Tierwelt 17/2013
Torkelnde Käfer und beschwipste Affen
Wer denkt, dass nur wir Menschen ab und an gerne einen hinter die Binde giessen, liegt daneben. Denn auch in der Welt der Tiere ist ein moderater bis exzessiver Alkoholgenuss durchaus nichts Aussergewöhnliches.
Ende der 1990er-Jahre schlugen englische Naturschützer Alarm: Immer mehr Igel von der Insel hätten ein ernsthaftes Alkoholproblem. Schuld an dieser auf den ersten Blick verblüffenden Tatsache waren die sogenannten Bierfallen, mit denen britische Hobbygärtner gerne ihr Gemüse und ihren Salat vor gefrässigen Schnecken schützen.
Das Prinzip ist simpel: Ein leerer Joghurtbecher wird im Boden eingegraben und mit Bier aufgefüllt. Die gefrässigen Nacktschnecken werden vom Biergeruch angelockt, fallen hinein und ertrinken. Die englischen Igel kamen ebenfalls auf den Geschmack. Sie fanden grossen Gefallen am Bier und stillten ihren Durst genüsslich am Inhalt der Fallen. Da Nacktschnecken bekanntermassen zur Lieblingsnahrung von Igeln gehören, fressen die kleinen Stacheltiere natürlich auch die von Bier vollgesogenen Schnecken.
Der Effekt dieser Mahlzeit ist etwa der Gleiche, den der Konsum eines Zwei-Kilo-Kirschstängelis bei uns Menschen bewirken würde. Und deshalb wird es gefährlich für die kleinen Säufer. Die Igel vergessen nämlich im Vollrausch sämtliche Vorsichtsmassnahmen: Sie rollen sich nicht mehr zu ihrem Schutz ein, wie sie das normalerweise machen und können so relativ leicht von Hunden, Katzen oder auch grossen Vögeln verletzt oder sogar getötet werden.
Wenn Hirschkäfer kämpfen, fallen ab und zu beide Kontrahenten besoffen vom Ast
Nicht nur englische Igel, sondern auch die Männchen der grössten Käferart der Schweiz, des Hirschkäfers, haben gelegentlich ihre liebe Müh mit dem Alkohol. Im späten Frühjahr kämpfen die Hirschkäfermännchen nämlich mit ihren riesigen Mundwerkzeugen ständig erbittert um die Gunst der Weibchen. Die Herren der Schöpfung versuchen dabei, ihren Rivalen zumindest auf den Rücken zu legen oder noch besser vom Ast zu hebeln.
Dummerweise stärken sich die Käfer jedoch vor ihren Duellen oft mit zuckerhaltigen Säften, die aus Baumwunden von Eichen austreten. Das hat oft fatale Folgen, da der relativ süsse Eichensaft leicht zu gären anfängt. Und da auch Hirschkäfermännchen nicht gegen die Wirkung von Alkohol immun sind, stehen sich oft zwei völlig betrunkene Hirschkäfermänner im Zweikampf gegenüber. Manchmal fallen gar beide Kombattanten schon vom Ast, bevor der Kampf überhaupt begonnen hat.
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Bild: Herta Zücker/Pixelio.de
Auch unsere nähere Verwandtschaft im Tierreich ist einem guten Tropfen offensichtlich nicht abgeneigt. In Südafrika zum Beispiel gehören Paviane zu den grössten Feinden der Winzer. Rotzfrech schleichen sich die Affen in die Weinberge und futtern dort die besten Trauben. Oft sind die Paviane nach ihrem Traubenschmaus völlig betrunken. Ausgepresste Trauben gären nämlich in der Sonne. Wenn die Affen den alkoholhaltigen Trester verschlingen, taumeln sie völlig orientierungslos und randalierend durch die Rebstöcke und schlafen schliesslich ihren Vollrausch an einem schattigen Plätzchen aus.
