Prekäre Rückenlage
Was, wenn Schildkröten umkippen?
Ihr Panzer bietet der Griechischen Landschildkröte einen guten Schutz vor Feinden und Unfällen. Kippt die Schildkröte allerdings auf den Rücken, ist er ein lebensbedrohliches Hindernis. Also eine Fehlkonstruktion der Natur?
Vor einem knappen Monat haben wir an dieser Stelle ein «Abgedreht»-Video von einer Schildkröte gezeigt, die in einem taiwanesischen Zoo von Besuchern in einer misslichen Lage gefilmt wurde. Irgendwie hatte sie es fertiggebracht, ihren massiven Körper aus der Balance zu bringen und auf dem Rücken zu landen.
Hilflos lag sie da und wartete auf eine Eingebung. Und die kam, in Form ihrer Artgenossin, die der Schildkröte zu Hilfe «eilte» und ihr half, wieder festen Boden unter den Füssen zu erlangen. Das Video können Sie sich hier noch einmal anschauen.
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Quelle: YouTube/AuDi Yu
Doch nicht immer ist ein hilfsbereiter Artgenosse zur Stelle. Was tut also eine Schildkröte, wenn sie auf dem Rücken liegt und sich selber helfen muss? Ein serbisches Forscherteam von der Universität Belgrad hat genau dies an Griechischen Landschildkröten (Testudo hermanni) untersucht. Die drei Forscherinnen haben Exkursionen in die hügeligen und felsigen Regionen des Balkans unternommen – dorthin, wo auch die Griechische Landschildkröte beheimatet ist.
Über 100 Schildkröten gekippt
Dort haben Ana Golubovic und ihre Kolleginnen Schildkröten auf den Rücken gedreht und zugeschaut, was passiert. Tatsächlich kann es laut der kürzlich im Fachjournal «Zoologischer Anzeiger» veröffentlichten Studie durchaus vorkommen, dass eine Schildkröte in dem unwegsamen Terrain auf den Rücken fällt. Besonders dann, wenn sie von Feinden angegriffen oder aber im Balzkampf gegen einen männlichen Artgenossen den Kürzeren ziehen würde.
Mit mehr als 100 Schildkröten haben die Forscherinnen also das Spiel gespielt, sie umgedreht, die Stoppuhr gezückt und gestoppt, wenn sich das Tier wieder aufgerichtet hatte. Die meisten Exemplare brachten das nämlich von allein fertig, indem sie mit ihren Beinen ruderten und ihre Position langsam aber sicher verbesserten, bis sie schliesslich an den Punkt gelangten, wo ihr Panzer wieder auf die richtige Seite kippte. Das Video unten von einem Schildkrötenhalter zeigt, wie es gemacht wird (Ab 1:31).
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Video: YouTube/RussianTorts
Die Forscherinnen haben natürlich nicht nur «Schildkrötendrehen» gespielt, weil es ihnen Spass bereitete. Sie wollten herausfinden, inwiefern die Grösse und Form des Schildkrötenpanzers beeinflusst, wie schnell sich das Tier wieder aufrichten kann. Herausgefunden haben sie dabei – nicht ganz überraschend – dass Schildkröten mit runderen und kleineren Panzern weniger lange benötigten, bis sie wieder aufrecht standen als grössere Exemplare mit flacheren Panzern.
Sie schliessen aus ihren Erkenntnissen, dass die durchschnittliche Panzergrösse von Griechischen Landschildkröten eine Kompromisslösung ist. Der Vorteil von kleinen Panzern ist eine grössere Überlebenschance nach dem umkippen. Schliesslich ist eine auf dem Rücken liegende Schildkröte völlig wehrlos und ein gefundenes Fressen für Räuber, wenn sie sich nicht rasch wieder aufrichten kann.
Wieso nicht runder?
Doch auch grosse Panzer haben Vorteile. Vor allem bei Männchen. Einerseits scheinen die Schildkrötenweibchen auf grosse Jungs zu stehen; sie haben bessere Chancen, bei ihnen zu landen und sich so fortzupflanzen. Dies nicht zuletzt, weil grössere Männchen beim Paarungskampf beste Chancen gegen kleinere Rivalen haben. Und andererseits ist es schwieriger, eine grosse, schwere Schildkröte überhaupt erst aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Als Kompromiss hat sich also die Körpergrösse der Griechischen Landschildkröte wohl beim heutigen Durchschnitt eingependelt. Wieso sich evolutionär gesehen hingegen ein stark gewölbter, runder Panzer gegenüber einem abgeflachten nicht konsequent durchgesetzt hat, beantwortet die Studie nicht. Vielleicht, weil eine hohe Kuppel auf dem Rücken den Körperschwerpunkt der Tiere nach oben verschieben würde, was das Umkippen wiederum wahrscheinlicher machen könnte.
Originalpublikation:
Ana Golubovic et al.: «Geometry of self righting: the case of Hermann’s tortoises», Zoologischer Anzeiger (2015).
doi:10.1016/j.jcz.2014.12.003
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