Pferde kämpfen mit Vorurteilen
Wie ticken Stuten, Hengste und Wallache
Geschlechterspezifische Vorurteile gibt es auch gegenüber Pferden. Diese vorgefassten Meinungen beeinflussen die Mensch-Ross-Beziehung. Doch wie ticken Stuten, Hengste und Wallache wirklich? Und welches Pferd passt zu welchem Reiter?
Pauschalurteile gegenüber geschlechtsspezifischen Eigenschaften halten sich selbst in unserer modernen Gesellschaft hartnäckig. Und dieses Phänomen macht vor dem Pferdestall nicht halt. Quietscht ein Vierbeiner seine Artgenossen an, ist die vermeintlich zickige Stute schnell identifiziert, ebenso der Hengst, wenn er mit gewölbtem Hals über den Platz stolziert. Den Wallachen wird dagegen nachgesagt, sie seien ausgeglichen und willig, dafür mangelt es ihnen an Ausdruckskraft.
Dass die Zuordnung bestimmter Eigenschaften in den Köpfen der Pferdesportler zementiert ist, bestätigt eine Online-Umfrage australischer und britischer Wissenschaftler, an der sich 1233 Personen beteiligten. Ein Teil der Befragung bestand darin, das Wesen von Stuten, Wallachen und Hengsten zu beschreiben. Die Wallache kamen am besten weg: Sie wurden als ruhig, gut trainierbar und zuverlässig bezeichnet.
Bei Stuten waren die Ergebnisse weniger eindeutig. Zwar bezeichneten drei Viertel der Befragten die weiblichen Pferde als herrisch und dominant, der Grossteil erachtet sie aber auch als sicher, willig und positiv eingestellt. Am widersprüchlichsten waren die Aussagen zu den Hengsten. Über 80 Prozent bezeichneten sie als dominant und schwierig, aber 95 Prozent halten sie für gut trainierbar.
Das Imponiergehabe der Hengste
Die Forscher schlossen aus den Umfrage-Ergebnissen, dass die Mensch-Pferd-Beziehung mit vorgefassten Meinungen über geschlechtsspezifische Eigenschaften belastet ist. Dies könne «tief greifende Konsequenzen für das Training und das Wohlbefinden haben. Denn werden Pferde als schwierig, gefährlich und dominant angesehen, werden sie anders behandelt als Pferde, die als ruhig, zuverlässig und gelassen gelten.»
Pauschalisierungen sind deshalb fehl am Platz. Jedes Pferd ist ein Individuum und sein Charakter, sein Temperament und sein Verhalten nicht nur von seinem Geschlecht abhängig, sondern von der Summe seiner Erfahrungen. Trotzdem gibt es Unterschiede zwischen Stuten, Wallachen und Hengsten – sowohl im Verhalten als auch rein optisch.
Hengste sind muskulöser als andere Pferde. Sie haben eine breitere Brust, eine auffallend ausgeprägte Halsung und stärkere Unterkieferknochen. Meistens sind Hengste auch grösser als Stuten der gleichen Rasse. Das Hormon Testosteron steuert den Sexualtrieb des Hengstes und unterstützt sein dominantes, manchmal aggressives Verhalten – und es hat sogar einen Einfluss auf das Haarwachstum. Das Fell der meisten Hengste glänzt stark, und sie haben oft schön dichtes, wallendes Langhaar.
Viele Hengste zeigen Imponiergehabe und sind selbstbewusste, starke und mutige Persönlichkeiten. Diese Ausdruckskraft wird vom Menschen gerne genutzt, um andere zu beeindrucken, zum Beispiel in der Dressur, wo Hengste weit verbreitet sind, oder bei Shows. Die Spanische Hofreitschule in Wien arbeitet seit jeher nur mit Hengsten, ebenso die königliche andalusische Hofreitschule oder das Cadre Noir in Saumur.
In vielen Stuten steckt eine Diva
Körperliche Stärke und Verhalten der Hengste sind angelegt für die Rolle, die ihnen die Natur in freier Wildbahn zugedacht hat: Sie passen auf ihre Herde auf und beschützen die Fohlen und Stuten vor Angreifern und konkurrierenden Hengsten. Der stolze, feurige, wilde Hengst ist der Held vieler Jugendromane, und manches Mädchen träumt davon, selbst einen zu besitzen. Doch in modernen Reitstallbetrieben erfordert die Haltung von Reithengsten Fachkenntnis und Fingerspitzengefühl. Das Gleiche gilt für den Umgang und das Reiten von Hengsten. Sie spüren schnell, wenn der Mensch unerfahren, ängstlich und unsicher ist. Es ist nicht Ungehorsam, sondern sein Naturell, das ihn dann die Führungsrolle übernehmen lässt.
