Für die Stummelflügel verantwortlich sind ähnliche Gene, die beim Menschen für gewisse Krankheiten verantwortliche sind. Die Mutationen rühren aus Genen, die beim Menschen mit der Entwicklung des Skeletts und der Gliedmassen in Verbindung stehen. Dies berichten Wissenschaftler aus den USA und aus Chile im Fachmagazin «Science».  

Flugunfähige Vogelarten gibt es einige, wie etwa Strausse, Emus, Kiwis und Pinguine. Trotz der Häufigkeit des Phänomens ist über seine genetischen und molekularen Grundlagen noch wenig bekannt.  

Die Forscher verglichen das Erbgut des auf den Galapagosinseln vorkommenden Kormorans, der Galapagosscharbe (Phalacrocorax harrisi), mit dem von drei fliegenden Kormoran-Arten. Die Flügel des flugunfähigen Vogels sind stark verkürzt. Auch seine Brustmuskeln sind unterentwickelt, einige andere Körpermerkmale verändert.

Mutierte Gene  
Die Analyse des Erbguts zeigte, dass bei diesem Vogel eine Reihe von Genen mutiert ist, die mit der Bildung und Funktion von Cilien in Verbindung stehen. Cilien sind haarähnliche Ausstülpungen auf Zellen, die etwa für die Kommunikation der Zellen untereinander notwendig sind.  

Beim Menschen sind eine Reihe von Erkrankungen bekannt, die auf Veränderungen der Cilien zurückgehen. Sie werden Ciliopathien genannt und können unter anderem zu Entwicklungsstörungen der Gliedmassen führen, etwa zur Ausbildung zu vieler Finger oder Zehen oder zur Verwachsung derselben. Häufig sind auch andere Organe wie etwa die Niere oder das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen.  

Ob beim Kormoran vergleichbare Veränderungen auftreten oder spezifisch die Bildung der Gliedmassen betroffen ist, müssten weitere Studien zeigen, schreiben die Forscher in einem Kommentar zur Studie. Die Untersuchung der Auswirkungen solcher Mutationen auch bei anderen Tier- oder Pflanzenarten werde dazu beitragen, noch mehr Geheimnisse der Evolution zu enträtseln.

Darwins Erklärung  
Der Evolutionsbiologe Charles Darwin (1809-1882) sah in der Entwicklung von Flugunfähigkeit bei Vögeln einen Beleg für seine Theorie der natürlichen Selektion. Dieser Theorie zufolge überleben stets diejenigen Vertreter einer Art, die an die jeweils vorherrschenden Umweltbedingungen am besten angepasst sind.  

Fehlen in einem Lebensraum etwa Feinde, vor denen man rasch fortfliegen muss, kann es sich auszahlen, auf die Bildung von imposanten Flügeln zu verzichten – sie stören nämlich nur beim Tauchen auf der Jagd nach Futter.  

Vögel, die aufgrund von genetischen Mutationen nur Stummelflügel ausbilden, sind dann nicht im Nachteil, sondern im Vorteil. Ihre Überlebenswahrscheinlichkeit steigt, sie produzieren mehr Nachkommen, an die sie ihre Mutationen weiterreichen – bis sich das Merkmal im Laufe von Jahrmillionen der Evolution in der Population durchsetzt.