Sie leben in fast jeder Stadt der Welt auf allen Kontinenten. Für manche sind sie eine Freude, für so manche mehr jedoch ein Ärgernis: Strassentauben. Die Vögel sind äusserst anpassungsfähig und ernähren sich oft von den Essensresten, welche die Menschen zurücklassen. So finden sie oft ein grosses, wenn auch nicht sehr gesundes Nahrungsangebot. Des Leben in der Stadt hat sowieso seine Tücken. Das erkennt man auch sofort, wenn man den Tauben auf die Füsse schaut: Vielen von ihnen fehlen einzelne Zehen, halbe oder gar ganze Füsse. 

Woher die Verstümmelungen rühren, darüber gibt es einige Theorien. So glauben einige, dass es den Tauben die Zehen wegätzt, weil sie in ihrem eigenen Kot stehen. Ein anderer Grund könnten Viren, Bakterien oder Parasiten sein, ein weiterer chemische oder physische Abwehrmechanisem an Gebäuden. Auch dass die Deformierungen erblich bedingt seien, wurde von Foschern schon ins Feld geführt.

Haare schnüren das Blut ab

Ein französisches Forscherteam wollte es nun genauer wissen und schwärmte aus in die Strassen von Paris, um die Hypothese zu testen, die ihnen am wahrscheinlichsten schien: Es sind Schnüre und menschliche Haare, die sich um die Zehen und Füsse der Tauben winden, immer enger und enger angezogen werden, bis sie schliesslich den Blutfluss abschnüren. Die betroffenen Körperteile sterben ab.

Die Forscher um Frédéric Jiguet vom Centre d’Ecologie et des Sciences de la Conservation in Paris, untersuchten die Tauben in der Hauptstadt in den verschiedenen Quartieren und Pärken auf Deformationen an den Füssen und massen zudem die menschliche Bevölkerungsdichte, die Luft- und Lärmverschmutzung, die Anzahl Mülltonnen, die Dichte von Coiffeursalons und Essensmärkten.

In ihrer im November im Fachmagazin «Biological Conservation» veröffentlichten Studie schreiben die Forscher, dass die Verletzungen an den Taubenfüssen tatsächlich von Haaren und Schnüren stammen. Erbliche Effekte seien auszuschliessen, da gerade flügge gewordene Tauben alle intakte Füsse hatten. Unwahrscheinlich seien auch parasitische Infektionen, glauben die Forscher. Hier greifen sie auf die bereits zuvor gewonnene Erkenntnis zurück, dass ein dunkles Gefieder auf ein stärkeres Immunsystem hindeutet. Jiguet und Kollegen konnten jedoch nicht feststellen, dass dunklere Tauben weniger Verletzungen aufwiesen. 

Menschen in der Verantwortung

Es zeigte sich jedoch, dass deformierte Füsse häufiger waren an Orten mit höherer Luft- und Lärmverschmutzung. Insbesondere fanden die Forscher heraus, dass in Quartieren mit mehr Coiffeursalons mehr Verletzungen auftraten. Vor den Salons lägen mehr Haare auf dem Boden als anderswo, weil wohl beim Wegtransport durch die Müllabfuhr welche herunterfielen, schreiben sie. Die Quartiere mit mehr Coiffeuren seien aber auch diejenigen, in denen mehr Menschen wohnen. Somit können die Coiffeure und die Haare als ein indirekter Effekt einer höheren Bevölkerungsdichte gewertet werden.  

Für die Forscher ist klar: Die Verletzungen der Taubenfüsse rühren von menschlicher Verschmutzung her. Menschen seien damit auch in der Verantwortung: «Tauben werden auch in Zukunft in unseren Städten leben», schreiben sie. «es gibt keinen ethisch vertretbaren Grund zu akzeptieren, dass Tauben aufgrund menschlicher Entwicklung Verstümmelungen erleiden müssen, ohne dass wir versuchen, ihren Schmerz zu lindern.» Denn wenn es den Pflanzen und den Tieren in einer Stadt gut gehe, gehe es auch den Menschen besser und die ganze Stadt werde insgesamt gesünder.