«Den Tieren wurde beim Kupieren ohne medizinischen Grund Leid und Schmerz zugefügt», sagt Veterinärmedizinerin Mirja C. Nolff, die am Tierspital Zürich tätig ist. «Die Hunde haben keinen gesundheitlichen Vorteil, es geht im Wesentlichen nur um optische Veränderungen.» So zum Beispiel das angestrebte Bild: der böse Kampfhund mit kupierten Ohren und kupiertem Schwanz. Bei Jagdhunden kann das Kupieren laut der Veterinärmedizinerin aber medizinische Gründe haben: Es soll sie vor schlimmen Verletzungen schützen.

Das Wort Kupieren stammt aus dem Französischen und heisst so viel wie «abschneiden». Doch woher kommt diese Praktik? Der Ursprung des Kupierens ist etwas umstritten, klar ist aber, dass es vorab in der Hundekampfszene und bei Jagdhunden gemacht wurde. Bei Hundekämpfen brachten abgeschnittene Ruten und Ohren einen makabren Vorteil: Der Gegner konnte sich nicht darin verbeissen und sie im schlimmsten Fall abreissen. Auch Jagdhunde sollte das Amputieren der Körperteile vor Verletzungen schützen. Irgendwann gehörten kupierte Ohren oder Ruten aber auch einfach zum «Schönheitsbild» gewisser Rassen und wurde sogar in den Rassenstandards von Dobermännern, Doggen und Rottweilern verankert.

Beim Kupieren der Ohren wird ein Teil der Ohrmuschel und des -knorpels entfernt. Meist werden die Ohren danach aufgestellt. Wie beispielsweise bei Dobermännern mit den spitzen, nach oben gerichteten Ohren, die nicht natürlich sind. Ohren und Rute wurden meist bei jungen Welpen kupiert, da die Körperstellen schneller heilen. Dies erfolgte auf verschiedene Arten: Bei einer Methode wurde mit einem Baumwollfaden die Rute am vierten Wirbel abgeschnürt, wodurch die Rute nach einigen Tagen von selbst abfiel. Gängig war es auch, dem Hund am dritten Lebenstag die Rute einfach mit einem Messer oder einer Schere abzuschneiden. Um den Schmerz der Hunde zu lindern, wurden sie mit Alkohol oder Schlafmohn sediert. Wenn Hunde heute noch aus medizinischen Gründen kupiert werden, finden diese Operationen unter Vollnarkose statt.

«Kupier-Tourismus»

Viele Länder haben das Kupieren verboten – auch die Schweiz. Im Jahr 1991 wurde das Amputieren der Ohren und im Jahr 1997 das Amputieren der Ruten untersagt. Im Jahr 2010 legte der kynologische Dachverband FCI fest, dass Rassenstandards keine chirurgischen Eingriffe mehr umfassen dürfen. So verschwanden kupierte Hunde nach und nach aus der Zucht. So ist das Kupieren auch in unserem Nachbarstaat Deutschland verboten, der Import von bereits kupierten Tieren aber nicht, weshalb das Land lange mit einem regelrechten Kupier-Tourismus zu kämpfen hatte.

Anders die Schweiz: Hier ist die Einfuhr schonkupierter Hunde verboten und auch sonst gelten strenge Auflagen: Kupierte Hunde, die beispielsweise als Tierschutzfall adoptiert oder aus medizinischen Gründen kupiert sind, können nur mit einem Eintrag im Heimtierpass legalisiert werden.

Die Haltung in der Schweiz ist dann unproblematisch, schwierig wird es aber, wenn der Hund mit ins Ausland fährt. Im schlimmsten Fall wird er an der Grenze abgewiesen. Um dies zu verhindern, tun Hundebesitzer eines kupierten Pitbulls aus dem Tierheim gut daran, vor Auslandreisen eine Bestätigung des kantonalen Veterinärdienstes einzuholen.

Kupieren macht aggressiv

Das Kupieren fügt den Hunden nicht nur kurzzeitige Schmerzen zu, bis die Wunden verheilt sind, sondern hat auch Auswirkungen auf das ganze Leben der Vierbeiner. So fehlt bei gewissen Bewegungsabläufen die Rute zum Ausbalancieren, und die ganze Kommunikation des Hundes ist gestört.

Gertrud Rall, eine erfahrene Hundetrainerin aus Wollerau im Kanton Schwyz, erklärt: «Hunde kommunizieren mit ihren Ohren und ihrer Rute.» Die Haltung und Bewegung der Rute gebe Auskunft über die Gefühlslage des Hundes: Ist die Rute hängend, ist der Hund entspannt. Anders bei einer steil aufgestellten und zitternden Rute, die Angriffsbereitschaft signalisiert. Auch die Ohren sind wichtig für den Ausdruck des Hundes: Aufgestellte Ohren deuten auf Aufmerksamkeit hin, zurückgezogene Ohren auf Angst, eng angelegte Ohren auf einen baldigen Angriff. «Kupiert man Rute undOhren, ist das Ausdrucksverhalten des Hundes stark eingeschränkt. Dies kann zu Verhaltensstörungen führen: Kommt es bei der Verständigung zwischen Art-genossen zu körpersprachlich bedingten Missverständnissen, kann sich aggressives Verhalten entwickeln», führt Gertrud Rall weiter aus. Dies bestätigte auch eine Studie der Verhaltensforscherin Dr. Dorit Feddersen-Petersen zu rutenkupierten Hunden. Sie fand heraus, dass diese Hunde häufiger aggressives Verhalten an den Tag legen als nicht kupierte Hunde.