Sie sehen immer reichlich ungesund aus, haben einen schleppenden Gang, eine eingeschränkte Motorik und die geistigen Fähigkeiten eines Kleinkindes: Zombies sind scheinbar von den Toten auferstandene Wesen, die wie durch Zauberkraft unter einen fremden Willen gezwungen durch die Weltgeschichte geistern. Natürlich wissen wir aufgeklärten Menschen, dass es so etwas wie Zombies nur in Hollywoodfilmen gibt. Ganz anders im Tierreich. Dort treiben nämlich sogenannte Neuroparasiten ihr Unwesen, die tatsächlich ihre Wirte in willenlose Zombies verwandeln können. Es sind Parasiten, die ganz gezielt das Gehirn respektive das Nervensystem ihres Wirtstieres attackieren, dadurch die Kontrolle über ihr Opfer übernehmen und es in ein willenloses Geschöpf verwandeln. 

Die Gründe für diese Nervenattacken zielen stets in Richtung erfolgreiche Reproduktion: Neuroparasiten manipulieren ihre bedauernswerten Opfer entweder, um sich zu vermehren, oder aber, um ihrem Nachwuchs eine bessere Überlebenschance zu verschaffen. Ein geradezu klassisches Beispiel für einen erfolgreichen Neuroparasiten ist die Juwelwespe (Ampulex compressa), ein blau-grün schillerndes Insekt, das in den tropischen Gebieten Indiens, Afrikas, Australiens und des pazifischen Raums zu Hause ist. Die weibliche Juwelwespe sorgt sich in ziemlich ungewöhnlicher Weise um ihren Nachwuchs. Sie hinterlässt ihren Sprösslingen eine Kakerlake als Fresspaket. Da jedoch ein totes Tier schnell verwesen würde und damit nicht mehr zu geniessen wäre, muss die Wespe die Kakerlake lebendig zu ihrem Nachwuchs schaffen. Keine ganz einfache Aufgabe, zumal die Kakerlake mehr als doppelt so gross ist, wie die Juwelwespe selbst.

Mit der Schabe an der Leine ins Nest
Um ihr Opfer in einen willenlosen Zombie zu verwandeln, lähmt die Juwelwespe es zunächst einmal mit einem gezielten Stich in einen Nervenknoten in der Brust. Derart immobilisiert ist die Kakerlake jetzt völlig hilflos der eigentlichen Attacke ausgeliefert: Die Juwelwespe unterzieht die Kakerlake nämlich einer regelrechten Gehirnwäsche. Dazu injiziert sie mit ihrem Stachel ein Nervengift direkt in das Gehirn der Kakerlake und legt sehr gezielt den Teil des Hirns ihres Opfers lahm, der für das Fluchtverhalten verantwortlich ist. Danach führt die Wespe das nun völlig willenlose Opfer an der Antenne – wie einen Hund an der Leine – zu ihrem Nest, wo die «Zombie-Kakerlake» als Lebendfutter für den Nachwuchs der Juwel­wespe dient.

Aber wie findet die Juwelwespe eigentlich genau den Teil des Gehirns, der das Fluchtverhalten steuert? Israelische Forscher haben dieses Geheimnis vor einigen Jahren zumindest teilweise gelöst. Mithilfe elektronenmikroskopischer Untersuchungen haben die Wissenschaftler herausgefunden, dass sich an der Spitze des Giftstachels eine Art «Hirndetektor» befindet, mit dessen Hilfe die Juwelwespe das richtige Gehirnteil findet.

Dieses englische Video zeigt die Juwelenwespe, wie sie eine Kakerlake gefügig macht:

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Ein weiteres Lehrbuchbeispiel für willenlos gemachte Tiere ist jenes vom Leberegel und der Ameise. Der Kleine Leberegel ist ein Saugwurm, der als Parasit in den Gallengängen seines Endwirts lebt – in Schafen, Ziegen, Rindern, Hunden, Kaninchen und selten auch Menschen. Schon zuvor richtet er allerdings allerhand Schaden an: Die Wurmeier entwickeln sich nämlich zuerst in Schnecken zu sogenannten Zerkarien, einer Art Larvenform. Diese werden von der Schnecke ausgeschieden und von Ameisen gefressen. Einmal in der Ameise drin, beginnt die Larve ihr teuflisches Werk: Sie wandert in einen Nervenknoten des armen Sechsbeiners und nimmt dort eine Reihe von Manipulationen vor, die zu einer Verhaltensänderung der Ameise führen. Statt sich nachts zu verstecken, klettert diese nun zuoberst auf einen Grashalm und beisst sich fest. So wartet sie darauf, von einem Schaf oder Rind gefressen zu werden, um den heimtückischen Leber­egel in seinen Endwirt zu bringen.

