Verhalten
Spielknurren oder Warnknurren?
Knurrt der Hund, werden Herrchen und Frauchen erst mal unruhig. Doch nicht jedes Knurren hat mit Aggression zu tun. Die Bedeutung kann aus dem Kontext und der Dauer erschlossen werden.
Balu sitzt neben dem Stuhl und hat ihre Besitzerin fest im Blick. Plötzlich fängt die schwarze Labradordame an zu knurren. Zuerst leise, dann etwas lauter. Die Frau schaut ihre Hündin verwirrt an. Balu wedelt und legt ihrem Frauchen überschwänglich die Vorderpfoten auf den Schoss. So wie Balus Halterin ergeht es auch anderen Hundebesitzern. Sie werden von ihren Fellnasen liebevoll um Aufmerksamkeit haschend angeknurrt. Oder ihr Welpe beginnt beim ausgelassenen Spielen wie aus dem Nichts zu knurren.
Oft macht sich beim Hundehalter dann Unruhe breit. Doch in beiden Fällen kann der Besitzer erst mal gelassen reagieren. «Beim Spielknurren muss man prinzipiell keine Angst haben und es auch nicht unterbrechen», sagt Maya Bräm Dubé. Die Verhaltenstierärztin in der Region Basel und an den Tierspitälern Zürich und Bern beruhigt Hundehalter: Das sei Teil des Spiels, wie auch andere Elemente, die mit Rivalität oder Wettbewerb zu tun hätten, im Spiel vorkommen könnten.
«Bleib weg von mir!»
Trotzdem sollten sich Halter laut der Fachfrau bewusst sein, dass das Tier beim Spielen in einer erhöhten Erregungslage ist. Je nach Hund kann es zum Kippen in die Aggression kommen. Beim Aufmerksamkeitsknurren, wie im Falle Balus, sei der Kontext ausschlaggebend, sagt Bräm Dubé. «Theoretisch besteht bei gewissen Tieren die Gefahr, dass sie, wenn sie ignoriert werden, zu einem Anstupsen oder Zwicken übergehen, weil dies effizienter ist.» Einer solchen Situation gelte es zuvorzukommen.
In weiteren Situationen jedoch hat Knurren eine andere Absicht. Als Teil des normalen Kommunikationsverhaltens von Hunden habe Knurren «primär eine Warnfunktion, um einem anderen Individuum zu sagen, dass es auf Abstand bleiben soll», sagt Maya Bräm Dubé. Ein Hund könne knurren, wenn er sich bedroht, unsicher oder körperlich unwohl fühle, sich jemand nähere oder er Schmerzen habe. Ausserdem könnten Angst, dass ihm etwas weggenommen werde, oder Frustration Gründe sein. Entscheidende Faktoren, ob und wie häufig ein Hund knurrt, sind laut Bräm Dubé letztlich nicht nur der Kontext, sondern ebenso die Anwesenheit eines anderen Individuums, die Persönlichkeit des Hundes, seine Erfahrungswerte und Stresstoleranz. «Knurren ist oft Folge einer erhöhten Stresslage. Die Stresstoleranzschwelle ist individuell sehr unterschiedlich.» Genetische und gesundheitliche Faktoren hätten ebenfalls Einfluss.
Spielknurren dauert weniger lang
Spielknurren und aggressives Knurren lassen sich nicht nur am Kontext, sondern sogar an ihrem Ton unterscheiden. Studien zeigten zudem, dass aggressives Knurren insgesamt länger dauert als das spielbedingte Knurren – und auch die Abstände zwischen den einzelnen Knurrepisoden länger sind. Doch Aggressionsknurren sei nicht schlecht, sondern ebenfalls Teil des Normalverhaltens, sagt Bräm Dubé: «Als eine der Warnstufen vor einem eigentlichen Angriff dient es dazu, diesen möglichst zu vermeiden.»
Um die Motivation für das Knurren zu verstehen, beurteilt Dubé stets das Tier im Ganzen. Körperhaltung, Schwanz- und Ohrenposition gäben wichtige Hinweise auf die Absicht. Ob der Hund seine Zähne zeige oder die Haare aufstelle, seien weitere Anhaltspunkte. «Die meisten Hunde knurren nicht einfach so, sondern haben dafür einen für sie überzeugenden Grund», sagt die Verhaltenstierärztin. Am gefährlichsten sei ein aus Aggression knurrender Hund mit einem Besitzer, der das Gefahrenpotenzial des Tieres nicht erkenne oder Sicherheitsmassnahmen nicht einhalte.
Egal, warum der Hund knurrt: Abtrainieren, tolerieren oder strafen ist nicht der richtige Weg. Für Dubé ist die Verbesserung des Verständnisses und der gegenseitigen Kommunikation vorrangig: «Es ist sinnvoller herauszufinden, was ihn zum Knurren bewegt und es gar nicht so weit kommen zu lassen.»
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