Laut und bunt
Sind Lemminge doch lebensmüde?
In Filmen und Cartoons werden Lemminge gerne als selbstmörderisch dargestellt. Dass dies so nicht stimmt, ist mittlerweile klar, doch die kleinen Wühlmäuse sind für ihre Grösse schon fast gefährlich mutig.
Wer kennt sie nicht, die niedlichen Lemminge aus den «Nichtlustig»-Cartoons des deutschen Zeichners Joscha Sauer? Sie sind braun, glubschäugig und springen der Reihe nach von einer Klippe in den Comic-Tod. Das Klischee der selbstmörderischen Wühlmäuse stammt vermutlich aus einer Disney-Dokumentation aus den Fünfzigerjahren. Dort wurden die Tiere dargestellt, als würden sie sich auf ihren Wanderungen kollektiv in die Tiefe stürzen. Mittlerweile weist aber vieles darauf hin, dass viele der Szenen im Studio gedreht und den Lemmingen bei ihrem «Freitod» ganz schön nachgeholfen wurde (Siehe «Tierwelt» 36/2012).
In der Realität sind Lemminge nicht darauf versessen, ihrem Leben ein baldiges Ende zu bereiten. Weshalb auch? Die Braunen Lemminge, wie sie Sauer zeichnet, sind ganz im Gegenteil sehr diskret und schüchtern. Kommt ihnen ein möglicher Fressfeind in ihrer nordamerikanischen Heimat zu nahe, huschen sie schnellstens in ihre Erdhöhlen. Das Überleben ist den gut getarnten Tierchen also wichtig.
Signalfarben täuschen Gift vor
Etwas anders sieht das bei den Berglemmingen aus. Sie sind in Skandinavien beheimatet und fallen auf. Im Gegensatz zu ihren Verwandten aus Übersee tragen sie ein leuchtendes Fell in schwarz-weiss-gelb. Und nähert sich ihnen ein Raubtier oder ein Mensch, düsen sie nicht etwa davon, sondern stossen laute Warnschreie aus und greifen den Feind an, egal, wie übermächtig er ist. Sind sie etwa doch etwas lebensmüde?
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Die auffällige Färbung des Berglemmings.
Bild: Mit freundlicher Genehmigung von © Jon &Ostroke;steng Hov, 2013. Alle Rechte vorbehalten.
Nein, sagen schwedische Forscher. Das Team um Malte Andersson von der Universität Göteborg hat den Berglemming (Lemmus lemmus) in seiner natürlichen Umgebung beobachtet und kommt zum Schluss, dass die lauten Schreie und die auffällige Fellzeichnung seinem Überleben dient.
Aposematismus nennen die Forscher das Gegenteil von Tarnung, das die Berglemminge betreiben. Ihre «Warnfärbung» soll potenzielle Fressfeinde wie die Falkenraubmöwe nicht etwa anlocken, sondern abschrecken. Denn gelb und schwarz-weiss sind für viele Raubvögel Signalfarben, die ihnen das Gefühl geben, das mögliche Beutetier sei gefährlich, giftig oder habe eine andere Abwehrmethode. Deshalb lassen sie in der Regel ihre Krallen lieber von den Lemmingen.
Sonst eher bei Fröschen bekannt
Die Berglemminge sind laut den Wissenschaftlern eines von nur wenigen Beispielen des Aposematismus bei kleinen Säugetieren. Sonst sei eine so auffällige Färbung, kombiniert mit lauten Warntönen, meist bei Fröschen und Schlangen beobachtet worden. Auch ungiftige Insekten ahmen mit ihrer Färbung oft giftige Verwandte nach. Und am Meeresboden lebt der Karnevalstintenfisch, der Meister der Tarnung. Oder eben «Anti-Tarnung».
Während die offensive Überlebens-Strategie der Berglemminge gegen den häufigsten Greifvogel ihres Lebensraums, die Falkenraubmöwe, tatsächlich effektiv sei, müssten die Forscher noch herausfinden, wie es mit grösseren Fressfeinden aussähe. Darunter sind Rotfüchse, Eisfüchse oder Raufussbussarde zu finden. Evolutionär gesehen müsse die Strategie aber auch nicht perfekt sein. Es reiche aus, wenn sie verhindere, dass einige der Lemminge nicht von Raubtieren gefressen würden.
Originalpublikation:
Andersson, M. (2015). «Aposematism and crypsis in a rodent: antipredator defence of the Norwegian lemming», Behavioral Ecology and Sociobiology.
DOI 10.1007/s00265-014-1868-7
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