Graubünden
Küken begeistern die Senioren
Im Seniorenzentrum Casa Falveng in Domat / Ems wurde der Frühling heuer mit einem speziellen Erlebnis eingeläutet: dem Schlupf von Seidenhuhn-Küken.
In den vergangenen fünf Jahren brachte der langjährige Geflügelzüchter Hermann Eggler aus Zizers GR jeweils ein paar Küken aus seiner Seidenhuhn-Zucht für einige Wochen ins vorbereitete, schön dekorierte, antike Hühnerheim. Judith Becker, die im Seniorenzentrum Casa Falveng in Domat / Ems GR für die Dekoration verantwortlich ist, hatte das wunderschöne Gehege auftreiben können und wollte es mit Leben füllen. Sie suchte deshalb einen Züchter.
Mit Hermann Eggler hat sie eine Person gefunden, die nicht nur viel Erfahrung in der Geflügelzucht mitbringt, sondern auch zu-sammen mit einem Züchterkollegen seit fast 30 Jahren das Projekt «Kunstbrut im Klassenzimmer» erfolgreich durchführt.
Als im vergangenen Frühling die Küken aus der Casa Falveng wieder zurück in die Zucht gebracht wurden, schlug Eggler vor, im kommenden Jahr das Projekt aus den Schulen ins Seniorenzentrum zu übertragen. In den vergangenen Jahren haben sich viele der 90 Bewohner und 160 Angestellten bereits an den munter heranwachsenden Federbällchen erfreut. Die Ausstattung zum Ausbrüten war vom Schulprojekt vorhanden und die langjährige Erfahrung hatte gezeigt, wie viel Freude das Beobachten beim Schlüpfen und die Hege von Küken Alt und Jung bereitet. Die Leiterin Aktivierung des Seniorenzentrums war begeistert. Seither plant sie für diesen Frühling das Projekt «Kunstbrut im Seniorenzentrum». Die Deko wurde mit den Bewohnern schon frühzeitig im Werken mit Gips angefertigt sowie bunte Hühner aus Blechdosen gebastelt. Und im Erzählcafé wa- ren Geschichten von Tieren und speziell von Hühnern aktuell.
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Neun Küken und ein Nachzügler
Als am 4. März der Brutapparat und die Eier geliefert wurden, versammelte sich schnell eine bunt gemischte Schar aus Bewohnern und Angestellten um den vorbereiteten Tisch. 22 Eier wurden sorgfältig in die Brut- maschine gelegt. Mit dem Start stieg die Temperatur auf die benötigten 37,5 Grad und die Luftfeuchtigkeit auf 45 Prozent. Alle Stunde erfolgte das automatische Wenden der Eier.
Für alle im Haus wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben: Wie viele Küken würden nach 21 Tagen aus den eingelegten 22 Eiern schlüpfen? Die Antworten waren sehr unterschiedlich. Von pessimistisch geschätzten fünf Küken bis zu einer 100-prozentigen Erfolgsquote war alles auf den aufgehängten Listen zu lesen. Die betagten Bewohner waren tendenziell eher optimistisch.
Der Standort des Brutapparats wurde bewusst sehr zentral bei der Cafeteria zwischen Haupteingang und Lift gewählt. So schauten viele Senioren spontan vorbei, um zu sehen, ob sich noch alles ruhig verhalte. Für viele von ihnen war das Ausbrüten im Inkubator etwas ganz Neues. Einige erinnerten sich noch an früher, als die Glucke mit ihren Eiern für die Brutzeit in den Estrich gebracht wurde – wohl zum Schutz vor Katzen und anderen Eierräubern. Sobald die Küken dann geschlüpft waren, wurden diese früher oft in die gute Stube gebracht. Da war es warm genug. Einige erinnerten sich noch an die herzigen Federknäuel, die sie dannzumal auch in den Händen halten durften.
Als es allmählich dem Schlupfdatum, dem 25. März, entgegenging, wurde das Kükenheim vorbereitet. Die Glasscheiben wurden gereinigt, Futter- und Wassertöpfchen bereitgestellt. Die Einstreu und die Wärmeplatte hatte Eggler schon vorbereitet. Letztere musste am Vortag des Schlupftermins nur noch an den Strom angeschlossen werden.
Als die Frühschicht der Putzequipe zur Pause am Brutapparat vorbeiging, begann das erste Ei, sich zu bewegen, und das erste Bibeli erblickte das Licht der Welt. Jetzt ging es rund um den Brutapparat zu und her wie in einem Ameisenhaufen. Das Hauswirtschaftsteam dokumentierte alles mit dem Handy. Einige Senioren liessen sich im Rollstuhl zum Geschehen bringen, andere machten nur einen kurzen Spaziergang ausser Haus, um ja nichts zu verpassen. Die frisch geschlüpften Bibeli lagen am Anfang noch nass und erschöpft im Inkubator. Viele Bewohner sorgten sich schon, ob es diesen auch gut gehe. Aber nach einiger Zeit hatten sich die Küken von den Strapazen erholt und hüpften bereits umher. Als sie dann vollständig trocken waren, konnte Eggler die frisch geschlüpften Seidenhuhn-Küken ins warme Kükenheim bringen.
Bis am Abend waren neun kleine Federbällchen aus den 22 Eiern geschlüpft. Der Brutapparat wurde noch über Nacht für etwaige Nachzügler belassen. Und tatsächlich: Am nächsten Morgen schaffte es auch noch Küken Nummer 10 aus der Eierschale. Aber das wars. Die anderen Eier blieben ganz und der Brutapparat wurde abgestellt.
Intime Momente geschaffen
Aus dem Wettbewerb gingen zwei Bewohner als Gewinner hervor. Beide hatten die Anzahl geschlüpfter Küken richtig geraten. Der eine war mächtig stolz und erklärte, er hätte es schon von Anfang an gewusst, schliesslich habe er in seiner Jugend auf verschiedenen Bauernhöfen bereits Kontakt zum Federvieh gehabt. Die beiden bekamen als Preis ein Schoggi-Huhn geschenkt, schliesslich stand das Osterfest schon vor der Türe.
Nach etwa drei Wochen in der Casa Falveng wurden die Küken wieder zu ihren Artgenossen in die Kleintieranlage von Hermann Eggler nach Igis GR gebracht. Die Bewohner haben einen Ausflug dorthin geplant, wo sie «ihre» Bibeli besuchen möchten.
Judith Becker zieht ein positives Fazit über das Projekt. Bereits in den letzten Jahren waren die Küken im Seniorenzentrum eine Bereicherung für den Alltag. Aber die Möglichkeit, beim Schlüpfen live dabei sein zu können, sei um einiges spannender gewesen. Die Senioren hätten eine noch innigere Bindung zu den Bibeli aufgebaut. Auch konnte die Betreuerin mit dem mobilen Kükenheim die Abteilungen besuchen und den einzelnen Bewohnerinnen und Bewohnern intime Momente mit den Winzlingen gewähren. Besonders in dieser schwierigen Zeit hätten die Bewohner die Abwechslung geschätzt und die Nähe und Wärme der kleinen Lebewesen genossen.
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