Das Mass macht’s
Einblick in die Schweizer Sportpony-Szene
Leichtfüssig und elegant wie ein Warmblutpferd, aber in Ponygrösse. Reitponys sollen Kindern den Einstieg in den Sport ermöglichen. In unseren Nachbarländern sind die Pferde im Kleinformat oft anzutreffen, doch wie steht es um die Schweizer Sportponyszene? Die erfolgreiche Ponyausbildnerin Melanie Miesch gibt einen Einblick.
Begonnen hat alles mit dem Edelbluthaflinger Aachquell. Melanie Miesch hatte, bis sie den hübschen Blondschopf kennenlernte, ausschliesslich Pferde unter dem Sattel. Und, da sie im Besitz der Fahrlizenz ist, auch an den Leinen. Von einem Bekannten wurde sie angefragt, den Hengst an der Messe Pferd Bodensee vorzustellen. Als so zierliche Reiterin würde sie sich doch perfekt dazu eignen.«Perfekt war unser Auftritt damals keineswegs, aber die Chemie stimmte», sagt Melanie Miesch.
Drei Jahre lang bildete sie den auf einem Auge blinden Edelbluthaflinger zum verlässlichen Dressur- und Fahrpony aus und reihte mit ihm Erfolg an Erfolg. Dies war der Startschuss für ihre Karriere im Ponysport. Fasziniert von den Deutschen Reitponys, erwarb sie bald den Ponyhengst FS Capelli de Niro. Wer sich heute in der Schweiz auf die Suche nach einem guten Dressurpony macht oder eine Ausbildnerin für Reitponys und Trainerin für Ponyreiterinnen sucht, kommt am Namen Melanie Miesch mittlerweile kaum mehr vorbei.
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Die Frohnatur mit dem leuchtend roten Pferdeschwanz hat sich den Reitponys, die wie etwas zu klein gewachsene Warmblutpferde daherkommen, verschrieben. Sie betreibt im freiburgischen Vallon einen Ausbildungs- und Verkaufsstall mit 15 Boxen. Diese sind meist voll belegt. Während der Winterpause trainiert Miesch die Fahrponys von Welt- und Schweizermeister Cédric Scherrer und weiteren Fahrsportlern unter dem Sattel.
Drei bis fünf Ponyhengste, die zum Decken zugelassen sind, stehen jeweils bei ihr im Stall. Und mit der Hengststation Ferienhof Stücker im deutschen Weeze arbeitet die junge Mutter eng zusammen. Oft holt sie Deutsche Reitponys zur Ausbildung zu sich nach Vallon, bevor sie an ihre neuen Besitzerinnen verkauft werden. Diese sind bisher nur selten in der Schweiz wohnhaft. Meist werden die Deutschen Reitponys noch zurück in ihr Herkunftsland verkauft. In der Schweiz mangelt es an jungen Dressurreiterinnen, die statt direkt auf ein Pferd auf ein sportliches Pony aufsteigen möchten.
Sportpferd im Kleinformat
In Deutschland ist die Ponysportszene ungleich grösser. Grund dafür ist, dass Mitte der 1960er-Jahre dort der Grundstein für die Zucht einer neuen Ponyrasse gelegt wurde. Diese sollte die Qualität und Eleganz eines Reitpferdes mit dem Charakter und der Grösse eines Ponys verbinden. Im Zeitraum von zehn Jahren entwickelte sich aus der Kreuzung von britischen Welsh-Ponys mit Arabern, Anglo-Arabern oder englischen Vollblütern das Deutsche Reitpony. Dieses Sportpferd im Kleinen mit dem feinen Kopf, den grossen, lebhaften Augen und kleinen Ohren eines Ponys hat ein Stockmass von 138 bis 148 Zentimetern.
Charakterlich soll das Deutsche Reitpony unkompliziert und gleichzeitig einsatzfreudig sein. Also ein verlässliches Pony, das gut von Kindern geritten werden kann. «Denn bei den ganggewaltigen Grosspferden sind die jungen Reiterinnen oft nur Beifahrer, die nicht richtig zum Reiten kommen», sagt Melanie Miesch. Nicht nur die Grösse ist bei den Reitponys an die Kinder angepasst, auch ihr Temperament. Klar gäbe es auch heissblütige Exemplare, aber die meisten Reitponys verzeihen ihren Reitern Fehler, ohne nervig zu reagieren. 2021 waren in Deutschland knapp 6500 Reitponystuten und -hengste eingetragen.
Schweizer Ponysport quo vadis?
In der Schweiz waren im selben Jahr lediglich 1323 aktive Sportponys registriert, gibt der Schweizerische Verband für Pferdesport SVPS Auskunft. In Sachen Popularität der Reitponys und im Angebot an spezifischen Ponywettbewerben seien wir nicht mit Zuchtländern wie Frankreich, Deutschland und Holland vergleichbar. Im Springparcours sind hierzulande nun deutlich mehr Reitponys unterwegs als auf dem Dressurviereck.
