Panorama
Der kleine Igel Madagaskars
Mehr als 80 Prozent der Tier- und Pflanzenarten auf Madagaskar sind endemisch, das heisst, es gibt sie nur dort. Viele von ihnen sind jedoch bedroht. Wenn die Abholzung so rasch voranschreitet wie bisher, wird auch der Lebensraum der Tenreks knapp. Doch wer sind die Igel Madagaskars, die mit ihrer Punkfrisur Fressfeinde abschrecken?
Der eindringliche Appell am Ende der TV-Reportage «Unbekanntes Madagaskar – Im Dschungel der Lemuren», die «Arte» zu Ostern zeigte, war nicht zu übersehen und überhören: Schreitet die Abholzung der Wälder Madagaskars in dem Masse voran wie bis jetzt, werden bald zahlreiche Arten ausgestorben sein. 80 Prozent der Pflanzen und Tiere sind auf dem Inselstaat, der vor der Ostküste Mosambiks im Indischen Ozean liegt, endemisch. Das heisst, sie kommen nur dort vor.
Ursprünglich war die Insel bewaldet
War Madagaskar vor dem Eintreffen der ersten Siedler im 7. Jahrhundert vermutlich fast komplett bewaldet, werden seither Bäume gefällt und damit die Rückzugsgebiete der Tiere laufend verkleinert. Nur noch kleine unberührte Wälder sind übrig. Welche Arten dadurch ihren Lebensraum verlieren, zeigte der Zweiteiler «Unbekanntes Madagaskar – Im Dschungel der Lemuren» auf eindrückliche Art und Weise.
Die Insel gilt nicht nur als das Reich der Lemuren, etwa der Indri, deren grössten Vertreter. Sie ist auch die Heimat allerlei skurriler Tiere: dem Fingertier, dem kleinsten Chamäleon der Erde, das auf einer Streichholzschachtel Platz findet – und den Tenreks.
Dieser Säugetiergattung aus der Unterfamilie der Igeltenreks (Tenrecinae) werden zwei Arten zugerechnet: der Eigentliche Streifentenrek (Hemicentetes semispinosus) und der Schwarzkopftenrek (Hemicentetes nigriceps).
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Diese kleinen Tiere, die durchschnittlich 14 Zentimeter gross werden, waren besondere Hingucker in der «Arte»-Reportage. Das liegt vor allem an ihrem auffälligen Stachelkleid, dank dem ihnen in Beschreibungen gerne eine «Punkfrisur» attestiert wird. Andere wiederum bezeichnen sie als «die Kratzbürsten des Regenwaldes». Auch dieses Bild hat seine Berechtigung. Tatsächlich stehen ihre Stacheln und Borsten auf Kopf und Rücken in alle Himmelsrichtungen ab, während sie im Nacken besonders lange wachsen: Bis zu drei Zentimetern lange können sie dort werden.
Der Trick mit der Punkfrisur
Eine regelrechte Halskrause aus Stacheln mit Widerhaken hat sich ausgebildet. Sie hat eine überlebenswichtige Funktion: Bei Gefahr stellen die Tenreks diese Stacheln auf. Und da ist sie wieder, die zur Schau getragene «Punkfrisur». Sie kann Fressfeinde abschrecken.
Allerdings lassen sich nicht alle davon beeindrucken. Die Fossa (Cryptoprocta ferox), eine auf Madagaskar endemische Raubtierart, sowie die Ringelschwanzmungos (Galidia elegans) fürchten sich vor dieser Tarnung nicht. Im Ernstfall bleibt den Tenreks nur die Flucht nach vorne: Sie stürzen sich auf ihre Gegner und bohren ihnen ihre Stacheln in die Haut. Eine effektive und schmerzhafte Methode, was an den Widerhaken liegt, mit welchen ihre Spiesse ausgerüstet sind. Mit dieser Technik lassen sich auch Giftschlangen abwehren.
Kommunikation durch Borsten
Das Stachelkleid der Tenreks hat neben Schutz und Abwehr aber auch noch eine andere spezielle Funktion: Es kann zur Kommunikation eingesetzt werden. Verläuft sich etwa eines der bis zu elf Kleinen, die pro Wurf blind und taub auf die Welt kommen, erzeugt die Mutter mit ihren Stacheln Kratzgeräusche. Sie entstehen durch die Kontraktion verschiedene Muskelbereiche. Dadurch rotieren die Borsten im Uhrzeiger- oder Gegenuhrzeigersinn und reiben aneinander, was zu den Geräuschen führt.
Das Rasseln ist im Umkreis von mehr als zehn Metern zu hören und weist dem Jungtier den Weg zurück zum Bau. Auf dem Weg verrät es seinerseits seinen Standort mit akustischen Signalen. Diese Kommunikationstechnik erlaubt es der Mutter, bei ihren Jungen zu bleiben, gleichzeitig aber Kontakt zum Abtrünnigen herzustellen.
Unterschiedliches Familienleben
Je nach Art leben Tenreks in verschiedenen Konstellationen zusammen: Beim Schwarzkopftenrek verlässt das Vatertier das Tunnelsystem. Es ist nicht in die Aufzucht des Nachwuchses involviert – und seine Gegenwart ist von den weiblichen Tieren auch nicht erwünscht. Toleranter sind da die Eigentlichen Streifentenreks: Bei ihnen zieht sich das Muttertier einfach in eine entferntere Ecke des Tunnelsystems zurück, die ganze Familiengruppe bleibt zusammen. Sogar andere Männchen werden geduldet.
Der «Jöö»-Faktor ist gross, wenn die Kleinen nach spätestens zehn Tagen zum ersten Mal den Bau verlassen. Noch unbeholfen tapsen sie durch die Gegend, lernen aber sehr schnell, ihre eigene – wenig abwechslungsreiche – Nahrung zu fangen. Sie besteht vor allem aus Regenwürmern und anderen wirbellosen Tieren. Ab und zu stehen auch Insektenlarven auf dem Speiseplan.
Geruchssinn und einfache Echo-Ortung
Bei der Orientierung hilft den Tieren ihr ausgeprägter Geruchssinn. Gleichzeitig sind sie im Besitz einer einfachen Art der Echo-Ortung, die ihnen das Graben von Tunnelsystemen ermöglicht. In diese ziehen sich die Tenreks, die mehrheitlich am Boden leben – obwohl sie klettern und schwimmen können –, immer wieder zurück. Schwarzkopftenreks sind ausschliesslich nachtaktiv, der Eigentliche Streifentenrek hingegen ist auch am Tage unterwegs. Das vor allem im Sommer sowie während der Regenzeit auf Madagaskar.
Im Winter und der damit einhergehenden Trockenzeit hingegen fallen die Tiere aufgrund ihrer schwankenden Körpertemperatur in einen inaktiven Starrezustand, Torpor genannt. Dabei sinken die Intensität des Stoffwechsels und damit die Körpertemperatur stark.
Eine mystische Welt sei das, schreibt Thomas Behrend, Regisseur der Doku «Unbekanntes Madagaskar – Im Dschungel der Lemuren» mit Blick auf Lebewesen wie die Tenreks, die er beobachtet und gefilmt hat. «Eine Welt allerdings, die es vielleicht schon in wenigen Jahren nicht mehr geben wird.»
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