitte. Sie trauen sich nicht an die Menschen heran, wahren immer einen Abstand und gehen mit, wenn sich die Gruppe vorwärtsbewegt. Die Rösser könnten sich leicht befreien, indem sie die Menschen überrennen oder ihnen einen Tritt verpassen, aber sie tun nichts dergleichen. Stattdessen gehen die Pferde langsam mit ins Dorf.
Das kleine Dorf heisst San Lorenzo de Sabucedo und ist nur eines von vielen Dörfern in Galicien, in denen der jahrhundertealte Brauch «Rapas das Bestas» gepflegt wird. Dabei geht es darum, die Wildpferde, die in den umliegenden Bergen leben, einzufangen. Im Dorf werden sie dann untersucht, bei Bedarf medizinisch behandelt und danach einem merkwürdigen Ritual unterzogen.
«Wir essen kein Pferdefleisch», beruhigt Manuel die Touristen, die jedes Jahr zu Hunderten nach Galicien anreisen, um dem Ritual beizuwohnen, das jeweils im Juli durchgeführt wird. Es geht darum, den Pferden die Mähne und den Schweif abzuschneiden. Allerdings geht das ziemlich brutal zu und her. Die Pferde werden in eine kleine Arena gedrängt, in der sie wenig Platz haben. Ihre Panik ist spürbar. Sie suchen nach einem Ausweg – ein Entrinnen ist aber nicht möglich. Immer wieder geraten sie aneinander, bäumen sich auf, beissen sich, schlagen mit den Hinterbeinen aus.
Wie grob mit den Pferden umgegangen wird, zeigt das Video von 2017 (Video: Angel Castañal):
[EXT 1]
In diese Meute mischen sich Männer und eine Frau. Es sind Freiwillige aus dem Dorf, welche die Aufgabe übernehmen, den Pferden die Haare zu schneiden. Dabei stürzen sie sich zu dritt auf eines der Pferde, packen es am Hals und am Schweif, bis es ruhig steht. Während sie die Haare abschneiden, halten sie dem Tier die Augen zu, danach ist das nächste dran. Aufmerksam beobachtet wird die Prozedur von einem Publikum. Die kleine Arena ist zum Bersten voll. Zehn Euro kostet der Eintritt. Je mehr sich ein Pferd zur Wehr setzt, desto grösser ist die Begeisterung der Zuschauer und desto heftiger fällt der Applaus für die Freiwilligen aus.
Es gibt auch kritische Stimmen
Nicht alle teilen diese Freude. Es gibt Tierschutzorganisationen, die gegen die «Rapas das Bestas» sind. Ihrer Meinung nach schadet nämlich das Scheren der Mähne und des Schweifs den Tieren, da sie mit den Haaren den Schutz gegen die Insekten verlieren. Darüber hinaus, so die Gegner, werden die Tiere einem unnötigen Stress ausgesetzt.
Manuel, der aus San Lorenzo de Sabucedo stammt und deshalb von klein auf mit dem Brauch vertraut ist, wehrt sich gegen die Vorwürfe. Bei den «Rapas das Bestas» handle es sich um eine uralte Tradition. «Wir möchten den Tieren nur helfen. Das ganze Jahr über leben sie frei in den Bergen und lediglich einmal im Jahr werden sie von uns gefangen genommen, damit wir sie untersuchen können. Wir kümmern uns um ihre Krankheiten und versorgen sie mit Medizin», sagt Manuel. Die Haare würden geschnitten, damit die Tiere etwaige Parasiten loswerden.
Es drängt sich jedoch die Frage auf, warum man sie zu Fuss jagen und in der Arena scheren muss? «Sie in einem Stall einzusperren wäre viel schlimmer für diese Tiere, die es gewohnt sind, sich frei zu bewegen», sagt Manuel. «Und sie betäuben, um sie dann in Ruhe scheren zu können, erscheint uns auch keine gute Lösung zu sein – wir wollen sie nicht unter Drogen setzen.» Der Brauch habe sich bewährt, über 400 Jahre, es gebe keinen Grund, etwas daran zu ändern.
Doch bedürfen Wildpferde überhaupt einer Pflege? In diesem Fall ja, es handelt sich bei den Pferden nämlich gar nicht um Wildtiere. Sie gehören jemandem, jedes einzelne Pferd. Sie sind sogar gebrandmarkt. Nur werden sie nicht in einem Hof, sondern in den Bergen gehalten. Medizinisch untersuchen und bei Bedarf behandeln lassen müssen die Besitzer sie dennoch – auch wenn es nur einmal im Jahr ist. Sonst werden die Tiere sich selbst überlassen – und in den Bergen ist es nicht besonders leicht zu überleben.
Eine besondere Pferderasse
Es gibt Parasiten, wenig zu fressen im Winter, wenn alles verschneit ist, und Wölfe, welche die Schwachen und Kranken attackieren. Das alles fordert seinen Tribut – der Pferdebestand hat sich gemäss Manuel im letzten Jahr um fast die Hälfte reduziert. Derweil leben «lediglich» noch rund 450 Pferde in den Bergen. Wie viele es genau sind, kann jedoch niemand genau sagen, weil man nicht alle Pferde zu Gesicht bekommt.
Trotz der harten Bedingungen kann sich Manuel nicht vorstellen, dass es ein besseres Leben für die Pferde gibt: «Sie leben hier in völliger Freiheit auf 4000 Hektaren Land. Es gibt nichts Schöneres als hierherauf zu kommen und zu sehen, wie sie im Einklang mit der Natur leben.» Man habe sich hier ein Stück Natur in reinster Form erhalten, darauf wolle man nicht mehr verzichten.
Dass es hier oben schon immer Pferde gab, davon ist Manuel überzeugt: «Es gibt 4000 Jahre alte Steinbemalungen, auf denen man Pferde erkennen kann.» Ob es sich dabei allerdings um die gleiche Rasse handelt, wie bei den jetzigen Wildpferden, wurde bisher aber noch nicht in Erfahrung gebracht.
Fakt ist: Bei den jetzigen Wildpferden in Galicien handelt es sich um eine besondere Rasse, die «Caballo de Pura Raza Gallega» genannt wird. Sie hat sich optimal auf das raue Leben in den Bergen angepasst. Die Tiere sind klein und stämmig und haben oft ein braunes oder schwarzes Fell. Es wird darauf geachtet, dass die Rasse rein bleibt. «Andere Rassen würden in den Bergen ohnehin sterben», sagt Manuel. «Es ergibt also keinen Sinn, hier oben andere Rassen adaptieren zu wollen.»
In Europa mehr Wildpferde anzusiedeln, ist auch nicht nötig. Es existieren nämlich noch weitere Bestände, zum Beispiel in Frankreich oder Deutschland. Aber auch bei denen handelt es sich nicht um Wildtiere im eigentlichen Sinne, sondern um ausgewilderte Pferde, so wie jene in Spanien. In Deutschland gibt es übrigens auch einen Brauch wie in Galicien: So werden beim alljährlichen Wildpferdefang in Dülmen die Herden zusammengetrieben, um mit blossen Händen die jungen Hengste einzufangen. Diese müssen getrennt werden von der Herde, weil sie sich sonst mit dem Leithengst anlegen würden.
Dieser Artikel wurde automatisch auf unsere neue Website übertragen. Es kann daher sein, dass Darstellungsfehler auftreten. Diese können Sie uns mit folgendem Formular melden. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren