Thiaro ist tief ins Traumland abgetaucht, grummelnde Schnarchlaute verraten es. «Bei jeder Behandlung döst Thiaro unmittelbar nach Beginn weg», verrät Tamara Nideröst. Es sind ihre sanften und wirkungsvollen Massagegriffe, die den 13-jährigen Labradorrüden entspannen. Besitzerin Isabelle kommt mit ihrem Hund aber nicht nur zur Wellness seit einem halben Jahr regelmässig in die Rehabilitations- und Trainingspraxis Dog Fitness nach Rothenburg (LU). Der ältere Hundeherr leidet an Arthrose und hat muskuläre Probleme, auf die er mit Durchfall reagierte. «Lange musste ich Thiaro täglich Schmerzmittel verabreichen. Die physio- und osteopathische Behandlungen verschaffen ihm so gute Linderung, dass ich kaum mehr in die Tablettendose greifen muss», erzählt die glückliche Hundehalterin.

Solche kooperativen Patienten sind Tamara Nideröst lieb, der es bei ihrer Tätigkeit immer darum geht, die Lebensqualität der Hunde zu verbessern. Oft landen aber auch Hunde mit Aggressionsproblematik bei ihr in der Praxis. Auf chronische Schmerzen würden Hunde nämlich nicht selten mit Verhaltensauffälligkeiten reagieren, so die Fachfrau. «Die Gesellschaft sieht, wie böse ein solcher Hund ist, ich aber sehe, wie stark er leidet.» Verhaltenstierärzte, mit denen die Therapeutin einen engen Austausch pflegt, überweisen ihr diese Hunde für eine Behandlung. Denn Tamara Nideröst bringt nicht nur das nötige medizinische Fachwissen mit, sie hat in der Luzerner Kleintierklinik Obergrund auch den korrekten Umgang mit aggressiven Hunden erlernt.

Durch Reha-Hunde zum Traumberuf

In dieser Tierarztpraxis absolvierte Nideröst ihre Ausbildung zur Tiermedizinischen Praxisassistentin. Bald nach der Lehre wurde ihr klar, dass sie sich weiterentwickeln möchte. Die Weiterbildungsmöglichkeiten in diesem Beruf sind allerdings beschränkt. «Dank unseres Neurologen Frank Steffen kam ich in Kontakt mit der Hunde-Rehabilitation, was mich sehr interessierte und auf die Idee brachte, mich zur Hundephysiotherapeutin auszubilden», so die Therapeutin Tamara Nideröst.

Gemeinsam mit einer Arbeitskollegin aus der Tierklinik schrieb sich die junge Frau in Karlsruhe (DE) für die Ausbildung zur Hundephysiotherapeutin nach Wosslick ein. Das ist im deutschsprachigen Raum die führende Schule in diesem Bereich und damals, Mitte der 2010er-Jahre, gab es in der Schweiz noch gar keine Bildungsinstitution für Hundephysiotherapie. Dank ihrer medizinischen Vorbildung hielt Tamara Nideröst nach neun Monaten das Diplom in der Hand und wagte 2017 gemeinsam mit ihrer Kollegin den Schritt, eine eigene Praxis zu eröffnen. Bald darauf nahm Nideröst auch die zweijährige Ausbildung zur Hundeosteopatin in Angriff und schloss diese 2019 erfolgreich ab.

Ohne Hände läuft nichts

In den zwei ebenerdigen Behandlungsräumen bieten Tamara Nideröst und ihre mittlerweile neue Therapeutenkollegin eine breite Palette an Behandlungen an. «Oft begleiten wir Hunde für eine Rehabilitation nach einer Hüft- oder Bandscheibenoperation sowie einem Kreuzbandriss», sagt die Besitzerin von drei Hunden. Sie hätten aber auch viele Diensthunde in der Praxis, mit denen sie beispielsweise prophylaktische Bewegungstrainings absolvieren, manchmal würden sie sehr alte Hunde palliativ mit Massagen begleiten und dann gäbe es auch Hunde, die zu ihnen geschickt würden, um im Vorfeld einer Operation Muskulatur aufzubauen.

Um gelenkschonend Muskulatur aufzubauen und zu erhalten, eignet sich das Unterwasserlaufband bestens. Dank der sorgfältigen Angewöhnung mit vielen Belohnungen, würden sich selbst wasserscheue Hunde über die Bewegung im warmen Wasser freuen, erzählt Tamara Nideröst. Zur Bewegungstherapie stehen zudem Cavalettis, Balancepads oder ein kleines Trampolin zur Verfügung. Um die Muskulatur zu lösen und die Selbstheilung anzuregen, arbeiten die beiden Therapeutinnen auch mit Therapielasern mit einer speziell niedrigen Fibrationsfrequenz und mit Ultraschallgeräten. Blutegel leisten zudem sehr gute Dienste, um Wunden, Ödeme oder Entzündungen zu behandeln. «Die Hände sind aber klar unser wichtigstes Arbeitsmittel, ohne die gelingt keine Therapie», sagt die sympathische Tierliebhaberin.

Mit Vertrauen und einem ganzheitlichen Blick

Wichtig sei ihr, ganzheitlich zu arbeiten. Wird die Grundursache nicht behandelt und nur Symptombekämpfung betrieben, nützten alle Massagen und Bewegungstherapien nichts, ist sich Tamara Nideröst bewusst. Deshalb würde sie Hunde teils an Ernährungsberater, eine Homöopathin oder den behandelnden Tierarzt überweisen. Mittlerweile sei ihre Therapiemethode von den Tierärzten als wirksam anerkannt, sodass die meisten Hunde von einer Praxis oder Klinik zu ihr überwiesen würden. Das sei noch nicht so gewesen, als sie 2017 ihre Dog-Fitness-Praxis eröffnet habe, erzählt die Fachfrau. Damals sei ihr Angebot noch kaum als Bestandteil der tiermedizinischen Behandlungsmöglichkeiten akzeptiert gewesen.

Von der Chiropraktik würde von amerikanischen TV- und Social-Media-Berühmtheiten ein falsches, viel zu brachiales Bild vermittelt. Viele Besitzer seien deshalb der Meinung, dass nur laut knackende Geräusche einen Therapieerfolg ausmachen würden. «Wir arbeiten niemals direkt am Schmerz, das würde nur Traumata, Misstrauen und Verspanntheit auslösen», erklärt Tamara Nideröst. Eine Vertrauensbasis aufzubauen, sei in der Zusammenarbeit mit dem Tier sehr wichtig. Aber auch die Mitarbeit der Besitzer ist Voraussetzung für positive Therapieergebnisse. «Ich kann vieles initiieren – brauche aber auch die Besitzer, die mitmachen, also zu Hause beispielsweise Bewegungsübungen, Quarkwickel oder Massagegriffe anwenden», so Nideröst. Sie nimmt sich gerne ausreichend Zeit für Anleitungen in ihrer Praxis und ist auch nach der Behandlung bei Fragen erreichbar. «Ich möchte nicht, dass die Hundehalter die Übungen nicht machen können, weil sie unsicher sind, wie sie korrekt ausgeführt werden.»

Erfreulich viele Hundehaltende seien sehr offen für die Behandlungsmöglichkeiten, die sie anbiete, sagt die Praxisbesitzerin. Sie bekäme viele Sporthunde zu sehen, aber auch zahlreiche Familienhunde. Gewisse Rassen, wie etwa Schäferhunde und Französische Bulldoggen, seien aufgrund ihrer gesundheitlichen Prädispositionen etwas öfter vertreten. Gerade osteopathische Behandlungen würden aber nicht nur bei gesundheitlichen, sondern auch bei psychischen Problemen Erleichterung bieten. Beispielsweise bei hyperaktiven Hunden, die Schwierigkeiten hätten, abzuschalten und zur Ruhe zu kommen, hat Tamara Nideröst schöne Ergebnisse erzielt. «Bereits drei Sitzungen können ausreichen, um einen Hund zu mehr Entspannung zu führen», sagt die Therapeutin.

Und so hat sie in ihrer Praxis mittlerweile so grossen Andrang, dass sie ihr 50-Prozent-Pensum in der Tierklinik Obergrund, das sie anfangs als Absicherung beibehielt, mittlerweile ganz aufgeben konnte. Und ab und an ist übrigens sogar die eine oder andere Katze zu Gast in den Therapieräumlichkeiten von Tamara Nideröst.