Käfer stehen weit unten in der Nahrungskette der Tiere. Deshalb haben sie sich viele verschiedene Strategien angeeignet, die ihnen das Überleben etwas erleichtern. Die einen haben sich durch Tarnfarben optimal an ihren Lebensraum angepasst, die anderen signalisieren ihren Feinden durch knallige Farben «ich bin giftig» und noch andere stellen sich bei Gefahr tot. Viele Laufkäfer haben aktive Verteidigungsmechanismen entwickelt, um Angreifer abzuschrecken. So spritzen sie etwa mit Verdauungssäften um sich oder stossen übel riechende Substanzen aus.

Die spektakulärste Abwehrstrategie unter den Laufkäfern wenden die Bombardierkäfer (Brachininae) an. Von ihnen gibt es weltweit rund 500 Arten und alle haben eines gemein: Sie verscheuchen Ameisen oder gar Frösche, die ihnen zu nahe kommen, mit Explosionen. Dazu fügt der Käfer in seinem Körper zwei Chemikalien zusammen, die miteinander reagieren und spritzt sie mit einem Knall aus seinem Hinterleib, zielgenau auf den Feind. Einen Frosch kann er dadurch in die Flucht treiben, eine Ameise durch die ätzende Substanz, die durch die chemische Reaktion bis zu 100 Grad heiss wird, gar töten.

Wie der Abwehrmechanismus des Bombardierkäfers genau funktioniert und in Aktion aussieht, erfahren Sie in diesem Video:

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Der Verteidigungsmechanismus des Bombardierkäfers brachte Jonas Halter auf eine Idee. Der Chemiker hat für seine Doktorarbeit an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich ein System entwickelt, mit dem Geldautomaten besser vor Dieben geschützt werden können. 

Die Geldkassetten von Bankomaten sind üblicherweise mit einer Sicherung ausgestattet. Bricht ein Räuber die Maschine mit Gewalt auf, wird ein System aktiviert, das die Geldscheine einfärbt und dadurch unbrauchbar macht. «Das sind sehr komplexe, elektronische Systeme», sagt Halter. Wird dem Automaten der Stecker gezogen, funktionieren sie nicht mehr.

Die Lösung des ETH-Chemikers hingegen ist rein mechanisch, funktioniert also auch ohne Strom. Er füllte zwei flüssige Chemikalien getrennt voneinander in kleine, wabenförmige Segmente einer millimeterdünnen Folie. Wird diese Folie zerrissen, fliessen die Chemikalien zusammen und reagieren miteinander – genau wie beim Bombardierkäfer.

Anders als sein Vorbild aus der Natur, spritzt der neuartige Bankomat den Dieben nicht ins Gesicht. «Der Bombardierkäfer spritzt seine Flüssigkeit durch ein winziges Loch, dadurch entsteht ein grosser Druck», sagt Halter. Dies sei beim Geldautomaten nicht machbar. Deshalb entstehe kein Strahl, sondern ein heisser Schaum. Aber das reicht laut Halter: «In erster Linie geht es darum, die Geldnoten zu entwerten.» Und die sind nach einem Einbruch mit Farbe durchtränkt.

Keine heissen Schnäbel für Vögel
Noch stehen keine Bankomaten nach Bombardierkäfer-Prinzip in Schweizer Städten. Aber Jonas Halter erhält regelmässig Anfragen von Interessenten. Und sollte die Geldautomaten-Idee den Weg in unseren Alltag nicht finden, sieht der Chemiker andere mögliche Anwendungen für seine Waben-Folie. Weil Hitze entsteht, sobald sie zerbricht, sei etwa ein «Fehlermelder» denkbar. Mit einem Wärmesensor könnten so defekte Stellen sofort ausfindig gemacht werden.

Noch näher an der ursprünglichen Funktion – dem Abschrecken von Tieren – liegt eine andere Idee von Halter, die der Chemiker aber mittlerweile schon wieder verworfen hat: «Wir wollten mit der Folie auch wertvolles Saatgut vor Vögeln schützen.» Dabei würden sich die Tiere nicht einmal wehtun, erklärt Halter: «Der Schaum wird zwar heiss, aber weil darin so viel Luft enthalten ist, würden sich die Vögel nicht verbrennen.» 

Dass aus diesem Plan nichts wurde, liegt am Geld. Zwar ist die Folie im Vergleich zu anderen Schutzmassnahmen für Bankomaten mit rund 40 Franken pro Quadratmeter ein Schnäppchen. Um Saatgut zu schützen sei sie aber dann doch zu teuer. «Ausserdem», sagt Halter, «gibt es genügend andere wirksame Massnahmen gegen Vögel.»