Mexiko
Der Tanz der Glühwürmchen
In einem Wald in Mexiko spielt sich jedes Jahr ein faszinierendes Schauspiel ab. Glühwürmchen paaren sich und leuchten dabei synchron. Das lockt Touristen an – und birgt Gefahren für die Insekten.
Die Glühwürmchen der Art Macrolampis palaciosi gehören unter den weltweit ungefähr 2000 bekannten Arten von Leuchtkäfern zu diesem einen Dutzend, das nicht nur einfach blinkt oder leuchtet, um das andere Geschlecht auf sich aufmerksam zu machen. Diese Arten blinken zwar auch, aber sie tun es gleichzeitig. Zu Tausenden fliegen die Männchen auf und stellen ihre Lichter ein und wieder aus – synchron.
Das ergibt ein wunderschönes Schauspiel, das wahrscheinlich jeder gerne sehen würde. So hat sich in der Kleinstadt Nanacamilpa im mexikanischen Bundestatt Tlaxcala, der auf über 2000 Metern über Meer liegt, in den letzten Jahren ein regelrechter Glühwürmchen-Tourismus entwickelt. Waren es 2012 noch 4000 Menschen, die Macrolampis leuchten sehen wollten, verzeichnete man 2017 laut dem «National Geographic» schon fast 100'000 Besucher. Sie alle kommen in der Zeit vom Juli bis zum August. Zur Paarungszeit der Glühwürmchen.
Wunderschöner Lichtertanz: die Glühwürmchen von Nanacamilpa in einem Kurzfilm von Blake Congdon:
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Diese sind nach wie vor sehr zahlreich und zeigen ihren leuchtenden Tanz – doch in den letzten zehn Jahren sei die Population kleiner geworden, sagt die Biologin Tania Lopez Palafox, welche die Glühwürmchen für ihre Doktorarbeit erforscht, im «National Geographic». Sie wünscht sich deshalb von den zuständigen Behörden Massnahmen wie den Bau eines Holzstegs, damit die Besucher die sich auf dem Boden befindenden und nur schwach leuchtenden Weibchen nicht zertreten. Es sei ausserdem wichtig, auf Insektensprays und künstliche Lichtquellen wie Taschenlampen oder Handys zu verzichten, da die Glühwürmchen sonst nicht mehr richtig miteinander kommunizieren können.
Rätselhaftes Verhalten
Da Macrolampis palaciosi erst vor sieben Jahren beschrieben wurde, ist noch nicht viel über die Lebensweise der Art bekannt. Tania Lopez will dies ändern – und sie ist nicht alleine. Denn auch andere Forscher interessieren sich für die Tiere und ihr synchrones Leuchten. Wie und weshalb sie das tun, beschäftigt die Wissenschaft schon seit den 1960er-Jahren. Damals glaubte ein Forscher-Ehepaar, dass Glühwürmchen ihr Licht nahegelegenen Lichtblitzen anpassen können und sich so nach und nach alle synchronisieren. Diesen Sachverhalt belegte 1990 der Mathematiker Steve Strogatz in einem «Modell für das synchronisierte Schwingen von biologischen Oszillatoren».
Die Synchronizität, so glauben andere Forscher, könne ein Zufallsprodukt der Evolution sein, bei dem ein Männchen, in dem es Sekunden vor dem anderen blinkt, attraktiver auf die Weibchen wirkt. So zeigten japanische Forscher 2014 bei Japanischen Laubfröschen, das gleichzeitiges Quaken den Schalldruck verstärkt und damit generell mehr Weibchen angelockt werden. Dennoch quaken benachbarte Frösche zueinander zeitlich versetzt, um ihr Territorium zu verteidigen. Es entstehen so zwei gegeneinander anquakende Froschchöre.
Bei Macrolampis könnte es sich beim gleichzeitigen Leuchten aber auch um ein Balzritual handeln, dessen Mechanismen noch nicht verstanden sind. Wie Lopez beobachtet hat, scharen sich oft viele Männchen um ein Weibchen. Ihre Synchronizität verunmöglicht es diesem, ein Signal an ein einzelnes Tier zu senden. Es bleibt für Lopez auf jeden Fall noch viel zu erforschen.
Tier des Jahres 2019
Auch in der Schweiz gibt es Glühwürmchen – und zwar vier Arten: den Kurzflügelleuchtkäfer, den Italienischen Leuchtkäfer, den Kleinen Leuchtkäfer und den Grossen Leuchtkäfer. Letzterer wurde von Pro Natura zum Tier des Jahres 2019 ernannt («Tierwelt Online» berichtete). Er ist der Häufigste der vier und in der ganzen Schweiz verbreitet.
Im Unterschied zu seinen Verwandten in Mexiko leuchtet beim Grossen Leuchtkäfer das Weibchen, damit die Männchen es finden und sich mit ihm paaren können. Aufgrund der immer heller erleuchteten Nächte (lesen Sie hier mehr zur Lichtverschmutzung) gelingt dies an vielen Orten nicht mehr. Findet der Grosse Leuchtkäfer allerdings einen dunklen, strukturreichen Lebensraum oder naturnahen Garten mit ausreichend Schnecken, die den Larven als Futter dienen, lässt sich auch in der Schweiz eine vielleicht nicht ganz so spektakuläre, aber dafür nicht weniger schöne Lichtshow erleben.
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