Stinkvogel oder Schopfhuhn nennt die deutsche Sprache den Hoatzin (Opisthocomus hoazin), den es heute nur noch in Teilen Südamerikas gibt. Seine Verwandtschaftsverhältnisse unter den Vögeln sind ebenso ungeklärt, wie seine Evolutionsgeschichte. Bis vor kurzem galt Südamerika als Ursprungsort dieser Vögel. Dann wurden jedoch Fossilien aus Afrika beschrieben, und neue Funde aus Afrika und Europa belegen nun endgültig, dass Hoatzine aus der Alten Welt nach Südamerika gelangten. Das Forscherteam um Gerald Mayr vom Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt haben gleich zwei neue Studien über den Hoatzin veröffentlicht. Eine im Fachjournal «Naturwissenschaften» und die andere in «The Auk», der Quartalsschrift der Amerikanischen Ornithologen-Union.

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 Das Verbreitungsgebiet des Hoatzins.
 Bild: Wikimedia Commons

Die bisher ältesten dem Hoatzin zugeordneten Fossilien wurden schon vor über 100 Jahren gefunden. Sie stammen aus der Nähe von Paris. Erst jetzt wiesen Paläoornithologen nach, dass es sich dabei eindeutig um Vorfahren des Hoatzins handelt. Die Fossilien gehören zu einer bisher unbekannten Art und belegen, dass im späten Eozän, also vor etwa 34 Millionen Jahren, Hoatzine auch in Europa gelebt haben.

«Das stützt die Theorie, dass Hoatzine in der Alten Welt entstanden sind», sagt Gerald Mayr. Nach Ansicht von Vanesa De Pietri von der Flinders-Universität in Australien handelt es sich «um ein weiteres eindrucksvolles Beispiel dafür, dass die südamerikanische Vogelfauna zahlreiche Reliktformen enthält, die einst weiter verbreitet waren».

 

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 Hoatzine können wegen ihrer schwachen Flugmuskulatur nur kurz fliegen.
 Bild: Warren H/wikimedia.org

Schlechte Flieger
Bemerkenswerterweise scheinen Hoatzine in Europa deutlich früher ausgestorben zu sein als in Afrika. Die jüngsten Funde aus Europa stammen aus dem Miozän (vor 15 Millionen Jahren) und sind daher gerade einmal halb so alt wie diejenigen aus Afrika. Möglicherweise hängt das Verschwinden dieser Vögel mit einer markanten Faunenverschiebung zusammen.

Kurz nach der Periode, aus welcher die europäischen Hoatzin-Fossilien stammen, wanderten bei dieser sogenannten «Grande Coupure» zahlreiche neue Tierarten aus Asien nach Europa ein. Darunter waren baumlebende Raubsäuger, welche den Nestlingen der in offenen Nestern brütenden Hoatzine zum Verhängnis geworden sein könnten. Da Hoatzine nur kurze Strecken fliegen können, sind auch die ausgewachsenen Vögel für manchen Beutegreifer leicht zu fassen. In Afrika sind ähnliche baumbewohnende Raubsäuger dagegen erst später, zu Beginn des Miozäns, nachgewiesen worden.

Hoatzine verdauen ihre Nahrung wie Kühe
Der heute lebende Hoatzin weist eine besondere Art der Verdauung auf. Mit einem ungewöhnlich großen Kropf verdauen die Pflanzenfresser ihre Nahrung vor, bevor sie in Magen und Darm weiter aufgeschlossen wird. Das funktioniert, ähnlich wie im Pansen einer Kuh, mit Hilfe einer eigenen Bakterienfauna, welche die pflanzliche Zellulose verdaut. Ein Verdauungstrick, den sonst kein Vogel entwickelt hat. Skelettmerkmale zeigen, dass schon die fossilen Hoatzine in der Alten Welt besonders viel Platz für ihren großen Kropf brauchten.

Eine weitere Besonderheit des Hoatzins sind Krallen an den Flügeln der Küken, mit deren Hilfe der Nachwuchs im Geäst klettern kann.

Publikationen:

  • De Pietri, Vanesa L., Mayr, Gerald (2014) Earliest and first Northern Hemispheric hoatzin fossils substantiate Old World origin of “Neotropic endemic”, Naturwissenschaften, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
    doi:10.1007/s00114-014-1144-8
  • Mayr, Gerald (2014) A hoatzin fossil from the middle Miocene of Kenya documents the past occurrence of modern-type Opisthocomiformes in Africa. Auk 131: 55-60.
    doi: 10.1642/AUK-13-134.1