Die Wissenschaftler des Senckenberg Forschungsinstitus in Dresden hätten erwartet, dass sich die Balkan-Bachschildkröten aus Griechenland von denjenigen in der Türkei deutlich unterscheiden. Da ein Meer dazwischen liegt, hätten sich die beiden Populationen verschieden entwickeln können. Doch die 340 genetischen Proben aus 63 Lokalitäten, welche die Wissenschafter verglichen, ergaben ein anderes Bild.

Uwe Fritz, Professor und geschäftsführender Direktor bei Senckenberg Dresden, erklärt: «Das erstaunliche ist, dass selbst räumlich weit voneinander entfernte Schildkröten ein nahezu identisches genetisches Muster zeigen.» Das bedeutet, dass sich die Schildkröten über weite Distanzen – und hunderte Kilometer Meer – untereinander fortgepflanzt haben.

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Balkan-Bachschildkrötenn lassen sich durch das Ägäische Meer nicht
aufhalten.

Mauremys rivultata im offenen Meer gefangen
Bei anderen Arten kann dies passieren, wenn Tiere von Menschen transportiert werden. Doch bei der Balkan-Bachschildkröte (Mauremys rivulata) funktioniert diese Erklärung nicht. Melita Vamberger, Erstautorin der Studie: «Mauremys rivulata wurde – im Gegensatz zu anderen Schildkröten – nie gern gegessen, weil diese Tiere furchtbar stinken. Es gab und gibt daher keinen ersichtlichen Grund, die Schildkröten im grossen Stil zu transportieren.»

So blieb für die Forscher nur noch eine, auf den ersten Blick abwegige Möglichkeit: «Wir gehen davon aus, dass diese Süßwasser-Schildkröte regelmäßig über das Meer verbreitet wird. Vermutlich werden Schildkröten immer wieder über Stürme aus ihren Lebensräumen in Küstensümpfen ins Meer verfrachtet und dort können sie offenbar lange überleben. So lange, bis sie irgendwo wieder an eine Küste gespült werden. Dieser gelegentliche Austausch reicht!» Tatsächlich wurde vor einiger Zeit eine Mauremys rivulata auf offener See bei Zypern gefangen, was diese Hypothese unterstützt.

Mauremys rivulata

Mauremys rivulata (Balkan-Bachschildkröte) ist eine höchstens 24 Zentimeter grosse Schildkröte, die in und an Seen und Bächen lebt. Sie ist von Südosteuropa und Griechenland über die westliche Türkei bis in den Libanon sowie in Israel, Syrien und auf den Inseln Kreta und Zypern verbreitet.

Originalpublikation:
Vamberger, M., Stuckas, H., Ayaz, D., Lymberakis, P., Široký, P. & Fritz, U. (2014). Massive transoceanic gene flow in a freshwater turtle (Testudines: Geoemydidae: Mauremys rivulata).– Zoologica Scripta
DOI: 10.1111/zsc.12055