«Manche Tierarten sind schützenswert, weil sie wichtige Funktionen in ihrem Ökosystem innehaben, andere sind wichtig, weil sie der Wissenschaft bei der Entwicklung von Medikamenten oder neuen technologischen Errungenschaften von Nutzen sein könnten», sagt Umweltwissenschaftler Steven Beissinger von der Universität von Kalifornien in Berkeley. «Wir wissen nicht, ob der Teufelskärpfling eine solche Rolle einnimmt. Vermutlich nicht», gibt er zu, nur, um fortzufahren: «Wir wissen nur, dass dieser Fisch, genau wie alle anderen Tierarten, ein Recht zu existieren hat, unabhängig von seinem Nutzen für den Menschen.»

Ungewohnte Worte für einen Wissenschaftler, die Beissinger hier anschlägt, schliesslich wird heute fast jede Forschungsmeldung mit einem Grund versehen, der dem Menschen auf lange Frist irgendwie dienen soll. Dabei geht es um Forschungsgelder, die viel einfacher zu rechtfertigen sind, wenn durch eine Studie möglicherweise ein Durchbruch in der Medizin erreicht werden kann. 

Temperaturen am Limit
Beissinger scheint es ernst zu meinen mit dem Teufelskärpfling. Mit Recht, denn der kleine Fisch ist möglicherweise der seltenste der Welt. Weniger als hundert von ihnen leben laut Schätzungen noch in freier Wildbahn, und das in einem winzigen Lebensraum. Die Kärpflinge teilen sich ein 3 mal 20 Meter grosses Kalksteinbecken im sogenannten «Teufelsloch» – daher auch der Name der Fische – in der Mojave-Wüste im amerikanischen Nevada.

Die Bedingungen dort sind alles andere als Komfortabel für die Tiere. 33 Grad Celsius Wassertemperatur herrschen dort im Jahresschnitt, oberste Toleranzgrenze für die meisten Fische. Nur: Es scheint noch wärmer zu werden. Der Klimawandel treibt die Temperaturen laut Beissinger und seinen Forscherkollegen nach oben und beeinflusst die Fische negativ; genau gesagt, hindern höhere Temperaturen die Fischeier daran, auszuschlüpfen.

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 In diesem Becken – und nur dort – lebt der Teufelskärpfling.
 Bild:  John Wullschleger, National Park Service

Sogar die Nachzucht ist heikel
Das Szenario, das sich die Forscher für den Teufelskärpfling ausgemalt haben, sieht alles andere als rosig aus. Ohne menschliches Zutun stehen die Chancen für den Fisch, die nächsten 20 Jahre zu überleben, bei rund 70 Prozent. Und je länger, desto kleiner werden die Prozentzahlen. Er sei sogar so gefährdet, dass sich die Wissenschaftler nicht nur überlegen müssen, ob man dem Teufelskärpfling helfen soll, sondern sogar, wie.

Entnähme man nämlich jedes Jahr sechs erwachsene Fische aus ihrem Lebensraum, um sie in menschlicher Obhut weiterzuzüchten, würde das Risiko massiv steigen, dass er in seinem natürlichen Habitat ausstirbt, schreiben die Forscher in ihrer Studie. Also sollten nicht die erwachsenen Tiere nachgezüchtet werden, sondern die Eier ausgebrütet. Und zwar im Frühling, wenn die Population im Teufelsloch am grössten ist, nicht im Herbst.

So viele «Wenns» und «Abers» verdeutlichen die prekäre Lage, in der sich die kleinen Teufelskärpflinge befinden, die sich schon vor 50'000 Jahren in die Wüstenhöhle verirrt haben und sich seither durch Anpassung und Zähigkeit am Leben gehalten haben. 

Vorgehen à la Kondor
Der Notfallplan der Forscher steht jedenfalls nun. Wenn die Population in der Wüstenhöhle definitiv auszusterben droht, werden sie eine Massnahme ergreifen, die sich «California Condor Moment» nennt. Das heisst, sie wollen sämtliche Individuen aus ihrem natürlichen Lebensraum entfernen und sie in Gefangenschaft weiterzüchten.

Dieses kontroverse Vorgehen hat seinen Namen aus dem Jahr 1986, als Wissenschaftler den höchst bedrohten Kalifornischen Kondor eingefangen haben und seinen Bestand in einer Erhaltungszucht aufgepäppelt. von 1987 bis 1992 war er somit in freier Wildbahn ausgestorben. Anschliessend wurde er nach und nach wieder ausgewildert, so, dass heute wieder über 200 Tiere in Freiheit leben.

Originalpublikation:
Beissinger SR. (2014) Digging the pupfish out of its hole: risk analyses to guide harvest of Devils Hole pupfish for captive breeding. PeerJ 2:e549 
http://dx.doi.org/10.7717/peerj.549