Es wird vermutet, dass eine halb durchgegarte Fledermaus auf einem Markt in China der Auslöser für die Corona-Pandemie war. Sicher ist die Tatsache, dass es neue Erreger immer häufiger schaffen, die Artengrenze vom Tier zum Menschen zu überspringen. In den vergangenen Jahrzehnten ist ein drastischer Anstieg von neuen Infektionskrankheiten beim Menschen zu verzeichnen. Rund 75 Prozent der bis dahin unbekannten Erreger kommen aus dem Tierreich. Und die Uno warnte kürzlich von einer weiteren Zunahme der sogenannten Zoonosen, die durch zunehmende Mobilität und Urbanisierung sowie den Klimawandel begünstigt werden. 

Weltweit sind aktuell rund 200 Krankheiten bekannt, die sowohl beim Tier wie auch beim Menschen vorkommen und in beide Richtungen übertragen werden können. Die eigentlichen Erreger können dabei Viren, Bakterien, Pilze, Einzeller, Würmer oder Arthropoden wie Spinnentiere und Insekten sein. Die Überträger dieser Krankheiten sind oft domestizierte Vierbeiner wie Nutzvieh oder Haustiere. Auch in der Schweiz sind Zoonosen keine Seltenheit: Von der Statistik sind jährlich über 10’000 Menschen erfasst, die sich mit einer von Tieren übertragenen Krankheit ansteckten – Tendenz steigend.

Wer gerne mit seinem Pferd schmust, ihm ein Küsschen auf die Nase gibt, sein Fell reinigt, den Stall ausmistet und den Futtertrog sauber wischt, der muss damit rechnen, dass er mit Krankheitserregern in Kontakt kommt. Rund zwei Dutzend Krankheiten gibt es, die vom Pferd auf den Menschen übertragen werden können. Manche sind harmlos, andere führen zu schweren Krankheitsverläufen. Manche Zoonosen kommen weltweit vor, andere nur in bestimmten Ländern. 

Wichtige Tetanusimpfung
«Früher war zum Beispiel die Tollwut auch bei uns ein Thema. Aber seit 1999 gilt die Schweiz offiziell als frei von Tollwut», sagt Franziska Remy-Wohlfender, Pferdetierärztin aus dem Kanton Bern und Mitverantwortliche von Equinella, der Melde- und Informationsplattform für Pferdeinfektionskrankheiten. Durch unseren guten Hygienestandard und den medizinischen Fortschritt haben in der Schweiz viele Zoonosen ihren Schrecken verloren. Gefährliche Krankheiten wie Milzbrand oder Rotz, die in Asien, Afrika und Südamerika nach wie vor eine Bedrohung für das Leben von Mensch und Tier darstellen, sind in Europa nur noch in Ausnahmefällen anzutreffen. 

Sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin registriert man seit Jahren eine Zunahme multiresistenter Bakterien.

Franziska Remy-Wohlfender
Pferdetierärztin

Wundstarrkrampf (Tetanus) ist dank der Impfung bei uns selten geworden. Pferde – aber auch der Mensch! – sind für diese schwere akute Wundinfektionskrankheit, die durch das Gift der Tetanusbakterien ausgelöst wird, sehr empfänglich. Hat sich der Vierbeiner erst einmal angesteckt, sind seine Überlebenschancen gering. Die Tetanusimpfung schützt Mensch und Tier zuverlässig. Für das Pferd stehen dem Tierarzt praktische Kombinationspräparate für die gleichzeitige Impfung gegen Influenza zur Verfügung. 

Das Risiko, in unseren Breitengraden von einem Pferd mit einer lebensbedrohlichen Krankheit angsteckt zu werden, ist überschaubar. Hunde und Katzen stellen diesbezüglich die grössere Gefahrenquelle dar, weil sie enger mit dem Menschen zusammenleben als das Pferd. Ganz aufatmen können Pferdehalter und Reiter trotzdem nicht, denn im täglichen Umgang mit dem Pferd sind bei uns auch einige Krankheiten relevant, die vielleicht nicht tödlich, aber trotzdem unangenehm sind. «Als Erstes kommt mir da die Dermatomykose in den Sinn, diese kommt relativ häufig vor», erklärt Remy-Wohlfender. Die Infektion, die durch Pilze verursacht wird, gehört zu den häufigsten Hautkrankheiten beim Pferd. 

