Reptilienleder
Für unseren Luxus bezahlen Tiere den Höchstpreis
Ob Kroko-, Waran- oder Schlangenleder: Produkte aus Exotenhaut sind Statusobjekte – vor allem in der Schweiz. Dabei ist der Handel ebenso fragwürdig wie die Handhabe der lebenden Rohstoffe.
Stockdunkle Betonbunker, mit Fäkalien verdrecktes Wasser und ein brechreizerregender Gestank. Mitten drin Alligatoren. Gezwängt und eingeschlossen auf wenige Quadratmeter, übersät mit offenen Wunden und nur auf ihren Tod wartend. Weltweit fristen Millionen Krokodile, die zur Ledergewinnung gehalten werden, so ihr Leben. Und einer der Hauptnutzniesser ist die Schweiz.
«Bezüglich Tierwohl gibt es keinerlei international verbindliche Verpflichtungen», sagt Sara Wehrli vom Schweizer Tierschutz STS. «In vielen der Reptilleder-Herkunftsländer herrscht ausserdem Korruption – da ist die Durchsetzung von Tierwohl-Standards ein Ding der Unmöglichkeit.» Dennoch gelangen Schlangen-, Echsen- und Krokodilleder aus vielen Ländern Amerikas, Asiens und Afrikas weiterhin massenhaft in die Schweiz, um exklusive Taschen, Schuhe und vor allem Uhrenarmbänder an den Mann beziehungsweise die Frau zu bringen. Und sie sind beliebt, haben sie doch dieses exotische Schuppenmuster – ein Must-have in gewissen Kreisen.
Millionengeschäft in der Schweiz
So importiert die Schweiz jedes Jahr allein circa eine Million Uhrenarmbänder aus Ledern artgeschützter Reptilien. Hinzu kommt die Einfuhr ganzer Häute, aus denen Armbänder hergestellt oder die weiter exportiert werden. Schliesslich ist die Schweiz neben Singapur der grösste internationale Umschlagplatz für Reptilienleder.
Laut Statistik der Jahre 2013 und 2014 stammen die meisten global gehandelten Häute von Krokodilen. Der Spitzenreiter bei den hiesigen Importen ist der Mississippi-Alligator mit knapp 1,5 Millionen Armbändern, Gürteln, Möbelbezügen oder ganzen Häuten. Wobei aus einer Haut rund acht Uhrenarmbänder produziert werden. Für einen Luxusbeutel müssen bis zu drei Krokodile dran glauben. Ebenfalls hoch im Kurs steht hierzulande das Leder der Warane mit über 900 000 fertigen Produkten und Häuten. Beim Schlangenleder liegt der Tigerpython mit 350 000 Importen vorne, gefolgt vom Netzpython mit knapp 76 000. Ihre Leder sind besonders für Schuhe und Taschen gefragt, wobei Letztere bis zu 15 000 Franken kosten. So kamen in diesen zwei Jahren insgesamt fast 3 Millionen Produkte aus Reptilienleder ins Land.
Warane verbeissen sich ineinander
Die Tiere stammen von Zuchtfarmen oder werden in freier Wildbahn gefangen. Laut dem STS sind viele der vermeintlichen Schlangenfarmen in Südostasien und Afrika blosse Zwischenlager für wild gefangene Tiere, ohne dass sie selbst züchten. Der Grund: Eine Zucht rentiert nicht. Die besten Pythonleder stammen von Schlangen, die über zehn Jahre alt sind. Doch egal ob Farm oder Zwischenlager – die Haltungsbedingungen sind häufig fragwürdig.
Den Wildtieren ergeht es auch nicht besser. Der STS gibt einen Einblick in die Jagd in Indonesien: «Nach dem Fang mit Schlingen und Stöcken werden die Warane und Schlangen lebend in Plastiksäcke gesteckt und tagelang zu den Schlachthäusern transportiert.» Dort würden sie am Hals oder Schwanz hochgehoben, die Säcke achtlos gestapelt oder zu Boden geworfen, so der STS. Den Waranen würden die Beine auf dem Rücken zusammengefesselt, damit sie sich gegenseitig nicht die Haut verletzen. Dennoch verbeissen sich die einzelgängerischen Tiere während des Massentransports oft ineinander. «Während sie am Boden liegen, treten die Arbeiter auf sie ein, um sie ruhig zu halten», hält der STS weiter fest.
