Der Sechs-Millionen-Dollarmann, Robocop oder Darth Vader: Aus Hollywoodfilmen kennen wir alle sogenannte Cyborgs – Mischwesen, die aus einem lebendigen Organismus und einer Maschine bestehen. Weniger bekannt ist, dass es auch echte Cyborgs gibt: Tiere, die dank allerlei technischem Equipment, das ihnen eingepflanzt wurde, von uns Menschen wie eine Art Zombie ferngesteuert werden können. Die US-Firma Backyard Brains hat sogar einen Bausatz namens «RoboRoach» (Kunstwort aus Roboter und Cockroach, englisch für Kakerlake) auf den Markt gebracht. Damit kann jeder Mensch mit ein bisschen Fingerspitzengefühl zu Hause eine schlichte Schabe in einen Cyborg verwandeln. Die Idee der Firma ist es, Schülern und Studenten auf diese Weise das Nervensystem eines Insekts näherzubringen.

Der Bausatz, den man im Internet für gerademal 99 US-Dollar bestellen kann, besteht aus einem Elektronikbauteil, einer Batterie und den dazugehörigen Drähten. Die Kakerlaken kann man auch gleich mitbestellen. Zwölf Stück gibt es für 24 Dollar, Riesenkakerlaken der mittelamerikanischen Art namens Blaberus discoidalis, die mit einer Länge von fünf und einer maximalen Breite von drei Zentimetern gross genug ist, um Elektronikbauteil und Batterie mit einem Gesamtgewicht von immerhin mehr als vier Gramm bequem tragen zu können.

Wie man den Cyborg zusammenbastelt, beschreibt ein Anwendungsvideo, das mit zur Lieferung gehört: Vor dem eigentlichen chirurgischen Eingriff muss man die Kakerlake betäuben. Dazu wird das Tier für fünf Minuten in eiskaltes Wasser gesteckt. Anschliessend wird vorsichtig mit Schmirgelpapier der Panzer am Kopf aufgeraut und Elektronikteil und Batterie werden mit Superklebstoff an den aufge­rauten Stellen befestigt. Danach wird mit einer Nadel ein Loch in den Rückenpanzer gebohrt und ein Draht eingeführt. Jetzt müssen nur noch zwei Drähte mit den Fühlern der Kakerlake verbunden werden, also mit den Körperteilen, die für die Navigation verantwortlich sind. Auf diese Weise wird das Elektronikteil mit dem Nervensystem verbunden. Und schon ist der Cyborg einsatzbereit.

Tierschutz gilt nicht für Kakerlaken
Gesteuert wird der Kakerlaken-Cyborg mit einem Bluetooth-fähigen Smartphone. Damit werden nun elektrische Impulse an das Nervensystem des Tieres geschickt, die ihm vorgaukeln, es sei an ein Hindernis gestossen. Über den Touchscreen des Smartphones wird die Kakerlake nach rechts oder links gesteuert. Allerdings tritt nach zwei bis sieben Tagen eine Art Gewöhnungseffekt auf: Die Kakerlake reagiert nicht mehr auf die Signale. Was dann mit ihr passiert, bleibt dem Experimentator überlassen. 

Zwar kann auch in der Schweiz jedermann den «RoboRoach» kaufen, wie das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) bestätigt. Denn das Tierschutzgesetz gilt für Kakerlaken und die allermeisten anderen Wirbellosen nicht. Doch das Angebot wirft Fragen auf: Auch in der Wissenschaft ist umstritten, ob die ganze Prozedur für die Tiere nicht äusserst unangenehm ist. Die meisten Forscher gehen davon aus, dass Insekten kein Schmerzempfinden haben, wie wir es bei Wirbeltieren kennen – einfach, weil ihnen die dafür passenden Schmerzrezeptoren fehlen. Unbestritten ist allerdings, dass auch Kakerlaken durch kleine Verletzungen gestresst werden können. Dadurch kann es zu einer gewaltigen Ausschüttung von Stresshormonen kommen, die letztlich für die Schaben sogar tödlich sein könnte. 

Der Schweizer Tierschutz STS hat den Kakerlaken-Experimentierkasten denn auch bereits vor einiger Zeit als «Tierquälerei» bezeichnet. Die Tierschutzorganisation PETA spricht gar von «Folter und Verstümmelung». Und selbst wenn man dies in Relation stellen muss zu den Abertausenden Kakerlaken und Fliegen, die in menschlichen Haushalten zermalmt und zerquetscht werden, bleibt doch die Frage: Braucht es einen solchen Kakerlakenroboter, um Jugendliche für Naturwissenschaften zu begeistern? 

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