Vor allem in der Westschweiz gibt es oft spezielle Springprüfungen für Ponys. Im nächsten Jahr stammen auch alle fünf Mitglieder des Nationalkaders der Pony-Springreiterinnen und -reiter aus der Westschweiz. Poney Sport Romand versucht, vermehrt Prüfungen in der Deutschschweiz zu organisieren. Nur leider sei die Nachfrage noch nicht gross. Unter dem Sattel haben die kleinen Springreiterinnen meist Selle-Français-Reitponys. Also die kleingezüchteten Verwandten des französischen Sportpferdes.
In der Dressur sieht die Situation anders aus. Ponyreiterinnen starten hier nicht in separaten Prüfungen, sondern gemeinsam mit den Grosspferden. Als sie begonnen hätte, Deutsche Reitponys in der Schweiz an Dressurprüfungen vorzustellen, seien die Richter erst skeptisch gewesen und sie hätte gegen so einige Vorurteile anreiten müssen, sagt Melanie Miesch. Doch mittlerweile erhalte sie mit ihren Kleinen gerechte Bewertungen und könne gut in einem Pferdefeld mithalten. Nicht selten schwingt Melanie Miesch mit ihren sportlichen Ponys auch in schweren Klassen oben auf.
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Reiterinnen gesucht
Noch nicht in den hohen Klassen anzutreffen, aber auf dem stetigen Weg nach oben ist die 15-jährige Léanne de Weck. Mit dem Fuchswallach FS Mr. Magic und dem Palomino Golden Darling, beides Deutsche Reitponys, gehört sie zum Regionalkader Pony Dressur. Léanne wird von Melanie Miesch trainiert. Sie unterstützt die junge Reiterin auch, indem sie ihre Ponys nachreitet und sie auf Turniere begleitet.
«Solche jungen Ponyreiterinnen wie Léanne würde ich mir mehr wünschen, denn die Ponys sind vorhanden», sagt Melanie Miesch. Léanne wird auch von ihrer Mutter gefördert, die im Berner Oberland einen Ponyhof betreibt. Ohne den Support der Eltern, auch in finanzieller Hinsicht, wird es schwierig, im Ponysport erfolgreich zu sein. Für ein gut ausgebildetes und qualitätsvolles Deutsches Reitpony müssen gut und gerne 50 000 bis 100 000 Franken auf den Tisch geblättert werden.
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Was genau macht ein Toppony aus? Melanie Miesch muss nicht lange überlegen. Körperbau, Charakter und eine solide Ausbildung würden den Ausschlag geben. All diese Faktoren müssen zusammenkommen, das macht die kleinen Pferde so teuer. Zur Grundqualität eines Ponys gehören ein harmonisches Gebäude, bei dem die Proportionen stimmen, eine schöne Halsung, raumgreifende und leichtfüssige Gänge sowie eine solide Ausbildung, bei der dem Pony genügend Zeit gelassen und kein Druck aufgesetzt wurde. Natürlich gibt die Grösse Ausschlag darüber, ob wir ein Pony oder bereits ein Pferd vor uns stehen haben.
Um an internationalen Turnieren an den Start zu gehen, müssen die Ponys über ein Grössenzertifikat verfügen, das an einem offiziellen Messtermin erstellt wurde. In der Schweiz führt die Fédération Équestre Internationale (FEI) jeweils in Avenches VD Messtermine durch. Die Ponys dürfen ohne Eisen maximal 148 Zentimeter (bis 148,9) gross sein, mit Eisen 149 Zentimeter (bis 149,9). Kommen bei Ponys, die nur knapp im Mass sind, auch manchmal Schummeleien vor? Dem wird mit strikten Bestimmungen entgegengehalten, so der SVPS. Etwa, indem der Boden am Messort absolut plan eingegossen ist.
Zudem kontrollieren die FEI-Tierärzte auch den Gesundheitszustand der Ponys. Diese dürfen keine Veränderungen an ihrem Widerrist sowie nicht zu kurz ausgeschnittene Hufe aufweisen und müssen korrekt beschlagen sein. Im Verdachtsfall werden weitere Untersuchungen, wie etwa Röntgenbilder, angeordnet. In Avenches wurden in den letzten Jahren 84 Ponys gemessen, nur eines hat dabei das erforderliche Mass überschritten.
Mit Aachquell ist Melanie Miesch zum Ponysport gekommen und hier fühlt sie sich sehr wohl. «Ponys zureiten, geht einfach ringer, wegen ihrer Grösse und des angenehmen Charakters. Auch das ganze Handling etwa Putzen und Führen fällt mir als zierliche Frau mit den Ponys viel leichter als mit den Grosspferden», sagt die Profireiterin. Sie ist nicht die einzige Erwachsene, die von den kleinformatigen Pferden begeistert ist. Viele Kaufanfragen erhalte sie von Frauen, die sich für ein kleines und verlässliches Pferd interessieren.
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