Maus mag Katze
Neuroparasiten können aber nicht nur bei Insekten Verhaltensänderungen hervorrufen, sondern auch bei Säugetieren und gar bei Menschen. So gibt es einen parasitären Einzeller namens Toxoplasma gondii, der sich durch einen ähnlich komplizierten Entwicklungszyklus wie der Leberegel auszeichnet. Zwischenwirte bei diesem Entwicklungszyklus sind vor allem Mäuse, aber ab und an auch andere Säugetiere und sogar Menschen. Fortpflanzen kann sich das einzellige Sporentierchen jedoch nur in seinem Endwirt, einer Katze. Ein vollständiger Entwicklungszyklus schliesst sich im Regelfall also nur, wenn eine Maus von einer Katze gefressen wird. 

Da aber Mäuse normalerweise Katzen fürchten wie der Teufel das Weihwasser, hat der kleine Parasit eine raffinierte Strategie entwickelt, um zu gewährleisten, dass die Maus ihre angeborene Scheu vor Katzen verliert und eine leichte Beute wird: Der Einzeller wandert ins Gehirn der Maus, greift in dem Zentrum, das Angstverhalten steuert, mit einer Präzision ein, von der Hirnchirurgen nur träumen können, und erreicht damit, dass die Nager auf einmal eine lebensgefährliche Sympathie für Katzen entwickeln. Manipulierte Mäuse werden auf einmal geradezu magisch von Katzen­ausscheidungen angezogen. 

Ferngesteuerte Menschen?
Einen Menschen kann Toxoplasma nicht in einen Zombie verwandeln. Neuere Untersuchungen legen jedoch nahe, dass der Einzeller durchaus das Verhalten eines Menschen verändern kann. So zeigen Studien, dass infizierte junge Frauen häufiger Selbstmord begehen. Bei Männern konnte eine deutliche Steigerung der Risikobereitschaft – gepaart mit einer signifikanten Abnahme der Reaktionsfähigkeit – beobachtet werden. Mit der Folge dass mit Toxoplasma infizierte Männer fast dreimal so häufig in Unfälle verwickelt sind, wie nicht Infizierte. Stellt sich natürlich die Frage, was Toxoplasma davon hat, einen Menschen fernzusteuern. Der tschechische Forscher Jaroslav Flegr glaubt, eine einleuch­tende Antwort gefunden zu haben. Für ihn ist dieses Verhalten ein Relikt aus der Vergangenheit. Zu den Katzen gehören ja nicht nur unsere Hauskatzen, sondern auch Grosskatzen, wie Löwen und Tiger. Und auf deren Speiseplan standen wir Menschen vor ein paar Tausend Jahren alleweil.

Es gibt sogar Pilze, die ganz gezielt in das Gehirn eines Tieres eingreifen. Genauer gesagt, ein tropischer Pilz namens Ophiocordyceps unilateralis. Und wieder sind Ameisen die Leidtragenden: Der Pilz ist nämlich in der Lage, seine Sporen auf dem Aussenskelett von Ameisen anzubringen. Daraus entwickeln sich mit der Zeit Pilzfäden, die in den Kopf der Ameise eindringen und dort das Gehirn umprogrammieren. Nach ihrer Umprogrammierung wandern die Ameisen sofort aus ihrem Nest, das sich hoch oben in den Baumkronen befindet, zu einer Position genau 25 Zentimeter über dem Boden und beissen sich dort an einem Blatt fest. Erst dort tötet der Pilz die Zombieameise, die ihm fortan auch als Nährsubstrat dient, mit einem Cocktail aus Chemikalien. 

Es ist ein cleveres Manöver, denn knapp über Boden herrschen eine hohe Luftfeuchtigkeit und fast gleichbleibende Temperaturen – ideale Lebensbedingungen für den Pilz. Will heissen, hier kann der Pilz einen Fruchtkörper samt Sporen ausbilden. Seine Sporen lässt Ophiocordyceps unilateralis auf den Boden herabregnen, wo sie auf einer Fläche von etwa einem Quadratmeter eine Art Minenfeld bilden. Trifft eine andere Ameise auf eine der Sporen, wird sie unweigerlich infiziert und ihrerseits zur Zombieameise. Der Kreislauf ist geschlossen.

In diesem ebenfalls englischen Video sehen Sie, wie der parasitische Pilz aus dem Kopf einer infizierten Ameise wächst.

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