Mitarbeiter von Tierheimen kennen das zur Genüge: Die Katze soll weg, häufig aus Gründen, die kein Tierliebhaber nachvollziehen kann. Manchmal werden Allergien beim Halter geltend gemacht – was sich natürlich kaum nachprüfen lässt. Gewöhnlich geht es aber darum, dass ein unbedacht angeschafftes Tier irgendwann «lästig» wird, vor allem dann, wenn es Probleme macht, an den Tapeten und Möbeln kratzt oder die Pflanzen anfrisst. Oder wenn es alt wird und die Tierarztkosten steigen. Wenn der neue Freund keine Katzen mag oder ein Kind geboren wird und plötzlich keine Zeit mehr für das Büsi da ist. Für alle diese Fälle gäbe es Hilfe und Lösungen, aber meistens sind die Halter entschlossen, einfach die Katze so schnell wie möglich abzugeben.

Aber es gibt auch den umgekehrten Fall – dass es im Sinne der Katze besser wäre, ein anderes Zuhause für sie zu finden. Es ist paradox: Während sich die einen nicht schnell genug ihres Tieres entledigen können, schaffen es andere Menschen nicht, sich von ihrer pelzigen Lebensgefährtin zu trennen, obwohl sie wissen, dass das Büsi mit seinen Lebensumständen unglücklich ist.

Denn für eine Trennung kann es durchaus gute Gründe geben. Charlys Besitzerin zum Beispiel sucht traurig ein neues Zuhause für den 13 Jahre alten Kater, weil sie in den Aussendienst versetzt wurde und nun häufig auf Geschäftsreisen gehen muss. Der Senior ist ein reiner Wohnungskater und nun noch mehr als früher alleine und ohne Beschäftigung. Aus Kummer und Langeweile hat er sich schon deutliches Übergewicht angefressen und kann sich nur noch schwerfällig bewegen. Ihm in seinem Alter noch einen Artgenossen zuzumuten, verbietet sich. Also soll er ein neues Zuhause bekommen. Kein leichter Schritt für Mensch und Tier, aber doch besser als die jetzige Situation.

Drohen sorgt für Angst und Anspannung
Ein anderer Fall ist der, dass manche Menschen mehrere Katzen halten möchten, aber die Vergesellschaftung trotz aller Mühen nicht gelingt. Wenn ein Tier jedoch offen oder auch subtil gemobbt wird und dieser Zustand über lange Zeit anhält, ist es dann nicht verantwortungsvoller, einen besseren Platz zu suchen? Oft ist der Satz zu hören, dass sich die Tiere ja nicht lieben müssen. Sie sollen nur miteinander auskommen. Aber ob das wirklich klappt oder nur auf dem Wunschdenken des Menschen beruht? Das ist selbst für erfahrene Katzenhalter schwierig zu beurteilen.

Flimpi etwa ist die jüngste Katze in einer Gruppe, in der schon zwei Kater und eine Katze leben. Sie wird von allen drei Tieren abgelehnt und teils auch attackiert. Zwar legten sich nach rund einem halben Jahr die körperlichen Angriffe. Aber die kleine Katze ist ängstlich und schreckhaft und läuft schon weg, wenn sie den ältesten Kater sieht. Sie will nur dann in den Garten, wenn die anderen drei Tiere sich im Haus aufhalten, und kommt bloss nachts heimlich zum Schmusen. Die Menschen müssen die vier Katzen dauerhaft getrennt halten.

Auch wenn eine Verkehrsregel geschaffen wurde, wer wann wo kommen und gehen darf, und genügend Platz für alle vier Katzen vorhanden ist, sodass sich alle aus dem Weg gehen könnten – das ist kein schönes und glückliches Katzenleben. Deshalb wäre es wohl besser, für die kleine Grautigerin ein neues Zuhause entweder als Einzelkatze zu finden oder einen Platz, bei dem sie mit freundlich-sozialen Artgenossen zusammenleben kann. Denn auch subtiler Dauerstress kann krank machen. Selbst wenn nicht jeden Tag die Fellbüschel fliegen, beherrschen Katzen die hohe Kunst des Drohens. Anstarren, die Lieblingsplätze der anderen belegen, sich vor der Toilette postieren, wenn die Artgenossin ihr Geschäft verrichten will – alles das sorgt für Angst und Anspannung.

Es kommt aber auch vor, dass ein Einzeltier eine ganze Gruppe terrorisiert. Das muss nicht unbedingt die alteingesessene Katze sein. Manchmal wartet auch der Neuankömmling einige Zeit und beschliesst dann plötzlich, nicht mehr mit der oder den Erstkatzen teilen zu wollen. So wie Pitt, ein mächtiger schwarzer Kater auf einem Reiterhof. So lange hat er auf ein Zuhause warten müssen, dass er nun offenbar nicht mehr teilen mag: nicht sein Futter, nicht seine Toiletten, schon gar nicht die Zuwendung seiner Menschen. Er bedrängt Lucy, die Revierinhaberin, und jagt sie sogar aus ihren Verstecken, in die sie sich ängstlich zurückgezogen hat.

Chance für einen Neuanfang
Gegen diese offensiv-territoriale Aggression ist meist kein Kraut gewachsen und alle Erziehungs- und Vermittlungsversuche scheitern. Wer hier aus Zuneigung und Mitleid die Trennung immer weiter hinauszögert, riskiert letztlich, zwei verstörte Katzen zu haben. Manche Tiere können den Dauerstress, dem sie ausgesetzt sind, nicht anders begegnen, als sich selbst das Fell auszurupfen oder bestimmte Stellen an den Beinen, Schenkeln und Flanken so intensiv zu belecken, dass nur noch die blanke Haut zu sehen ist. So wie Kater Nepomuk, der nach Jahren in einer «Zwangs­ehe» nur noch auf dem Rücken Fell hat.

Ein krankes Tier abzugeben und ihm den Umzug in ein neues Zuhause zuzumuten, das verbietet sich eigentlich. Es gibt jedoch Situationen, in denen das trotzdem die bessere Lösung für das Tier ist: Kater Lukas bekommt im Alter von sechs Jahren plötzlich Diabetes. Und seine Besitzerin ist eine junge Frau, die gerade in ihre erste eigene Wohnung gezogen ist. Sie hat nach dem Studium eine neue Stelle in einer anderen Stadt angetreten und ist oft lange unterwegs. Lukas aber braucht sehr regelmässig seine Insulinspritzen, um seine Werte konstant zu halten. Leider findet sich kein Catsitter, der sich mit dieser Krankheit gut genug auskennt, regelmässig Blutzuckermessungen durchführt und ihm dementsprechend Medikamente gibt. Deshalb soll Lukas nun zu Menschen, die sich mit dieser Erkrankung auskennen – keine leichte Aufgabe. Aber über ein spezielles Katzendiabetikerforum im Internet findet sich zumindest eine Dauerpflegestelle für ihn.

Diese Fälle machen deutlich, dass es nicht immer Leichtfertigkeit oder Egoismus ist, wenn sich Menschen von ihrem Tier trennen. Manchmal birgt so ein Schritt, so schmerzlich er sein mag, auch eine Chance auf einen Neuanfang im Sinn der Katze. Das gilt allerdings immer nur dann, wenn vorab alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind und auch Fachleute wie Tierärzte und Tierverhaltensberater zu einer Abgabe raten. Und selbstverständlich wird jeder verantwortungsvolle Katzenhalter versuchen, die beste Lösung für einen Umzug in ein stressfreies Leben zu finden, und sein Tier nicht kurzerhand in ein ohnehin meist überfülltes Tierasyl geben.