Pilzsporen finden sich im Boden, und Pferde stecken sich beim Wälzen oder beim Scharren in der Erde an, bei anderen Pferden oder über gemeinsames Sattel- und Putzzeug. Auf den Menschen kann der Pilz beim Berühren betroffener Pferde oder kontaminierter Gegenstände übergehen. Beim Pferd zeigt sich der Hautpilz durch krustige, trockene Hautflecken mit Haarausfall und juckenden, kreisförmigen Läsionen. Der Mensch entwickelt oft einen ähnlichen schuppigen, geröteten, kreisförmigen Hautauschlag. Oft heilen Hautpilze von sich aus, um nachzuhelfen und den Juckreiz zu lindern, helfen medizinische Shampoos oder antimykotische Waschlösungen vom Tierarzt oder aus der Apotheke.

Antibiotika nur im Notfall
Durch Bakterien, die meist durch eine offene Wunde wie einen Schnitt oder einen Insektenstich in den Pferdekörper eindringen, übertragen wird die Dermatophilose. Auch Schmutzekzem oder Regenräude genannt, tritt sie häufig auf bei Pferden, die längere Zeit grosser Feuchtigkeit ausgesetzt waren. Sie führt zu schmerzhaften Läsionen an Rücken, Maul und Beinen, die trockene, schorfige Krusten bilden. Gehen die Bakterien auf den Menschen über, treten Hautveränderungen an den Händen und Armen auf. Behandelt wird notfalls mit Antibiotika. 

Man sollte nicht im Stall essen und sich vor und nach jedem Besuch beim Pferd die Hände gründlich waschen

Franziska Remy-Wohlfender
Pferdetierärztin

Dessen Einsatz sollte aber wohldosiert und überlegt sein, denn übermässiger Gebrauch von Antibiotika hat zu einem anderen Problem für Pferd und Mensch geführt: den multiresistenten Keimen. «Sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin registriert man seit Jahren eine Zunahme dieser multiresistenten Bakterien», sagt Franziska Remy-Wohlfender. Besonders heikel sind dabei der multiresistente Staphylokokkus aureus (MRSA) sowie Bakterien, deren Enzyme die Wirksamkeit von Antibiotika beeinträchtigen (ESBL), die vom Pferd auf den Menschen und umgekehrt übertragbar sind. Staphylokokken sind normale Hautbewohner, die in der Regel harmlos sind. «Sie können aber bei Menschen und Tieren mit einem schlecht funktionierenden Immunsystem Wund- und Hautinfektionen verursachen», erklärt die Pferdetierärztin Remy-Wohlfender. 

Normalerweise seien diese Erkrankungen mit Antibiotika gut behandelbar, sofern es sich nicht um resistente Keime handelt. Dann wird die Wundpflege um einiges aufwendiger, es drohen Heilungsstörungen und im schlimmsten Fall eine Blutvergiftung, die tödlich enden kann.

Corona hat Menschen sensibilisiert
Die Menschheit hat in den vergangenen zwei Jahren gelernt, mit welchen Massnahmen sich ein Virus eindämmen lässt. «Seit Corona sind die Leute in Bezug auf die Hygiene sensibilisierter», hat Remy-Wohlfender festgestellt. Ein gutes Hygiene-Management im heimischen Stall und auswärts, auf Lehrgängen oder Turnieren, gewährleistet einen guten Gesundheitsstatus des Pferdes und verringert krankmachende Erreger. 

Ansteckungen von Pferd zu Pferd oder von Pferd zu Mensch können so vermeiden werden. «Man sollte nicht im Stall essen und sich vor und nach jedem Besuch beim Pferd die Hände gründlich waschen», rät die Expertin. Im Umgang mit kranken oder verletzten Pferden, vor allem bei der Wundbehandlung, empfiehlt sie das Desinfizieren der Hände und das Tragen von Einweghandschuhen.