Verhaltensprobleme bei Hunden und Katzen
Was tun, wenn das Haustier verrücktspielt
Aggressiv an der Leine, unsauber zu Hause: Verhaltensprobleme bei Haustieren können vielschichtig sein. Eine Tierpsychologin kann helfen, sie zu bewältigen. Vorausgesetzt, man ist als Besitzer bereit, viel Zeit und Geduld zu investieren.
Der kleine Terrier legt den Kopf schief, stellt die Ohren auf und springt freudig in die Luft. Mit schnellen Bewegungen schnappt er nach den Blättern, die der Herbstwind von den Bäumen weht. Ein niedliches Verhalten, das bei seinen Besitzern einen Jö-Effekt hervorruft. Bei Sabrina Heller hingegen fangen die Warnleuchten an zu blinken. Sie weiss: «Was harmlos wirken mag, ist ein klares Jagdverhalten. Es sollte unterbunden werden.» Falls nicht, werde aus den Blättern irgendwann die Nachbarskatze und dann der Jogger oder der Fahrradfahrer.
Heller kennt sich aus, wenn es um Katzen und Hunde geht: Sie ist gelernte Tierarztgehilfin, ausgebildete Junghundetrainerin, suchte mehrere Jahre geeignete Welpen für eine Blindenhundeschule und absolvierte schliesslich die Ausbildung am Institut für Ethologie und Tierpsychologie. Vor einem Jahr, mitten in der Pandemie, eröffnete sie ihr eigenes Unternehmen, genannt «Vertrauenstiere.ch». Sabrina Heller wird dann zu Hilfe gerufen, wenn sich Haustiere unangemessen verhalten. Etwa, wenn ein Hund aggressiv an der Leine zieht, sich häufig mit Artgenossen streitet oder aber sehr ängstlich ist. Auf solche Verhaltensauffälligkeiten ist Heller spezialisiert: Sie schaut sich die Tiere an, beobachtet ihr Fehlverhalten genau und hilft dann ihnen und ihrem Herrchen, Schritt für Schritt davon wegzukommen. Und so – getreu ihres Slogans – das Vertrauen zwischen Mensch und Tier aufzubauen.
Sehr oft dreht es sich bei Hellers Arbeit um das Jagen. «Das ist ein riesiges Thema», so die Tierpsychologin. Dabei gibt es zwei Arten von Hunden: jene, die etwas sehen, ihr Ziel fixieren und losrennen. Und jene, die eine Spur aufnehmen, die Nase auf den Boden und dem Geruch folgen. So oder so seien die Tiere dann fast nicht mehr abrufbar – egal, wie sehr es ihr Herrchen versucht. «In solchen Fällen gehe ich zurück an den Anfang», erklärt die Baselbieterin. Einerseits wird der Hund an die Leine genommen, sodass er gar nicht wegrennen kann. Andererseits beginnt sie mit dem Training an einem möglichst ablenkungsfreien Ort. Jagt der Hund hauptsächlich im Wald, startet Heller im Quartier. Sind seine Lieblingsziele Fahrradfahrer, finden die Übungen fern ab von Velowegen statt. Auf diese Weise können sich Tier und Mensch erst einmal ganz darauf konzentrieren, einen sauberen Abruf anzutrainieren. Erst nach und nach wird die Schwierigkeit dann durch mehr Ablenkung erhöht.
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So zumindest das Grundprinzip. Ganz so einfach sei es aber nicht, so die Expertin: «Jedes Tier ist anders, jedes Tier hat seinen eigenen Charakter.» Erhält Heller einen Anruf, besteht der erste Besuch deshalb hauptsächlich aus Beobachten. Erst wenn sie sieht, wie sich der Hund normalerweise verhält, kann sie die richtigen Schritte einleiten.
Früh genug ansetzen
Meist wird Sabrina Heller gerufen, wenn der Schaden schon angerichtet ist. Dann, wenn der Hund schon Jahre mit dem Fehlverhalten lebt und sich dieses tief eingeprägt hat. In solchen Fällen dauere das Training länger, sagt sie: «Man darf nicht denken, dass es von heute auf morgen klappt.» Den Hund wieder auf die richtige Bahn zu lenken sei ein monatelanges Vorhaben, das viel Geduld und Zeit in Anspruch nehme. Beides müssen die Halterinnen und Halter mitbringen – auch wenn manch einer den Mut verliert.
Je früher man sich Hilfe sucht, desto besser. «Am besten wäre es, wenn sich die Leute schon bei mir melden würden, bevor sie sich einen Hund oder eine Katze zulegen», meint Sabrina Heller. Meist denken die Menschen nämlich zu wenig über sich und das Tier nach, das sie aufnehmen wollen. «Ein Haustier muss zur jeweiligen Lebensweise des Menschen passen», betont die 52-Jährige. Mache man sich früh genug Gedanken darüber, wie man wohnt, wie der eigene Tagesrhythmus aussieht und wie viel Zeit man für das Tier erübrigen kann, könnten viele Probleme bereits ausgemerzt werden, bevor sie überhaupt entstehen. Eine Tierpsychologin wie Heller kann helfen, diese Fragen zu beantworten, und Tipps geben, welche Rasse passen würde und welche nicht.
«Vom ersten Tag an sollte der Hund klare Regeln und Grenzen haben.»
