Ziegen im Winter
Gesellige Herdentiere mit Drang zum Klettern
Ziegen können ganzjährig draussen leben, brauchen aber einen Schutz gegen Wind und Nässe. Für das Gefüge innerhalb einer Geissenherde sind frei zugänglicher Stall und Laufhof eine ideale Lösung.
Es ist ein eiskalter Wintertag in Wetzikon im Zürcher Oberland. Im Ziegenstall von Claudio Achermann herrscht eine schon fast andächtige Stille, durchbrochen einzig von Kau- und Knuspergeräuschen. Die erwachsenen, hochträchtigen Geissen stehen einträchtig nebeneinander und fressen ihr Zvieri, während eine Gruppe einjähriger Tiere auf einer Empore hin und her hüpft und zum Spielen aufgelegt ist. Zwischendurch überkommt aber auch sie die Lust, und sie machen sich über die dargebotenen Leckerli her.
Milchziegen gelten als Feinschmecker. «Geissen brauchen lange, bis sie sich an ein Futter gewöhnt haben», bestätigt Achermann. Deshalb beginne er jeweils einen Monat vor der Geburt – die Gitzi-Zeit startet Anfang Februar – damit, seinen Weibchen das zu verfüttern, was sie danach brauchen: Heu, Graswürfel und Malzwürfel. Silage dagegen darf er seinen Tieren nicht geben, da sie den Geschmack von Frisch- und Rohmilch verändert – und Achermann liefert seine Geissenmilch einer Käserei, die daraus Hart- und Halbhartkäse herstellt. Dafür hat es im Winter immer sehr viel Heu im Stall. Und es gibt die im Herbst und Frühling selber produzierte Graswürfel. Seine Ziegen lieben diese Würfel: «Wenn sie hören, dass ich sie verteile, kommen sie von alleine.»
Kaum haben sie genug gefressen, geht es wieder hinaus in den Laufhof, wo sie nach Herzenslust herumtoben, auf die Baumstämme hinauf- und wieder hinabspringen, miteinander ringen und kämpfen oder einfach in Zweier- und Dreiergruppen auf und ab gehen. Dann rutscht ein Tier auf dem festen Winterboden aus. Sofort eilen einige zu Hilfe herbei. Es ist aber nichts passiert, also gehen sie wieder ihrer Wege.
Dominante Pfauenziegen
Mittendrin steht Fabia, die diesen Winter ihr neuntes Gitzi bekommen wird. Die prächtige zehnjährige Pfauenziege hat viele Preise gewonnen: «Seit drei Jahren ist sie in Pension und muss sich nicht mehr präsentieren.» Mit Fabias Mutter stieg Claudio Achermann, der bereits als Kind bei den grosselterlichen Nachbarn im Geissenstall mit anpackte, vor gut 15 Jahren in die Ziegenhaltung ein. Mit der Zeit übernahm er von Kollegen Gämsfarbige Gebirgsziegen und Toggenburger. Hinzu kamen später Bündner Strahlenziegen, «weil sie gut Milch geben und mir gefielen», und Appenzeller.
Heute hält der gelernte Landwirt, der am Flughafen Zürich als Grünflächen-Mitarbeiter tätig ist und sich als Hobbyzüchter bezeichnet, eine bunt gemischte Herde mit 45 Ziegen, deren unbestrittene Chefin und Ranghöchste Fabia ist. Wie sie so im Laufhof steht, machen die anderen Tiere einen Bogen um sie, halten einen Respektsabstand. «Die eher grossen und schweren Pfauen seien generell sehr dominante Geissen, auch untereinander. Jede wolle die Chefin sein. «Alle anderen müssen sich unterordnen.»
Ziegen mögen als eigenwillig gelten, doch sie sind vor allem auch gesellige Herdentiere. Sie respektieren die Rangordnung, meistens zumindest. Ist eine Geiss aufmüpfig, reicht oft ein klarer Blick der Ranghöheren, um sie in die Schranken zu weisen. Probleme gibt es vor allem beim Futter: Die Leitziege besteht darauf, als Erste zu fressen. Vor allem wegen der dominanten Tiere in der Herde hat Achermann beste Erfahrungen gemacht mit seinem Konzept, dass seine Ziegen 24 Stunden zwischen Laufstall und -hof hin und her pendeln können, wie sie wollen. «Die rangniederen Geissen gehen oft in den Hof hinaus, um dem grössten Futteransturm auszuweichen.» Wenn die Chefgeissen satt sind, gehen dann auch die anderen in den Stall zum Fressen.
Ziegen brauchen Beschäftigung und Bewegung und verbringen viel Zeit mit Fressen und Wiederkäuen, wie Stephanie Häfliger-Speiser vom Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer erklärt. Auf der Weide bekommen sie alles gleichzeitig. So lässt auch Achermann seine Herde regelmässig auf die Weide, selbst bei winterlicher Kälte und bei Schnee. «Generell haben sie es aber schon lieber warm», sagt er lächelnd.
Ziegen können sowohl die Wärme als auch die Kälte gut aushalten. Deshalb kann man sie auch ganzjährig draussen halten. Weil sie aber extreme Hitze und Kälte in Kombination mit Wind und Nässe nicht gut vertragen, müssen sie immer Zugang zu einem Unterstand haben, wie Häfliger-Speiser erklärt, und zwar zu einem trockenen Unterstand, in dem alle Tiere Platz haben. Weil Geissen gerne klettern, mögen sie verschiedene Ebenen. Für den Stall empfiehlt Häfliger-Speiser erhöhte Liegeflächen: «Dort können sie gleichzeitig ruhen und alles überblicken.» Auf dem Laufhof seien Baumstämme ideal und eine Kratzbürste wunderbar. «Das ist Wellness für die Ziegen.»
Nicht mehr als ein Bock in der Herde
Die Sommer verbringen Achermanns Ziegen auf der Weide. Mit von der Partie sind dann auch die sechs Böcke, zwei junge Kühe und die weiblichen Geisslein, von denen er die meisten behält. Die männlichen Gitzi dagegen verkauft er in die Ausmast, wo sie fertig aufgezogen und mit zwei bis drei Monaten als Ostergitzi geschlachtet werden. Die Böcke wiederum hält er im Winter getrennt von den Ziegen: «Ein Bock in der Herde geht, mehr aber nicht, das führt nur zu Machtkämpfen und Unruhe.»
An diesem Wintertag befindet sich der gämsfarbige Bock bei den Damen, während die beiden Pfauen-Böcke noch auswärts weilen und die drei Strahlen-Böcke in einem gesonderten Stall Heu fressen, Seite an Seite mit zwei Kälbern – ein Holstein und ein Red-Holstein – im Alter von vier und fünf Monaten. Achermann hat sie selber aufgezogen mit dem Ziel, dass sie ab 2021 Milch für die neugeborenen Gitzi liefern.
In der Zwischenzeit haben die schlauen und neugierigen Ziegen gemerkt, dass der Zaun für den Besuch nicht unter Strom stand, und sind aus dem Laufhof ausgebüxt. Claudio Achermann bleibt die Ruhe selbst: «Weit gehen sie nie.» Tatsächlich bleiben sie stets in der Nähe. Das scheppernde Geräusch kullernder Graswürfel in einem Plastikbecken ist schliesslich überzeugend genug: Ziege für Ziege kommt zurück und macht es sich am Boden oder auf den Emporen im Laufstall gemütlich.
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