Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.» Das Sprichwort mag für uns Menschen zutreffen, für einen Ameisenlöwen jedoch sicherlich nicht. Dessen Lebensaufgabe ist es nämlich, ständig Gruben zu graben, in die andere gleich reihenweise hineinfallen.

Ameisenlöwen zählen zu den Insekten, sind aber nicht etwa «fertige» Tiere, sondern die Larven eines kleinen, räuberischen Fluginsekts, der Ameisenjungfer. Ameisenjungfern, die auf den ersten Blick an eine Libelle erinnern, gehören zur Insektenordnung der sogenannten Netzflügler und ernähren sich von kleinen Nachtfaltern. Weltweit existieren rund 2500 Arten dieser höchst interessanten Tiere. 

Eine hübsche Beschreibung des Ameisenlöwen lieferte bereits im Frühmittelalter der Mainzer Erzbischof und Universalgelehrte Rabanus Maurus: «Der Ameisenlöwe ist eine kleine Kreatur, die gegenüber Ameisen sehr feindlich gesinnt ist. Er verbirgt sich im Staub und tötet Ameisen, die mit Nahrungsmitteln beladen sind.» 

Faszinierend: Eine Ameise kämpft um ihr Leben (Video: ARD/SWR Wissen):

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Furche um Furche in den Sand
Bevorzugter Lebensraum der Ameisenlöwen sind trockene sandige Böden, wie man sie in Wüsten, Halbwüsten und Dünenlandschaften, aber auch in sandigen Nadelwäldern findet. Nur in einem so beschaffenen Untergrund können die kleinen Insektenlarven nämlich ihre berühmt-berüchtigten Fangtrichter anlegen.

Ameisenlöwen erreichen je nach Art eine Grösse von ein bis zwei Zentimetern. Mit einem echten Löwen haben Ameisenlöwen zumindest rein äusserlich so gut wie keine Gemeinsamkeiten: Der Hinterleib der Tiere ist relativ breit, während Kopf und Vorderbrust eher schmal geschnitten sind. An der Brust sitzen drei Beinpaare, die alle kräftige Borsten tragen. Auffälligstes Merkmal sind jedoch zwei mächtige, sichelförmige Kieferzangen, die an der Innenseite mit kleinen, spitzen Greifdornen versehen sind. 

Auch die BBC mit Kultsprecher David Attenborough widmet den Ameisenlöwen einen Beitrag – mit gewohnt spektakulären Aufnahmen (Video: BBC):

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Der Bau der Gruben oder – präziser formuliert – der Fangtrichter folgt immer dem gleichen Schema: Zu Beginn der Bauarbeiten zieht der Ameisenlöwe durch ständige Rückwärtsbewegungen eine kreisrunde Furche in den Sand. Als «Sandpflug» dient ihm dabei seine leicht nach unten gekrümmte Hinterleibsspitze. Ist die erste Furche, die je nach Art einen Durchmesser von bis zu  acht Zentimeter haben kann, fertiggestellt, gräbt sich der Ameisenlöwe in immer enger werdenden Spiralen immer tiefer in den Boden ein, bis ein kleiner, kreisrunder Trichter mit einer Tiefe von bis zu drei Zentimetern entstanden ist. Das anfallende Aushub­material, sprich den überschüssigen Sand, entfernt der Ameisenlöwe mithilfe seines Kopfes und seiner beiden Kieferzangen, die dank ihrer kräftigen Beborstung als höchst effiziente «Wurfschaufel» dienen.

Giftzangen und Sandschleudern
Bei der Anlage des Trichters achtet der kleine Baumeister peinlich genau darauf, dass der Trichter einerseits gerade so steil angelegt ist, dass der Sand nicht von sich aus ins Rutschen gerät, andererseits aber immer noch so steil ist, dass ein Tier, das auf den Trichterrand tritt, dieses fragile System sofort aus dem Gleichgewicht bringt und ein Abrutschen des Sandes bewirkt.

Um seinen Trichter fertigzustellen, benötigt der Ameisenlöwe üblicherweise eine Viertelstunde. Ist das geschafft, gräbt er sich sofort im Sand so tief ein, dass nur noch Kopf und Kieferzangen sichtbar bleiben, und lauert geduldig auf seine Beute. Betritt jetzt eine Ameise oder ein anderes Beutetier die Trichterböschung, kommt sie ins Rutschen und gleitet, zusammen mit den unter ihren Füssen befindlichen Sandkörnchen, unaufhaltsam in Richtung Trichtermitte. Dort wird das Opfer bereits vom hungrigen Ameisenlöwen erwartet. Der lässt sich nicht zweimal bitten und beisst mit seinen zangenartigen Mundwerkzeugen kräftig zu. 

Ameisenlöwen bei der Jagd (Video: MDR):

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Diese Zangen haben es in sich. Sie sind nicht nur gross und kräftig, sondern auch noch giftig. Mithilfe von längs durch die Zangen laufenden Kanälen kann der Ameisenlöwe seinem Opfer nämlich ein hochtoxisches und sehr schnell wirkendes Gift injizieren. Für den Fall, dass der Ameisenlöwe mit seinen Zangen danebengreift und das Beutetier
zunächst fliehen kann, hat der kleine Jäger einen weiteren Pfeil im Köcher: Er schleudert dem Flüchtling, mithilfe der bereits beschriebenen Kopfbewegung, ganz gezielt Sandkörnchen hinterher, die das flüchtende Tier wieder in die Tiefe reissen. 

Ausgesprochen aussergewöhnlich sind auch die Toilettengewohnheiten des Ameisenlöwen: Während die kleinen Räuber flüssige Exkrete problemlos ausscheiden können, fehlt ihrem Verdauungstrakt eine Öffnung für feste Exkremente. Dies hat zur Folge, dass der Ameisenlöwe seinen Kot während der gesamten Larvenzeit im Körper speichert – und es dauert immerhin drei Jahre, bis sich ein Ameisenlöwe in eine Ameisenjungfer verwandelt. Einen Teil dieser Exkremente verwendet der Ameisenlöwe, um seinen Puppenkokon zu bauen. Der Rest wird als Kotpellet ausgeschieden – kurz bevor die Ameisenjungfer als fertiges Insekt aus dem Kokon schlüpft.