Verwaltungsgericht schreitet ein
Hirnforschung an Zebrafinken wird verboten
Die ETH und die Universität Zürich planten einen Tierversuch mit Zebrafinken – und wird nun vom kantonalen Verwaltungsgericht zurückgepfiffen. Tierschutzorganisationen freuen sich über den «wegweisenden» Erfolg.
Mit Kopfimplantaten an über 100 von total 136 Zebrafinken sollte in einem Tierversuch die Mechanismen im Gehirn der Tiere entschlüsselt werden, die hinter der Erzeugung von Vogelgesang stehen. Dafür reichte das Institut für Neuroinformatik der ETH und Universität Zürich im Oktober 2018 ein Gesuch ein. Via Kabel am Gehirn sollten täglich bis zu neun Stunden lang Experimente durchgeführt werden, zudem würden die Vögel einzeln in kleinen Boxen gehalten werden. Die Forschenden stuften die Eingriffe als mittelgrade Belastung ein. Zwar habe das Zürcher Veterinäramt beim Bewilligungsprozess dem Versuch den höchsten Belastungsgrad zugeordnet, trotzdem wurde das Gesuch schliesslich bewilligt. Gegen diesen Entscheid haben die drei Tierschutzdelegierten der Kommission Rekurs erhoben.
Kein konkreter Erkenntnisgewinn
Das Zürcher Verwaltungsgericht hob nun in seinem Urteil die Bewilligung für den Tierversuch auf. Die Finken-Versuche würden nur einen geringen Erkenntnisgewinn bieten und ein tatsächlich medizinischer Nutzen sei nicht konkret absehbar. Die Versuche sollten laut den Forschenden nicht nur Aufschlüsse über die neuronalen Mechanismen in Bezug auf das Singverhalten, sondern auch Erkenntnisse über den menschlichen Spracherwerb sowie zur Entwicklung von Sprachstörungen wie Stottern liefern. Über den Entscheid des Verwaltungsgerichts sind besonders der Zürcher Tierschutz, Animalfree Research und die Stiftung Tier im Recht hocherfreut, wie die Tierschutzorganisationen in einer gemeinsamen Mitteilung schreiben.
«Den Finken wären schwerste Belastungen zugefügt worden, ohne dass ein konkreter Nutzen für den Menschen absehbar gewesen wäre», so Nadja Brodmann vom Zürcher Tierschutz. «Hirnoperationen, trostlose Einzelhaltung und stundenlanges Anbinden während der Messungen – solche Forschung ist in höchstem Masse unethisch.»
Schweregrade als Mass der BelastungGemäss dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV:
Schweregrad 0
keine Belastung, z.B. Beobachtungsstudien:
Eingriffe und Handlungen an Tieren zu Versuchszwecken, die den Tieren keine Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, sie nicht in Angst versetzen und ihr Allgemeinbefinden nicht beeinträchtigen; Fast die Hälfte der Versuchstiere wird in Tierversuchen eingesetzt, in denen sie nur mit dem Schweregrad 0 belastet werden.
Schweregrad 1
leichte Belastung:
Eingriffe und Handlungen an Tieren zu Versuchszwecken, die kurzfristige leichte Schmerzen oder Schäden oder eine leichte Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens bewirken;
Schweregrad 2
mittlere Belastung:
Eingriffe und Handlungen an Tieren zu Versuchszwecken, die kurzfristige mittelgradige oder mittel- bis langfristig leichte Schmerzen, Leiden oder Schäden, eine kurzfristige mittelgradige Angst oder eine kurz- bis mittelfristige schwere Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens bewirken.
Schweregrad 3
schwere Belastung, z.B. Verpflanzung von aggressiven Tumoren in Tiere:
Eingriffe und Handlungen an Tieren zu Versuchszwecken, die mittel- bis langfristige mittelgradige Schmerzen oder schwere Schmerzen, langfristiges mittelgradiges bis schweres Leiden, mittel- bis langfristige mittelgradige Schäden oder schwere Schäden, langfristige schwere Angst oder eine schwere Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens bewirken.
Urteil mit Signalwirkung
Die drei Tierschutzorganisationen hoffen nun darauf, dass dieser Erfolg vor Gericht wegweisend sein wird. Es komme in der Praxis regelmässig vor, dass ethisch sowie wissenschaftlich fragwürdige Gesuche zu Unrecht bewilligt werden. Die Bewilligungsbehörden und die Forschenden würden das Leiden der Versuchstiere systematisch unterbewerten und der etwaige Nutzen für die menschliche Gesundheit massiv überbewerten, steht in der Mitteilung weiter. Die Forschenden haben noch die Möglichkeit, das Urteil vor dem Bundesgericht anzufechten.
[IMG 2]
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren