Es wirkt entspannt, wenn Alexandra Häusler im Pferdesattel ihres weissen Lusitanos sitzt. Immer wieder huscht ein Lächeln über ihr Gesicht. Gleichzeitig ist sie aber hochkonzentriert. Kein Wunder: Schliesslich ist Häusler gerade dabei, zusammen mit drei weiteren Reitern Rinder zu treiben. Das Ziel ist es, ein Rind aus der Herde abzusondern. «Hier werden Teamarbeit und Mut grossgeschrieben», sagt Häusler. Rinderarbeit ist eine von vier Teilprüfungen, die zur Sportart Working Equitation (auf deutsch: Arbeitsreitweise) gehören.

Die Begeisterung für diese in Südeuropa sehr populäre Reitdisziplin (siehe Kasten) entwickelte Häusler während eines Portugal-Besuchs, als sie die ersten Working-Equitation-Turniere miterlebte. «Die Vielseitigkeit der Pferde und Reiter hat mich sofort gepackt», sagt Häusler. «Dadurch entstand die Idee, auch in unserem Land solche Turniere anzubieten.» Doch in der Schweiz war und ist Working Equitation so populär wie in Afrika Eisstockschiessen. Also entschlossen sich Häusler und eine kleine Gruppe von Enthusiasten für die Arbeitsreitweise einen Verein zu gründen, die entsprechenden Regelwerke auszuarbeiten und die Aufnahme in den Weltverband zu beantragen.

In der Schweiz ist Rinderarbeit erlaubt
Seit seiner Gründung im August 2013 bemüht sich der Verein Arbeitsreitweise Schweiz – Equitation de Travail Suisse (ARSETS) mit Alexandra Häusler als Präsidentin um den Aufbau und die Förderung der Turnierdisziplin Working Equitation. «Bei den unterschiedlichen Teilprüfungen müssen Pferd und Reiter ein eingespieltes Team sein», erklärt Ursula Gloor, die ebenfalls Mitglied bei ARSETS ist und sich um die Pressearbeit kümmert. «Die Basis ist jeweils die klassische Dressur. Dafür braucht es gut gerittene, arbeitseifrige und vielseitige Pferde.»

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Wenn das Pferd über eine Brücke geht, steigt es auch in den
Hänger.

Bild: zVg

Die erste Disziplin ist die Dressur von der Anfängerklasse bis zu den schwersten Lektionen. Hier muss die korrekte Basisarbeit von Reiter und Pferd unter Beweis gestellt werden. Es folgt der Arbeitsparcours mit verschiedenen Hindernissen wie Brücken, Stangen und Toren. Dabei werden das Vertrauen und der Gehorsam der Pferde geprüft. Als dritte Herausforderung steht der Geschwindigkeits­parcours auf dem Programm. Es handelt sich um einen Arbeitsparcours, der möglichst schnell geritten wird. Den Abschluss bildet die Rinderarbeit, die je nach Ausschreibung des Veranstalters und den Tierschutzrichtlinien des jeweiligen Landes nicht immer durchgeführt wird. «Bei uns ist die Rinderarbeit erlaubt. Wir achten sehr genau auf die Einhaltung des Tierschutzgesetzes und setzen im Training häufig elektrische Kühe ein», sagt Gloor.

Spass für Pferd, Reiter und Zuschauer
Doch welchen Reiter spricht die Arbeitsreitweise an? Den Dressurspezialisten, den Spring­reiter, den Westernreiter oder den Freizeitreiter? «Wir wollen jeden Pferdebegeisterten ansprechen, der sich gut im Sattel halten kann», sagt Häusler. Der Nutzen der Sportart sei hoch. Eine solide Grundausbildung in der Dressur, korrekte Volten, fliegende Wechsel und Seitengänge. All dies beinhalte ein Working-Equitation-Training, erzählt Häusler und rührt kräftig die Werbetrommel. «Ein Pferd, das über ein Hindernis geht, steigt auch in einen Hänger ein. Und ein Pferd, das rückwärts durch ein Stangen-L geht, zeigt Durchlässigkeit.» Darunter versteht man Fähigkeit und Bereitschaft des Pferdes, auf vortreibende, verhaltene und seitwärtstreibende Hilfen einzugehen, sie von rückwärts nach vorn und umgekehrt sowie in seitlicher Richtung «durchzulassen».

Wer sich von der Arbeitsreitweise nicht nur theoretisch ein Bild machen möchte, hat schon bald die Gelegenheit dazu. Am 12. und 13. Juli findet in Eiken AG das erste offizielle Schweizer Working-Equitation-Turnier statt. Der Verein ARSETS stellt die Rahmenbedingungen und unterstützt das Organisationskomitee. «Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren», berichtet Gloor. «Der Aufwand für diesen Anlass ist sehr gross, da alle Klassen und Teilprüfungen angeboten werden.» Doch die ganze Mühe wird sich lohnen. Davon ist Alexandra Häusler fest überzeugt. «Die Zuschauer werden auf ihre Kosten kommen, denn die Arbeitsreitweise versprüht viel Energie und Lebensfreude gepaart mit Eleganz.» Und gut geritten sei diese Sportart ein grosser Spass für Pferd und Reiter gleichermassen.

Mehr Informationen unter www.arsets.ch

Vom harten Alltag der Rinderhirten zur Sportart

Working Equitation, auch Arbeitsreitweise genannt, hat ihren Ursprung in den berittenen Rinderhirten. Diese Arbeit ist seit Jahrhunderten rund um das nordwestliche Mittelmeer ansässig. In Italien findet man die Arbeitsreitweise in der südlichen Toskana, in Frankreich hauptsächlich in der Camargue, in Spanien vorwiegend in Andalusien und in Portugal im Alentejo. Daraus entstand im westlichen Kalifornien zur Kolonialzeit der Spanier das altkalifornische Westernreiten. Den deutschsprachigen und skandinavischen Ländern ist diese Reitweise lange Zeit unbekannt gewesen. In Italien entstand in den 1990er-Jahren die Idee, das alte Arbeitsreiten als Kulturgut zu erhalten. 1996 waren dort die ersten internationalen Wettbewerbe. Schon bald wurde die «Equitação de Trabalho» in Portugal zu einem äusserst beliebten Reitsport. Das Land ist seit Jahren die führende Nation dieses Sports.