Ist der Welpe einmal zu Hause angekommen, gilt es zudem, sofort mit dem Training zu beginnen. «Vom ersten Tag an sollte der Hund klare Regeln und Grenzen haben», sagt Sabrina Heller. Beispielsweise sollte man das Jungtier nicht von jedem Menschen anfassen und streicheln lassen – sonst rennt der Hund auch als Erwachsener freudig auf jeden Fremden zu, was wiederum oft zu Problemen führt. «Von Anfang an sollte der Mensch bestimmen, zu wem der Hund darf und zu wem nicht.» Das Gleiche gilt für den Kontakt zu Artgenossen: Darf der Welpe anfangs mit allen Hunden an der Leine spielen, sei er verwirrt, sobald ihm sein Herrchen dies irgendwann verbiete und ihn zurückhalte, so Heller: «Das führt dann zu Leinenaggressivität.»
Keine Depression, keine Schizophrenie
Auch wenn sich das Haustier auffällig verhalten kann: Einen Katalog an psychischen Krankheiten wie beim Menschen gibt es für Tiere nicht. Schizophrene oder depressive Katzen sind den Schweizer Tierpsychologen nicht bekannt. Zwar seien durchaus manchmal Parallelen zum menschlichen Verhalten erkennbar. Da das Tier aber nicht sagen kann, was ihm genau fehlt, würden sich solche Störungen gar nicht diagnostizieren lassen. Wer hingegen das Gefühl hat, seine Katze mag ihn nicht, kann damit durchaus recht haben: Sympathie und Antipathie empfinden nämlich auch unsere Haustiere. Wird die Abneigung zu stark, bleiben Hunde trotzdem bei ihrem Herrchen, immerhin sind sie von diesem abhängig. Katzen hingegen würden sich einfach ein neues Zuhause suchen, wenn ihnen das alte nicht mehr passt.
Katzen sind die schwierigeren Patienten
Die meiste Zeit beschäftigt sich Sabrina Heller mit Hunden, wegen Katzen rückt sie weniger oft aus. «Sie sind ein wenig die Egoisten unter den Haustieren, gehen raus, machen ihr eigenes Ding. Ihre Probleme sind deshalb oft weniger präsent.» Doch auch Stubentiger können nervige Verhaltensweisen entwickeln. Hier komme dann der psychologische Teil ihrer Arbeit zum Tragen, erklärt sie. Während die Grenzen zwischen Training und Tierpsychologie beim Hund sehr verwischt seien, gehe es bei der Katze wirklich sehr ums Beobachten.
Ein häufiges Problem sei beispielsweise der Stuhlgang: Katzen und Kater, die plötzlich anfangen, zu markieren, oder immer wieder an dieselbe Stelle urinieren und so ihrem Menschen mitteilen wollen, dass ihnen irgendetwas nicht passt. Hier gilt es herauszufinden, was genau die Katze stört. Als Allererstes steht vor allem bei Unsauberkeit der Gang zum Tierarzt an, um eine Blasenentzündung oder andere Erkrankungen auszuschliessen. Liegt eine solche nicht vor, begibt sich Heller auf die aufwändige Spurensuche. «Oft handelt es sich um Kleinigkeiten», wie etwa die falsche Katzenstreu oder aber dem Büsi passt schlicht die Positionierung des Kistchens nicht.
Wichtig sei es auch, dass das Zuhause katzenfreundlich gestaltet ist. «Katzen leben extrem in der dritten Dimension», erklärt Sabrina Heller. Sie müssen die Möglichkeit haben, die Welt von oben herab zu betrachten. Hohe Kratzbäume und viele Aussichtsplattformen sind ein Muss. Diese wiederum müssen richtig positioniert sein, ansonsten werden sie von den anspruchsvollen Vierbeinern nicht angenommen.
«Katzen sind die schwierigeren Patienten», gesteht Heller und lacht kurz auf. Herauszufinden, was sie genau stört, sei oft aufwändig und benötige viele Versuche. Hat sie eine vermeintliche Lösung für das Problem gefunden, gäbe es keine Garantie, dass diese vom Stubentiger auch angenommen wird. Trotzdem brauche es oft weniger Zeit als beim Hund, um tatsächlich ans Ziel zu kommen. Funktioniert ein Lösungsansatz, gestaltet sich dieser oft erstaunlich simpel – wie etwa mehr spielen. «Gerade Wohnungskatzen müssen ausreichend beschäftigt werden», betont die Expertin. Dafür müsse es nicht immer teures Spielzeug sein, viele Dinge lassen sich auch selbst basteln. Aus dem Karton einer Toilettenpapierrolle etwa kann man ein super Futterspielzeug basteln – einfach die Enden einklappen, ein paar Löcher hineinschneiden und die Rolle mit Leckerchen füllen. Oder aber man verstecke das Futter gleich ganz in der Wohnung. «Dann muss die Katzen den ganzen Tag über ihren Kopf und ihre Nase benutzen und ist so schön ausgelastet.»
Mehr spannende Artikel rund um Tiere und die Natur?Dieser Artikel erschien in der gedruckten Ausgabe Nr 06/2022 vom 24. März 2022. Mit einem Schnupperabo erhalten Sie 6 gedruckte Ausgaben für nur 25 Franken in Ihren Briefkasten geliefert und können gleichzeitig digital auf das ganze E-Paper Archiv seit 2012 zugreifen. In unserer Abo-Übersicht finden Sie alle Abo-Möglichkeiten in der Übersicht.
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