Bis zu einem Viertel der Tiere sterben während des Transports. «Um die Tiere zu schlachten, wird ihnen meist der Kopf mit einer Keule eingeschlagen – das Personal ist ungelernt, und eine gezielte, rasche Tötung ist so keineswegs garantiert.» Schlangen würden mit Haken im Maul aufgehängt, damit man ihnen einen Wasserschlauch in den Schlund stopfen und ihre noch lebenden Leiber mit Wasser auffüllen kann. Dabei platzen die Organe; die Haut spannt sich und kann so gerade abgezogen werden. «Selbst bei der Häutung leben die Tiere nicht selten noch», so der STS.
In der Schweiz wäre eine solche Behandlung eine Straftat. Dennoch ist der Import legal. Zwar gibt es seit 1973 das Artenschutzübereinkommen CITES, das den internationalen Handel mit Produkten bedrohter Tierarten regeln soll. Ein schonender Umgang mit den Tieren ist jedoch keineswegs garantiert. Zudem werden nur Arten erfasst, von denen man die Bestände kennt. Um die Bestandskontrolle muss sich jedes Land selber kümmern. Jedes Land bestimmt also selbst, wie viele heimische Tiere für den Handel sterben dürfen. Wehrli dazu: «Das Problem ist, dass Fang- und Exportquoten teilweise aufgrund ungenügender Kenntnisse der tatsächlichen Bestandsgrössen und -trends erlassen werden und einen Raubbau nicht verhindern können. In besonders korrupten Ländern kommt hinzu, dass die Behörden, welche die Exportzertifikate ausstellen, teilweise an diesen Zertifikaten mitverdienen, also ein Interesse an einem florierenden Exporthandel haben.»
Appell an die Lederbranche
So spricht der STS in seinem aktuellen Report «Tierschutzprobleme bei der Gewinnung von Reptilienledern» von einem blühenden Schwarzmarkt in Südostasien – begünstigt durch die Existenz angeblicher Schlangenfarmen als auch durch das Fälschen von Zertifikaten. So sei es ein Leichtes, illegal gewonnene Häute in den Markt und somit eventuell auch in die Schweiz einzuschleusen.
Daher hat der STS 2010 begonnen, die hiesige Uhrenindustrie, die treibende Kraft für Reptilienleder-Importe in die Schweiz, anzusprechen und sie aufzufordern, keine Armbänder aus Waran- und Pythonleder mehr zu produzieren, sofern die Tiere aus indonesischen Wildfängen oder von südostasiatischen Farmen stammen. Bis jetzt haben 66 Firmen unterschrieben.
Allerdings ist diese Vereinbarung mit Vorsicht zu geniessen, wie Wehrli anmerkt, da hauptsächlich Firmen unterschrieben haben, die ohnehin nie mit solchen Ledern gehandelt haben. Ausserdem schliesst sie nicht alle Lederarten ein, sodass etwa Krokodilleder gänzlich ausgenommen sind. «Die Tierschutzproblematik auf Krokodilfarmen dürfte allerdings ähnlich schlimm sein wie beim Wildfang von Reptilien in Indonesien», so die Fachfrau. Hinzu kommt, dass viele Firmen anscheinend nichts von dieser Verzichtserklärung wissen. Nicht unterschrieben haben übrigens internationale Luxusketten wie Cartier und Hermès. Während Erstere zu keiner Stellungnahme bereit ist, verweist Hermès auf ihre Artenschutz-Zertifikate und schliesst Tierschutzwidrigkeiten somit kategorisch aus.
Doch es gibt auch Fabrikanten, die aus ethischen Gründen ohne Exotenleder produzieren, darunter Titoni und Bucherer. Wobei Letzterer Schlangenleder von Fremdmarken verkauft. Jörg Baumann, der Mediensprecher von Bucherer, sagt: «Wir wollen Nachhaltigkeit eine Bedeutung geben, deshalb steht Exotenleder für uns nicht im Vordergrund.»
Bald müssen sich auch die Taschen- und Schuhproduzenten warm anziehen, da der STS als Nächstes diese Branchen davon überzeugen will, aus diesem tierquälerischen Geschäft auszusteigen.
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