Für die Winzer ist die Rebplünderung durch die genussfreudigen Primaten allerdings keineswegs eine amüsante Fussnote, sondern mittlerweile eine ernst zu nehmende wirtschaftliche Bedrohung. Eilig aufgestellte Elektrozäune haben sich jedoch schnell als untaugliches Mittel erwiesen, um die Paviane vom Objekt ihrer Begierde fernzuhalten. Denn einige der findigen Affen graben sich nämlich einfach einen Weg unter der Absperrung hindurch, andere schwingen sich an Ästen darüber hinweg. Die Weinbauern halten ihrerseits dagegen: Sie legen Schlangenimitate aus Plastik aus oder setzen auf das ohrenbetäubende Geräusch der noch von der Fussballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika her bekannten Vuvuzelas.
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Bild: Brocken Inaglory/wikimedia.org/CC-BY-SA
Deutlich besser aufgestellt in Sachen Alkoholverträglichkeit als Igel, Pavian, Hirschkäfer und Co. sind unsere heimischen Singvögel. Wissenschaftler der Universität Frankfurt haben vor Kurzem herausgefunden, dass Amsel, Drossel, Fink und Star sogar wesentlich trinkfester sind als wir Menschen. Wären die Piepmätze genauso gross und schwer wie wir, könnten sie zumindest theoretisch alle acht Minuten eine Flasche Wein trinken, ohne davon betrunken zu werden.
Der Grund für diese verblüffende Tatsache hängt mit dem Enzym Alkoholdehydrogenase zusammen, das im Körper für den Alkoholabbau verantwortlich ist. Dieses Enzym kommt zum Beispiel bei Staren in rund 14-fach höherer Konzentration vor als in Menschen. Das heisst, die Vögel können Alkohol wesentlich schneller abbauen als wir Menschen. Nach Ansicht der Wissenschaftler handelt es sich bei der guten Alkoholverträglichkeit um eine Voranpassung der Evolution, die es den Piepmätzen ermöglichen soll, alkoholhaltige Nahrung wie vergorene Früchte im Herbst zu verzehren, ohne gleich die Kontrolle über ihre Flugbahn zu verlieren.
Dass Elefanten sich mit gärenden Früchten betrinken, ist ein Märchen
Über eine sehr gute Alkoholverträglichkeit verfügt auch das Federschwanzspitzhörnchen. Das in Südthailand und Malaysia beheimatete, nachtaktive Tier, gerade mal doppelt so gross wie eine Maus, ernährt sich sogar hauptsächlich von Alkohol, allerdings ohne jemals betrunken zu werden. Nach Untersuchungen des deutschen Tierphysiologen Frank Wiens trinken die kleinen Säuger Nacht für Nacht etwa zwei Stunden lang den stark alkoholhaltigen Blütennektar der Bertam-Palme. «Gemessen an dem aufgenommenen Alkohol müssten Federschwanzspitzhörnchen eigentlich jede dritte Nacht betrunken sein», sagt der Forscher. Das sind die Tiere, die sich ihren Spitznamen «Saufhörnchen» reichlich verdient haben, aber nicht. Wiens vermutet, dass der Stoffwechsel der Hörnchen in Bezug auf Alkohol ebenso effektiv ist wie der unserer Singvögel.
Mit dem Label «Trunkenheit» ist es aber auch immer so eine Sache. Im berühmten Film «Die lustige Welt der Tiere» (1974, Ausschnitt im Video oben) werden torkelnde Elefanten gezeigt, die angeblich durch den Genuss gärender Früchte des Marulabaumes völlig betrunken geworden sind. Dieses Märchen hat sich über 30 Jahre gehalten, bis britische Wissenschaftler die Geschichte einmal etwas genauer unter die Lupe nahmen.
Das Ergebnis ihrer Recherche war verblüffend: Elefanten können gar nicht betrunken sein: Die Wissenschaftler haben nämlich ausgerechnet, dass die Dickhäuter über das 400-fache ihrer normalen Nahrung an vergorenem Obst fressen müssten, um auch nur einen dezenten Schwips zu bekommen. Die Ursache für die Rauschzustände sind sehr wahrscheinlich giftige Käferpuppen, die die Elefanten zusammen mit der Rinde der Marulabäume verzehren.
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