Soll ein Hengst nicht nur in der Zucht eingesetzt werden, sondern auch Sport- oder Freizeitpartner werden, muss er durch konsequente Erziehung schon im Fohlenalter lernen, respekt- und vertrauensvoll auf den Menschen zu achten. So wie sich die Herdenstruktur stetig ändert, versuchen die meisten Reithengste, den Rang des Menschen immer wieder infrage zu stellen. Meist nicht durch offene Kampfansagen, sondern subtil aber beständig, bis ihm Einhalt geboten wird. Obwohl man von lammfrommen Hengsten hört, die von Kindern geritten werden, gehört die grosse Mehrheit nur in die Hände von versierten Reiterinnen und Reitern.
Stuten haben einen feingliederigeren Körperbau als Hengste. Wobei die Ausprägung der Merkmale stark rassenabhängig ist. So kann eine sportliche Warmblutstute durchaus grösser und breiter sein als ein graziler Araberhengst. In der Regel ist der Kopf der Stute feiner und der Gesichtsausdruck weiblich geprägt. Ihr Hals ist schlanker, die Brust schmaler, die Kruppe oft kantiger.
Stuten erbringen in sämtlichen Pferdesportdisziplinen Höchstleistungen und siegen gegen ihre männlichen Kontrahenten. Bei der letzten Weltmeisterschaft hat die Deutsche Simone Blum die Einzelwertung der Springreiter auf ihrer Fuchsstute Alice gewonnen. Dass Stuten nicht immer gleich leistungsbereit sind wie ihre männlichen Artgenossen liegt zum einen an ihrem Naturell, zum anderen an den Hormonen. Zyklusbedingt zeigten viele Stuten Schwankungen in ihrem Verhalten: Während der Rosse, also Paarungsbereitschaft, sind sie oft launisch, schnell abgelenkt, empfindlich und weniger rittig. Dass in vielen Stuten eine kleine Diva steckt mit starkem Charakter und eigenem Kopf, zeigt sich in der täglichen Arbeit, wo sie sich schon einmal bitten lassen, sollte eine Aufgabe für sie keinen Sinn ergeben.
Ranghohe Stuten neigen dazu, die Führung an sich zu reissen, und brauchen einen entschlossenen Reiter. Doch wer eine Stute zwingen will, zieht meist den Kürzeren – sie verlangen nach Fairness und liebevoller Konsequenz. Auf eine sensible Stute einlassen sollten sich nur Reiterinnen und Reiter, die genügend Einfühlungsvermögen und Verständnis für gelegentliche Stimmungsschwankungen mitbringen.
Der Wallach – ein Mittelding?
Das dritte Geschlecht, der Wallach, war einmal ein Hengst. Durch die Kastration versiegt seine Testosteron-Quelle und das Pferd verändert sich in Verhalten, Aussehen und Entwicklung. Wie sehr, hängt vom Zeitpunkt des Eingriffs ab. Erfolgt er vor dem Alter von zwei Jahren, wachsen Wallache länger und werden in der Regel grösser als Stuten und Hengste. Auch ihre Muskulatur ist dann schlanker als die von Hengsten. Werden Hengste erst spät kastriert, behält das Tier sein «hengstiges» Aussehen und oft auch das erlernte Verhalten. Je früher ein Hengst kastriert wird, desto besser lässt er sich in eine gemischte Herde oder Gruppe integrieren.
In der Erziehung und Ausbildung sind Wallache in der Regel unkomplizierter als Hengste, weil sie den Rang des Menschen nicht dauernd infrage stellen, dafür sind sie weniger aufmerksam und sensibel als Stuten. Weil ihnen nicht ständig die Hormone in die Quere kommen, gelten Wallache als ausgeglichener, friedfertiger und gelassener. Auch untereinander sind Wallache meistens nett, sie spielen gerne, streiten sich aber deutlich weniger als Stuten. Diese Beständigkeit macht sie beliebt bei Sport- und Freizeitreitern, die sich einen etwas weniger spektakulären, aber dafür unkomplizierten vierbeinigen Partner an ihrer Seite wünschen.
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